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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

DOI issue:
2. Maiheft
DOI article:
Lempertz, Heinrich: Sechs Rheinansichten von Hermann Reifferscheid
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0387

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artig kurze Ätzstriche, sowie zarte Tönung des Horizontes
bringen das Spiegeln des Wassers, das Leben der Wellen
und räumliche Tiefe hervor.

Beschränkt sich Reifferscheid in den bereits charak-
terisierten Arbeiten auf die reine Sprache der Linie, so
verbindet er in den nachfolgenden mit der Linienkraft
ein fast farbig anmutendes Klingen dunkler und heller
Flächen. Bei „Nonnenwerth im Morgennebel“ ist das
Gesamtbild in zwei Hälften geteilt. Hell die linke Seite,
in deren unteren Partie das eigenartige Flimmern der
Wasserfläche im Morgennebel durch punktartige Striche
gegeben und die Fernsicht auf das Kloster und die um-
gebenden Baumpartien über dem dunklen schmalen Ufer-
schatten in zarten Linien gebannt ist. Dunkle Tönung in
breitgesetzten Linien füllt die rechte Seite, auf der eine
hohe, dichte Baumgruppe auf die benachbarte Wasser-
fläche dunkle Schatten wirft.

Verwandte kontrastreiche Flächen gliedern die Dar-
stellung „Schleppdampfer bei Grafenwerth“, doch sind
hier die tiefen dunklen Flächen vom Unterrande zur
Mitte des Bildes emporgerückt. Der Hauptakzent ruht
auf der schweren Baumgruppe der Insel, von der einzelne
Schlagschatten über die Wasserfläche zum unteren Rande
führen, die in einem aus den Fluten emporragenden
Weidenstumpf eine neue Rhythmisierung erhalten und

Bäume ein. Sie überschattet die Landschaft und verdeckt
den wolkenlosen Horizont, der durch das Gewirr der
äußeren Astspitzen durchschimmert. Weiter im Hinter-
grund in reiner Liniensprache gehalten die bewaldete
Insel und die im doppelten Bogen zu ihr führende Brücke.
Einzelne stark geätzte Baumpartien, Grashalme und Boden-
wellen beleben und gliedern die untere Hälfte des Blattes
und das Vorterrain der Landschaft. Schattige Kühle
durchströmt die ganze Darstellung.

Diese Verbindung von fein empfundenem Linien-
und Flächenspiel mit einem starken Gefühl für den poetisch
zarten Reiz der Landschaft bietet die besondere Note der
Reifferscheid’schen Rheinlandschaften. Naturalistisch
erfaßt und festgehalten sind die einzelnen Motive. Aber
mit der äußeren Form ist gleichzeitig der innere Charakter
der Natur gebannt. Ebenso zeugt der innere Ausbau und
die lineareVereinfachung der Formen von stark graphischem
Empfinden und Fühlen.

Bald jubeln Land und Fluß im Sonnenschein eines
herrlichen Sommertages, bald klingen und spiegeln die
Flächen des Flusses in dem wechselnden Licht des
Morgennebels oder verbreiten laubbedeckte Bäume wohl-
tuenden Schatten. Rheinische Fröhlichkeit, weiche und
zarte Stimmungen finden in Linien und Flächen Wider-
hall und Unterstützung.

Reifferscheid,
Weidenufer am Rhein.

Verlag

Hermann Abels, Köln.

schließlich nach den unteren und seitlichen Rändern in
bogenförmig bewegten Wellenstrichen ausklingen. Ein
anderer Schattenweg führt von den Inseln zur linken
Seite des Blattes, charakterisiert durch den spitzen Aus-
lauf der Insel und belebt und bereichert von der dunklen
Silhouette der Schleppdampfer und den nachfolgenden
Frachtkähnen. Das in der Ferne sichtbare Siebengebirge
und der die Athmosphäre belebende Rauch ist in duftigen
Strichen gezeichnet.

Einen anderen Grundton schlägt Reifferscheid in der
„Brücke vor Grafenwerth“ an. Fast die ganze rechte
Seite nimmt eine Gruppe dicht belaubter, breitästiger

So erfreuen die Radierungen von Hermann Reiffer-
scheid, die uns nicht vor schwerfaßliche Kunsfprobleme
stellen, durch die Einfachheit und Feinheit ihres graphischen
Aufbaus und Gefühls, durch die Klarheit der dargestellten
Landschaft und das poetisch-dichterische Empfinden.

* *

*

Der Kunstsalon Hermann Abels in Köln, in
dessen Verlag die Radierungen Reifferscheids erschienen
sind, gab uns in freundlicher Weise die Genehmigung
zur Wiedergabe dieser Radierungen.

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