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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Maiheft
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Josten, Hanns Heinz: Fayencen und Steingut
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0390

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der Bestände des Würzburger Museums bei der Auswahl
der Abbildungen, so verständlich sie bei dem Werke
Stoehrs ist, aufgegeben würde zu Gunsten der Wieder-
gabe der jeweils typischsten Stücke ohne Rücksicht auf
ihren zufälligen Aufbewahrungsort. Auf eine Reihe von
Abbildungen minderwertiger Arbeiten könnte gewiß ohne
Schaden verzichtet werden. Auch der Text könnte wohl
vielfach ohne Einbuße kürzer gefaßt werden, nicht am
wenigsten dadurch, daß die Angehörigen der einzelnen
Fabriken, deren Namen ohne Unterschied ihrer doch nur
selten großen Bedeutung sämtlich in Sperrdruck er-
scheinen, in Noten zusammengestellt würden. Deren
vollständige Aufzählung erscheint gleichwohl in einem
solchen Handbuch unerläßlich; sie würde sogar zweck-
mäßig auch bei den Fabriken durchgeführt, für die sie,
wie für Hanau, bereits anderswo übersichtlich zusammen-
gestellt sind. Die Fayenceleute sind, wenn auch selten
als schöpferische Persönlichkeiten, so doch als Vermittler
von Formen, Farbzusammensetzungen und Mustern
zwischen den einzelnen Manufakturen, an denen sie
nacheinander arbeiteten, die Träger der im Ganzen ja
noch erst klarzustellenden Entwicklung.

Die Wichtigkeit der Geschichte ihrer Wanderungen
erhellt auch deutlich genug aus Stoehrs Ausführungen
etwa über die Poppelsdorfer Fabrik, in der vor 1760
mehr Leben geherrscht hat, als es nach den bisherigen
Veröffentlichungen den Anschein hat. Auch Dannhöffer —
eigenhändige Namensunterschriften und Signaturen des
Künstlers, letztere z. B. auf einer Platte des Stuttgarter
Landesgewerbemuseums, zeigen m. W. nie die in der Literatur
allgemein gebräuchliche Schreibweise „Danhofer“ — ist
nachweislich 1758 ebenfalls dorthin übergesiedelt. Sein
Aufenthalt in Ebeleben — nicht „Eheleben“ —, den
Stoehr, auf eine Stelle bei Zais zurückgehend, kurz er-
wähnt, gibt ferner den von Sauerlandt vergeblich gesuchten
sicheren Anhalt für eine Frühgeschichte der Manufaktur,
die später in Abtsbessingen ihren Sitz hatte. Das Zeugnis
des Fürsten von Schwarzburg - Sondershausen ist im
Wiesbadener Staatsarchiv bei den Akten der Höchster
Fabrik (IX. Kurmainz, Landesregierung 329 1) erhalten
und weist eine dreijährige Tätigkeit „Dannenhöffers“ als
„Amailleur Mahler“ bei dessen Fabrik, und zwar bis
zum 2. Oktober 1747, nach. Noch an vielen Stellen
kann man so bei Stoehr Fingerzeige finden, in welcher
Richtung mit Erfolg gesucht werden kann. Es wäre ein
Glück, wenn die lokale Forschung durch sein Buch zu
eifriger Arbeit angeregt würde. Gelegenheit dazu bieten
schon die Kirchenregister in Hülle und Fülle; sie hätten
längst systematisch und sorgfältig nicht nur auf Keramiker,
sondern auf alle Künstler und Kunsthandwerker durch-
gesehen werden sollen. Unendlich viel Wichtiges und
Wertvolles aber ruht ungehoben in den zahlreichen
deutschen Archiven, die die deutsche Forschung, in einer
jedem Ausländer und hoffentlich auch bald immer mehr
Deutschen unbegreiflichen Verkennung der wichtigsten
und nächstliegenden Aufgaben, zugunsten der Erforschung

der Urkunden und der Kulturentwicklung fremder Länder
vernachlässigt hat.

Das Steingut mußte in Stoehrs Handbuch notwendig
ein Stiefkind bleiben, da die deutsche Erzeugung dieser
Art im Gegensatz zu den Fayencen nur im Rahmen der
Gesamtentwicklung verstanden und gewertet werden
kann. Dieser Aufgabe wird in vorzüglicher Weise ein
Werk von Gustav E. Pazaurek „Steingut: Form-
gebung und Geschichte“ gerecht, das, bereits vor Kriegs-
ausbruch vollendet und sogar im Satz fertiggestellt, infolge
der Kriegs- und Nachkriegshemmungen leider erst jetzt
bei Julius Hoff mann in Stuttgart erschien. Es ist
aufgebaut auf einer ganz erstaunlichen Kenntnis der
gesamten einschlägigen, insbesondere auch der in aus-
ländischen Zeitschriften verstreuten Literatur, der Marken
sowie des Denkmälerbestandes und gibt in seinem groß-
zügigen geschichtlichen Teil bei aller Kürze erschöpfende
und leicht auffindbare Auskünfte und Nachweise auch in
Bezug auf alle irgend wichtigen Einzelheiten aller über-
haupt feststellbaren Fabriken. In dieser Beziehung bietet
die weit ausgedehntere Behandlung der einzelnen deutschen
Manufakturen bei Stoehr kein eigentliches Mehr. Pazaurek
aber bringt darüber hinaus regelmäßig die Marken, auch
die bisher noch nie brauchbar veröffentlichten und schwer
deutbaren abgekürzten. Ganz neu und überaus wertvoll
ist die Darlegung der Vorgeschichte des Steinguts und
die Klarstellung des Begriffs, der noch in der Literatur
der allerletzten Zeit verworren erscheint.

Trotzdem liegt der Nachdruck des Ganzen keines-
wegs auf der den Sammler und Forscher nachgerade
ausschließlich reizenden historischen, sondern auf der
heute, gegenüber Antiquitäten, insbesondere alten Erzeug-
nissen volkstümlicher Keramik fast völlig vernach-
lässigten ästhetischen Seite. Dieser Gesichtspunkt war
in erster Linie bestimmend bei der sorgfältigen Auswahl
des üppigen Abbildungsmaterials, das auf 55 prächtigen,
unter den jetzigen Verhältnissen fast märchenhaft an-
mutenden Lichtdrucktafeln zusammengestellt ist. Besser
als viele Worte macht das darin Gebotene den unver-
gleichlichen Siegeslauf des Steinguts zu Anfang des ver-
flossenen Jahrhunderts verständlich. Seine Bestimmung
für das gediegene Bürgerhaus verbot jede Unbesonnenheit,
jede Spielerei und allen ausschweifenden Zierat, verlangte
strengste Zweckmäßigkeit. Aus diesen Voraussetzungen,
die nur von der feinsten Lösung jeder Einzelaufgabe
Erfolg erwarten lassen konnten, entwickelte sich der Stein-
gutstil, die zur schlicht-vornehmen Kunstform durch-
gebildete, gesteigerte, veredelte, dabei durchaus stoffgemäße
Zweckform.

Indem Pazaurek diesen Gedanken klar heraus-
stellte, hat er mehr gegeben als ein ausgezeichnetes
Steingutwerk, das dem Sammler und Forscher auch höhere
Ziele zeigt; er hat unserer Zeit gärenden Formwillens
einen Schatz herrlicher Vorbilder geschenkt, dessen Wert
als Anregungs- und Klärungsmittel nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann.

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