marke des Kaukasus genannt hat, ist eins der meist ver-
wendeten Motive aller westasiatischen Teppiche. Den
geometrischen Motiven stehen die Blumenmuster der
Perser gegenüber, farbige Blütensterne, die von schlanken
grünen Weinreben umrankt werden.
Die für Persien charakteristische Palmette hält die
Mitte zwischen beiden Gruppen. Palmetten werden stets
wie geometrische Muster angeordnet, lediglich anein-
andergereiht, niemals durch irgendwelche Linien unter-
einander verbunden. Aber die Palmette selbst ist kein
geometrisches Motiv. Die Meinungen über ihre Bedeutung
gehen auseinander. Sie ähnelt sicherlich am meisten
einer Birne; und eine vielverbreitete Meinung geht da-
hin, daß sie einen birnenförmigen Edelstein darstelle, der
zu den altiranischen Kronjuwelen gehörte. Sie ähnelt
aber auch einem Palmenblatt mit geknicktem Stengel
(daher der Name Palmette), das in dieser Form bei den
Griechen ein Symbol des Sieges gewesen ist. Andere
erklären, daß sie ein uraltes Siegel bedeute, das nichts
anderes gewesen sei als die geschlossene in Menschen-
blut getauchte Faust.
In welcher Weise die Herkunft des Teppichs den
Charakter des Musters bestimmt, ist mit Bestimmtheit nicht
zu sagen. Kurden und Perser haben meist Blumen-
muster, Kaukasier und Turkmenen sind fast ausschließlich
geometrisch, Türken vereinigen beides, chinesische Zeich-
nungen weisen größtenteils Drachen, Ungetüme, und
Tiere aller Art auf. Im allgemeinen dürfte es zutreffen,
daß Nomaden geometrische Muster bevorzugen, seßhafte
Bevölkerung hingegen die andere Art. Es ist schwer,
auf Grund dieser Unterscheidung Zusammenhänge
zwischen dem Charakter des Musters und der Psyche
der Erzeuger aufzustellen. Offensichtlich bedeuten alle
Muster, die geometrischen ebenso wie die pflanzlichen
und tierischen, die die Welt erfüllenden Einzelwesen, die
der religiöse Mensch in seiner besonderen Weise sieht;
denn für ihn ist das All, das durch den Fond des
Teppichs wiedergegeben wird, die allumfassende all-
bestimmende Gewalt des Unsichtbaren. Die induvidiellen
Erscheinungen, Dinge wie Menschen, erscheinen ihm
wohl sinnlich und begrenzt, bedeuten ihm aber Gefäße
überirdischer Wirkungskraft. Wie alle typischen Gebilde
religiöser Weltanschauungen geben die Teppichmuster
den Gegensatz des irdisch begrenzten Daseins und der
höheren Gewalt wieder. Die starren Linienzüge, sowohl
die rein geometrischen Figuren wie die geometrischen
Stilisierungen, drücken das Selbstseinwollen des Indi-
vidiums im Widerstand gegen den alles lösenden Strom
des Weltengeschehens aus, die natürlichen Formen hin-
gegen betonen in ihrer Weichheit weit mehr, daß die
Einzelwesen durch die Weltengewalten die Kraft zum
Sein und Wachsen erhalten. Es erscheint daher ver-
ständlich, daß Nomaden und Bergvölker, deren Leben
hartes Ringen mit den Naturgewalten ist, geometrische
Motive bevorzugen. Die Perser hingegen, die ihren
Boden nur zu bewässern haben, damit er ihnen Reichtum
und Lieblichkeit gewährt, neigen dazu, Naturmotive zu
verwenden. Aber ein Moment ist beiden Mustergattungen
gemeinsam: die Motive sind, wiewohl sie Einzelerschei-
nungen verkörpern, fast stets schwerlos dargestellt. Wie
die Sterne auf dem Firmament schweben die geometrischen
Figuren im Fond. Die Blüten, ja sogar die Lebensbäume,
sind durch Ranken verflochten, die nirgends ruhen, son-
dern wie Ornamente ineinander fließen. Selbst auf den
wenigen darstellerischen Teppichen, die Grenzerscheinun-
gen sind, wie sie durch das Aufeinanderstossen ver-
schiedener Kulturen entstehen, ist das Element der Schwere
nur mangelhaft ausgedrückt. Aber man erinnere sich
daran, daß dies auch auf mittelalterlichen italienischen
und deutschen Bildern oft ähnlich der Fall ist. Dem
religiösen Menschen bedeutet die Welt stets nur ein Ziel-
streben, das immer und überall gleichförmig sich ver-
wirklichende Gesetz bleibt seinem Empfinden fremd.
Anderes bedeutet in verschiedenen Kulturen unlösbares
Rätsel. Für den Willensmenschen ist Werden und Ver-
gehen unenthüllbares Geheimnis, für den religiösen hin-
gegen bleibt das Selbstsein, das Bestehen, das Sich-
Gleichbleiben unfassbar.
Jede Kultur tut in ihrer Weise der menschlichen
Seele Zwang an. Jede Kultur stützt sich auf gewisse
Beziehungen des Menschen zum All und indem sie diese
ausbaut, zerreißt sie andere mit Folgenotwendigkeit. Die
kulturelle Funktion der Kunst aber ist es, das verlorene
Gleichgewicht der menschlichen Seele wieder herzustellen.
Die Kunst versinnbildlicht stets den Weltenzusammenhang,
um den Einzelnen den Zusammenhang mit der Welt
wiederzugeben. Die Kunst versinnbildlicht den Welten-
zusammenhang in jeder Kultursphäre auf besondere Weise,
weil jede Kultur andere Zusammenhänge zwischen dem
Einzelnen und dem All zerissen hat.
Der Willensmensch hat seinen Geist dem Erkennen
von Gesetzen und Gleichförmigkeiten angepaßt; er sieht
darum nur starre Formen. Die Gewalten, die diese
starren Formen und ihn selbst im Werden, Entwickeln
und Vergehen bestimmen, bleiben ihm unverständlich.
Darum muß ihm seine Kunst diese Gewalten in greifbarer
Gestalt veranschaulichen, weil sie anders seinem Intellekt
unfaßlich bleiben würden. Dinge und Menschen müssen
für ihn körperlich wiedergegeben werden, weil er die
Wirklichkeit, die er zu beherrschen strebt, stets nur in
dieser Weise sieht. Wenn sich in Europa die Kunst
von der Naturwahrheit entfernt, so bedeutet das ein zeit-
weises Erschlaffen, vielleicht einen Zusammenbrechen der
Willenskultur oder den Übergang zu einem anderen
Kultursystem.
Für den religiösen Menschen ist die Wirklichkeit ein
Strom, von dem sich treiben zu lassen, in dem aufzu-
gehen Sinn seines Lebens ist. Er ist gewohnt, sich in
das Unsichtbare zu versenken. Aber die Härten und
Starrheiten der irdischen Welt, die der Willensmensch
nach freiem Ermessen meisselt und fügt, hemmen seinen
innern Drang, die Fülle der in sich geschlossenen Einzel-
erscheinungen verwirren sein Gemüt. Die mittelalterliche
Gothik ebenso wie der orientalische Teppich spiegeln
den harmonischen Zusammenhang zwischen Individuen
und dem All, vereinigen den innern Trieb des Menschen
mit dem Einen und Ganzen.
Der religiöse Mensch strebt stets, in seinem Gott
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wendeten Motive aller westasiatischen Teppiche. Den
geometrischen Motiven stehen die Blumenmuster der
Perser gegenüber, farbige Blütensterne, die von schlanken
grünen Weinreben umrankt werden.
Die für Persien charakteristische Palmette hält die
Mitte zwischen beiden Gruppen. Palmetten werden stets
wie geometrische Muster angeordnet, lediglich anein-
andergereiht, niemals durch irgendwelche Linien unter-
einander verbunden. Aber die Palmette selbst ist kein
geometrisches Motiv. Die Meinungen über ihre Bedeutung
gehen auseinander. Sie ähnelt sicherlich am meisten
einer Birne; und eine vielverbreitete Meinung geht da-
hin, daß sie einen birnenförmigen Edelstein darstelle, der
zu den altiranischen Kronjuwelen gehörte. Sie ähnelt
aber auch einem Palmenblatt mit geknicktem Stengel
(daher der Name Palmette), das in dieser Form bei den
Griechen ein Symbol des Sieges gewesen ist. Andere
erklären, daß sie ein uraltes Siegel bedeute, das nichts
anderes gewesen sei als die geschlossene in Menschen-
blut getauchte Faust.
In welcher Weise die Herkunft des Teppichs den
Charakter des Musters bestimmt, ist mit Bestimmtheit nicht
zu sagen. Kurden und Perser haben meist Blumen-
muster, Kaukasier und Turkmenen sind fast ausschließlich
geometrisch, Türken vereinigen beides, chinesische Zeich-
nungen weisen größtenteils Drachen, Ungetüme, und
Tiere aller Art auf. Im allgemeinen dürfte es zutreffen,
daß Nomaden geometrische Muster bevorzugen, seßhafte
Bevölkerung hingegen die andere Art. Es ist schwer,
auf Grund dieser Unterscheidung Zusammenhänge
zwischen dem Charakter des Musters und der Psyche
der Erzeuger aufzustellen. Offensichtlich bedeuten alle
Muster, die geometrischen ebenso wie die pflanzlichen
und tierischen, die die Welt erfüllenden Einzelwesen, die
der religiöse Mensch in seiner besonderen Weise sieht;
denn für ihn ist das All, das durch den Fond des
Teppichs wiedergegeben wird, die allumfassende all-
bestimmende Gewalt des Unsichtbaren. Die induvidiellen
Erscheinungen, Dinge wie Menschen, erscheinen ihm
wohl sinnlich und begrenzt, bedeuten ihm aber Gefäße
überirdischer Wirkungskraft. Wie alle typischen Gebilde
religiöser Weltanschauungen geben die Teppichmuster
den Gegensatz des irdisch begrenzten Daseins und der
höheren Gewalt wieder. Die starren Linienzüge, sowohl
die rein geometrischen Figuren wie die geometrischen
Stilisierungen, drücken das Selbstseinwollen des Indi-
vidiums im Widerstand gegen den alles lösenden Strom
des Weltengeschehens aus, die natürlichen Formen hin-
gegen betonen in ihrer Weichheit weit mehr, daß die
Einzelwesen durch die Weltengewalten die Kraft zum
Sein und Wachsen erhalten. Es erscheint daher ver-
ständlich, daß Nomaden und Bergvölker, deren Leben
hartes Ringen mit den Naturgewalten ist, geometrische
Motive bevorzugen. Die Perser hingegen, die ihren
Boden nur zu bewässern haben, damit er ihnen Reichtum
und Lieblichkeit gewährt, neigen dazu, Naturmotive zu
verwenden. Aber ein Moment ist beiden Mustergattungen
gemeinsam: die Motive sind, wiewohl sie Einzelerschei-
nungen verkörpern, fast stets schwerlos dargestellt. Wie
die Sterne auf dem Firmament schweben die geometrischen
Figuren im Fond. Die Blüten, ja sogar die Lebensbäume,
sind durch Ranken verflochten, die nirgends ruhen, son-
dern wie Ornamente ineinander fließen. Selbst auf den
wenigen darstellerischen Teppichen, die Grenzerscheinun-
gen sind, wie sie durch das Aufeinanderstossen ver-
schiedener Kulturen entstehen, ist das Element der Schwere
nur mangelhaft ausgedrückt. Aber man erinnere sich
daran, daß dies auch auf mittelalterlichen italienischen
und deutschen Bildern oft ähnlich der Fall ist. Dem
religiösen Menschen bedeutet die Welt stets nur ein Ziel-
streben, das immer und überall gleichförmig sich ver-
wirklichende Gesetz bleibt seinem Empfinden fremd.
Anderes bedeutet in verschiedenen Kulturen unlösbares
Rätsel. Für den Willensmenschen ist Werden und Ver-
gehen unenthüllbares Geheimnis, für den religiösen hin-
gegen bleibt das Selbstsein, das Bestehen, das Sich-
Gleichbleiben unfassbar.
Jede Kultur tut in ihrer Weise der menschlichen
Seele Zwang an. Jede Kultur stützt sich auf gewisse
Beziehungen des Menschen zum All und indem sie diese
ausbaut, zerreißt sie andere mit Folgenotwendigkeit. Die
kulturelle Funktion der Kunst aber ist es, das verlorene
Gleichgewicht der menschlichen Seele wieder herzustellen.
Die Kunst versinnbildlicht stets den Weltenzusammenhang,
um den Einzelnen den Zusammenhang mit der Welt
wiederzugeben. Die Kunst versinnbildlicht den Welten-
zusammenhang in jeder Kultursphäre auf besondere Weise,
weil jede Kultur andere Zusammenhänge zwischen dem
Einzelnen und dem All zerissen hat.
Der Willensmensch hat seinen Geist dem Erkennen
von Gesetzen und Gleichförmigkeiten angepaßt; er sieht
darum nur starre Formen. Die Gewalten, die diese
starren Formen und ihn selbst im Werden, Entwickeln
und Vergehen bestimmen, bleiben ihm unverständlich.
Darum muß ihm seine Kunst diese Gewalten in greifbarer
Gestalt veranschaulichen, weil sie anders seinem Intellekt
unfaßlich bleiben würden. Dinge und Menschen müssen
für ihn körperlich wiedergegeben werden, weil er die
Wirklichkeit, die er zu beherrschen strebt, stets nur in
dieser Weise sieht. Wenn sich in Europa die Kunst
von der Naturwahrheit entfernt, so bedeutet das ein zeit-
weises Erschlaffen, vielleicht einen Zusammenbrechen der
Willenskultur oder den Übergang zu einem anderen
Kultursystem.
Für den religiösen Menschen ist die Wirklichkeit ein
Strom, von dem sich treiben zu lassen, in dem aufzu-
gehen Sinn seines Lebens ist. Er ist gewohnt, sich in
das Unsichtbare zu versenken. Aber die Härten und
Starrheiten der irdischen Welt, die der Willensmensch
nach freiem Ermessen meisselt und fügt, hemmen seinen
innern Drang, die Fülle der in sich geschlossenen Einzel-
erscheinungen verwirren sein Gemüt. Die mittelalterliche
Gothik ebenso wie der orientalische Teppich spiegeln
den harmonischen Zusammenhang zwischen Individuen
und dem All, vereinigen den innern Trieb des Menschen
mit dem Einen und Ganzen.
Der religiöse Mensch strebt stets, in seinem Gott
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