zimmer ihren Platz anweisen konnte. Aber das an-
gedeutete, stellenweise etwas unerfreuliche Nebeneinander
der magazinartigen Stoffgruppensammlung und der mehr
bildmäßigen Stilgruppensammlung blieb bestehen. Und
man hatte wohl das Gefühl, daß Brinckmann gegen Ende
seines überreichen, tatgesättigten Lebens die auch von
ihm gefühlte Aufgabe einer durchgreifenden Neuordnung
mehr oder weniger bewußt für seinen Nachfolger zurück-
stellte. Noch so viel wie möglich in sein Haus zu ernten,
das schien ihm dringender; wie sehr sich diese Möglich-
keit von Jahr zu Jahr verringerte, war ja deutlich zu
merken. Dazu kam wohl auch das Bewußtsein, daß es
notwendig werden könnte, diesen oder jenen Sammelzweig
abzuschneiden und als selbständigen Schößling neu an-
zupflanzen: die Sammlung zur Kulturgeschichte Hamburgs
etwa, die Sammlung niederelbischer Bauernkunst, u a. Daß
Brinckmann selbst sich zu solchen Schnitten nicht mehr
entschließen mochte, ist verständlich genug. Und
ferner: obwohl er selbst, um augenblicklichen Be-
dürfnissen Befriedigung zu
schaffen, gelegentlich aus-
gesprochen hat, sein Haus
sei ganz gut — man brauche
keinen Neubau, wird er im
stillen doch damit gerechnet
haben, daß man seinem
kostbaren Werke eines Tages
den würdigen Rjhmen
schenken würde, auf den es
mindestens so viel Anspruch
hatte, wie die Völkerkunde,
die hamburgische Geschichte
oder die Kunsthalle. Aber
auch das, mag er gedacht
haben,werden jüngere Hände
bewirken. Die jüngeren
Hände sind da, an Einsicht
und Willen fehlt es nicht;
aberderAusgang desKrieges
brachte einen Zwang der Bescheidung, auf den noch bei
Brinckmanns Tode, im Februar 1915, niemand gefaßt
sein konnte.
Dies alles kennzeichnet die Aufgabe und macht die
Erwägungen verständlich, die der Neuaufstellung die
Hauptrichtlinien lieferten.
Zunächst waren mancherlei bauliche Eingriffe nötig,
die — als Notstandsarbeiten — ohne weiteres bewilligt
wurden. Vor allem mußte durch Überbrückung der er-
wähnten Torfahrt der Rundgang im Erdgeschoß ermöglicht
werden; ferner waren Türen zuzusetzen, neue Öffnungen
durchzuschlagen, eine Wand zu entfernen, Lichtleitungen
zu legen u. ä. Am wichtigsten aber war der Anstrich,
der sich als einziges Mittel darbot, um der sonst völlig
charakterlosen Innenarchitektur Haltung und Gliederung
zu geben. Durch die Anordnung der Türen und durch
die Farbe wurden die Räume, deren Inhalt stilistisch
zusammengehört, zu einer Raumgruppe vereinigt, die sich
dem Besucher als Einheit einprägt und in der Erinnerung
haftet. Dazu waren starke, entschieden von einander
abgesetzte Farben nötig. Man wählte Blau für Vorzeit
und Mittelalter, Goldgelb für die Renaissance in Deutsch-
land, pompejanisches Rot für die Renaissance in Italien
und Frankreich, Taubengrau für die niederländische Kunst
des 17. und 18. Jahrhunderts, Dunkellila (caput mortuum)
für das deutsche 17. und beginnende 18. Jahrhundert,
Seegrün für das Rokoko, Kaisergelb für die Kunst des
Empire.
Mit dieser Aufzählung ist bereits ausgesprochen,
daß die Einordnung der Sammlunggegenstände nach Stil-
gruppen restlos durchgeführt wurde. Daß dabei gewisse
Dinge — Fayencen etwa und Porzellan — noch immer
in größeren Mengen stoffgruppenartig beisammen bleiben,
ist selbstverständlich: der Wertvorrat dieser Gattungen
entstammt eben dem gleichen Zeitalter, der gleichen Stil-
stufe. Aber waldgrüne Nuppengläser suche man in den
blauen Räumen, deutsche Fadengläser in den gelben,
italienische in den roten, Rubingläser, geschliffene,
Zwischengoldgläser u. ä. in den violetten und hellgrünen
Sälen. So ergab sich von
selbst, daß die mannigfal-
tigsten Stoffe und Arbeitver-
fahren in denselben Räumen
eng nebeneinandertraten;
auch wenn man gewollt
hätte, wäre es nur selten
möglich gewesen, einen
Schaubehälter mit Erzeug-
nissen nur einer Werk-
gattung anzufüllen. Aber
der die Neuaufstellung be-
herrschende Gedanke geht
weiter: absichtlich wurden
in den einzelnen Behält-
nissen die Gattungen ge-
mischt. Durch das Neben-
einander eines Leder-
einbandes etwa, eines
Flügelglases, eines meß-
kundlichen Werkzeuges von Messing, einer geschnitzten
Paneelleiste soll jeder Gegenstand sich von seiner Nach-
barschaft trennen, so daß der Beschauer zu längerem
Verweilen, zu tieferer Versenkung in das Einzelwerk ge-
nötigt wird. Nach dem Wunsche des Museumsleiters
soll jeder einzelne kunstgewerbliche Gegenstand als
Kunstwerk, als eine Person für sich bewertet werden.
Wenn aus irgendwelchen äußeren Gründen das Neben-
einander mehrerer Gegenstände gleicher Art — Majolika,
Schliffglas, Porzellan u. a. — unvermeidlich oder
wünschenswert scheint, so soll auch hier der Eindruck der
Gruppe, des Aufeinanderbezogenseins vermieden werden.
Die angedeuteten Maßnahmen dienen zunächst und
vor allem dem ästhetischen Genuß. Aber auch die sach-
liche Belehrung, auf die eine öffentliche Schausammlung
größeren Umfanges ja nie ganz verzichten darf, ist nicht
vernachlässigt. Natürlich liegt sie im Hamburger Museum
nicht auf allgemein-kulturgeschichtlichem Gebiet, sondern
auf dem der Stilgeschichte. Die oft rücksichtlose Ent-
schiedenheit eines stilmäßigen Formwillens, der die ver-
Holländische Kunst des XVIII. Jahrhunderts. Raum 13
(Delfter Fayencen, Fliesenbild von Jan Aalmis in Rotterdam 1764)
394
gedeutete, stellenweise etwas unerfreuliche Nebeneinander
der magazinartigen Stoffgruppensammlung und der mehr
bildmäßigen Stilgruppensammlung blieb bestehen. Und
man hatte wohl das Gefühl, daß Brinckmann gegen Ende
seines überreichen, tatgesättigten Lebens die auch von
ihm gefühlte Aufgabe einer durchgreifenden Neuordnung
mehr oder weniger bewußt für seinen Nachfolger zurück-
stellte. Noch so viel wie möglich in sein Haus zu ernten,
das schien ihm dringender; wie sehr sich diese Möglich-
keit von Jahr zu Jahr verringerte, war ja deutlich zu
merken. Dazu kam wohl auch das Bewußtsein, daß es
notwendig werden könnte, diesen oder jenen Sammelzweig
abzuschneiden und als selbständigen Schößling neu an-
zupflanzen: die Sammlung zur Kulturgeschichte Hamburgs
etwa, die Sammlung niederelbischer Bauernkunst, u a. Daß
Brinckmann selbst sich zu solchen Schnitten nicht mehr
entschließen mochte, ist verständlich genug. Und
ferner: obwohl er selbst, um augenblicklichen Be-
dürfnissen Befriedigung zu
schaffen, gelegentlich aus-
gesprochen hat, sein Haus
sei ganz gut — man brauche
keinen Neubau, wird er im
stillen doch damit gerechnet
haben, daß man seinem
kostbaren Werke eines Tages
den würdigen Rjhmen
schenken würde, auf den es
mindestens so viel Anspruch
hatte, wie die Völkerkunde,
die hamburgische Geschichte
oder die Kunsthalle. Aber
auch das, mag er gedacht
haben,werden jüngere Hände
bewirken. Die jüngeren
Hände sind da, an Einsicht
und Willen fehlt es nicht;
aberderAusgang desKrieges
brachte einen Zwang der Bescheidung, auf den noch bei
Brinckmanns Tode, im Februar 1915, niemand gefaßt
sein konnte.
Dies alles kennzeichnet die Aufgabe und macht die
Erwägungen verständlich, die der Neuaufstellung die
Hauptrichtlinien lieferten.
Zunächst waren mancherlei bauliche Eingriffe nötig,
die — als Notstandsarbeiten — ohne weiteres bewilligt
wurden. Vor allem mußte durch Überbrückung der er-
wähnten Torfahrt der Rundgang im Erdgeschoß ermöglicht
werden; ferner waren Türen zuzusetzen, neue Öffnungen
durchzuschlagen, eine Wand zu entfernen, Lichtleitungen
zu legen u. ä. Am wichtigsten aber war der Anstrich,
der sich als einziges Mittel darbot, um der sonst völlig
charakterlosen Innenarchitektur Haltung und Gliederung
zu geben. Durch die Anordnung der Türen und durch
die Farbe wurden die Räume, deren Inhalt stilistisch
zusammengehört, zu einer Raumgruppe vereinigt, die sich
dem Besucher als Einheit einprägt und in der Erinnerung
haftet. Dazu waren starke, entschieden von einander
abgesetzte Farben nötig. Man wählte Blau für Vorzeit
und Mittelalter, Goldgelb für die Renaissance in Deutsch-
land, pompejanisches Rot für die Renaissance in Italien
und Frankreich, Taubengrau für die niederländische Kunst
des 17. und 18. Jahrhunderts, Dunkellila (caput mortuum)
für das deutsche 17. und beginnende 18. Jahrhundert,
Seegrün für das Rokoko, Kaisergelb für die Kunst des
Empire.
Mit dieser Aufzählung ist bereits ausgesprochen,
daß die Einordnung der Sammlunggegenstände nach Stil-
gruppen restlos durchgeführt wurde. Daß dabei gewisse
Dinge — Fayencen etwa und Porzellan — noch immer
in größeren Mengen stoffgruppenartig beisammen bleiben,
ist selbstverständlich: der Wertvorrat dieser Gattungen
entstammt eben dem gleichen Zeitalter, der gleichen Stil-
stufe. Aber waldgrüne Nuppengläser suche man in den
blauen Räumen, deutsche Fadengläser in den gelben,
italienische in den roten, Rubingläser, geschliffene,
Zwischengoldgläser u. ä. in den violetten und hellgrünen
Sälen. So ergab sich von
selbst, daß die mannigfal-
tigsten Stoffe und Arbeitver-
fahren in denselben Räumen
eng nebeneinandertraten;
auch wenn man gewollt
hätte, wäre es nur selten
möglich gewesen, einen
Schaubehälter mit Erzeug-
nissen nur einer Werk-
gattung anzufüllen. Aber
der die Neuaufstellung be-
herrschende Gedanke geht
weiter: absichtlich wurden
in den einzelnen Behält-
nissen die Gattungen ge-
mischt. Durch das Neben-
einander eines Leder-
einbandes etwa, eines
Flügelglases, eines meß-
kundlichen Werkzeuges von Messing, einer geschnitzten
Paneelleiste soll jeder Gegenstand sich von seiner Nach-
barschaft trennen, so daß der Beschauer zu längerem
Verweilen, zu tieferer Versenkung in das Einzelwerk ge-
nötigt wird. Nach dem Wunsche des Museumsleiters
soll jeder einzelne kunstgewerbliche Gegenstand als
Kunstwerk, als eine Person für sich bewertet werden.
Wenn aus irgendwelchen äußeren Gründen das Neben-
einander mehrerer Gegenstände gleicher Art — Majolika,
Schliffglas, Porzellan u. a. — unvermeidlich oder
wünschenswert scheint, so soll auch hier der Eindruck der
Gruppe, des Aufeinanderbezogenseins vermieden werden.
Die angedeuteten Maßnahmen dienen zunächst und
vor allem dem ästhetischen Genuß. Aber auch die sach-
liche Belehrung, auf die eine öffentliche Schausammlung
größeren Umfanges ja nie ganz verzichten darf, ist nicht
vernachlässigt. Natürlich liegt sie im Hamburger Museum
nicht auf allgemein-kulturgeschichtlichem Gebiet, sondern
auf dem der Stilgeschichte. Die oft rücksichtlose Ent-
schiedenheit eines stilmäßigen Formwillens, der die ver-
Holländische Kunst des XVIII. Jahrhunderts. Raum 13
(Delfter Fayencen, Fliesenbild von Jan Aalmis in Rotterdam 1764)
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