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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

DOI Heft:
1. Maiheft
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Berliner, Rudolf: Kleinasiatische Steinskulpturen
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0364

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Kleinaßatiiebe Steinfkulpturen

oon

Rudolf Berit ne t’cjvtüncbcn

Als „noch zu bestimmende Kunstwerke“erlaube
ich mir dem Leserkreise des „Kunstwanderers“, die in
den Abbildungen 1 und 2* 2) wiedergegebenen Steinskulp-
turen bekanntzugeben. Die Aufnahmen stammen aus dem
Jahre 1913; seit der Zeit versuche ich vergeblich das
Rätsel zu lösen. Vielfach angerufene Hilfe versagte

gleichfalls. Hoffen wir, daß wir nun weiter kommen
werden.

Was gesagt werden muß, ist nicht viel. Südwestlich
von Türk-Kjöj (13 km süd-südöstlich von Melet) fanden
wir an der Steinumwallung einer Feldmark
das Schaf und die Trümmer der Wiege,
deren zwei größte Bruchstücke die Photo-
graphie aneinandergeschoben zeigt. Der Kopf
eines früher noch vorhandenen zweiten
Schafes befand sich bei Sami Bei in Melet,
dessen Onkel ihn vor — damals — 15 Jahren
von der Fundstelle fortschaffte. Weitere
Reste dieses zweiten Tieres waren nicht
mehr festzustellen.

Für jeden Kenner des Landes ist die
gegenständliche Bestimmung der Skulpturen
nicht schwer. Der ausgesprochene Fettschwanz
verrät das Schaf, Form und die profilartigen
Bänder sichern die Bestimmung der Wiege.

Während die Tiere aus granitähnlichem Ur-
gestein sind, bildet Sandstein das Material
der Wiege. Die Maße sind für das Schaf:

Höhe bis zum Scheitel 81 cm, Länge 76 cm,

Dicke 34 cm; für die Wiege: Höhe 43 cm, Länge
73 cm, Tiefe 43 cm. Die Formengebung ist summarisch, aber
genau im Charakteristischen. So ist Andeutung der Ohren
nicht vergessen, aber der Kopf im Ganzen nur als ab-
gestumpfte Kegelform gegeben. Während der Zwischen-
raum zwischen den Vorder- und Hinterbeinen unter dem
Bauch ausgehöhlt ist, sind die Verbindungen zwischen
den Beinpaaren stehengeblieben.

Soweit stehe ich auf sicherem Boden. Aber Be-
stimmung der Bedeutung der
Skulpturen, des Kunstkreises, dem
sie entstammen und ihres Alters
läge mir noch ob, während ich nur
vage Vermutungen und Negationen
bringen kann. Ich sehe zweckhaft
in den drei Skulpturen Glieder
eines Zusammenhanges, der früher
vielleicht sogar noch umfangreicher
war, verneine somit die Möglich-
keit, daß wir es mit Grabsteinen zu

9 Siehe „Der Kunstwanderer“ 1./2. Juliheft 1920, 2. August-
heft 1920.

2) Die Zeichnung soll verdeutlichen; in für diesen Zweck
Unwesentlichem weicht sie gelegentlich von dem Bestände, wie
ihn die Photographie verzeichnet, ab.

tun hätten. Denn Grabsteine in der Form einer Wiege
sind m. W. nicht bekannt. Für uns liegt bei der Be-
deutung von Krippe und Schafen eine Assoziation sofort
bereit; die der Weihnachtskrippe. Aber wo sind die
unumgänglichen menschlichen Figuren, oder wo sind
wenigstens ihre Reste? Ist solche monumentale „Krippe“
überhaupt für den Osten denkbar? Und wie kommen
die Trümmer heute aufs Feld, entfernt von jeder An-
siedelung? Soviel Fragen, soviel Rätsel.

Jedem kundigen Betrachter der Abbildungen fallen
sofort die armenischen Grabsteine in Tier-
gestalt ein. Ich sagte schon, warum ich an
keine Grabsteine glaube. Mindestens zu
solchen, uns allein bekannten, jüngeren Zeiten
(seit dem 16. Jahrhundert) entstammenden
armenischen Arbeiten führen auch formal
keine Brücken. Wir haben es mit einem
plastischeren, viel weniger schnitzlerhaften
Stil zu tun, als die gesamte armenische
Skulptur vertritt, die durchaus flächig
empfunden ist.

Es bleibt also nur die Vermutung eines
Zusammenhanges der Skulpturen mit der
hellenistischen oder byzantinischen Kunst
als Ausweg. Und man kann einschränkend
wohl noch sagen: für ein antikes Werk ist
im allgemeinen die Verbindung von natura-
listischer Deutlichkeit mit ganz ungefährer
Andeutung zu roh, ist im besonderen
die Verbindung von naturalistischen Ab-
sichten mit der leblosen Stilisierung von Brust- und
Beinkonturen des Schafes undenkbar. Demnach würde
ich ihre Einordnung in die byzantinische Kunst wagen —
aber, wie ich unter Anknüpfung an den ersten Absatz
nur sagen kann: versuchsweise.

* *

*

Die gleiche Frage: griechisch? armenisch? stellt

ein Grabstein in Zilleh (Abb. 3).
Er lag 1913 im Hofe der dortigen
armenischen Kirche — aber das
beweist nichts für die ethnische
Zugehörigkeit, denn es liegen viele
Grabsteine da herum, von denen
sich manche durch griechische In-
schriften als ohne Zweifel nicht-
armenischen Ursprungs erweisen.

Unsere Grabplatte ist aus
Sandstein, 102 cm hoch und
und 46 cm breit. Sie zeigt in einfachem Kastenrahmen
reliefiert eine stehende männliche Figur, die mit der
Rechten einen Becher vor die Brust hält, während der
linke Arm mit eingezogenen Fingern gerade herabhängt.
Der Mann trägt auf dem Kopfe einen Fez mit Turban

Abb. 3

Abb. 2

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