Hans Meid Aus Florenz
Aus dem Meid-Buche von Lothar Brieger, Verlag Neue Kunsthandlung, Berlin
Fälschung lohnen würden. In der Tat haben die hierher
gehörigen Fälle niemals ein unbekanntes Werk, das
irgendwie irgendwo zitiert wurde, zu rekonstruieren ge-
sucht, ein bibliographisches Desideratum durch eine
Fälschung herbeizuschaffen gesucht (was für Einblatt-
drucke und dünne Flugschriften immerhin nachschöpferische
Talente hätte verlocken können). Denn der Fälscher
brauchte ja der äußeren Wahrscheinlichkeit wegen die
Anlehnung an bekannte Ausgaben. Demgemäß hat er
etwa mit falschen Columbusbriefen und falschen Shakes-
peare Quarto’s (solche bot ein angeblicher Samuel Turner
aus Magdeburg 1912 in München an) keine allzulangen
Erfolge gehabt.9) Daß im übrigen auch allerneueste
Druckwerke gefälscht werden können, beweisen die
<J) Berühmt ist der falsche Columbusbrlef, der den Prozeß
Brayton Ives, New York gegen Ellis <& Elvey in
London veranlaßte. Über die Einzelheiten unterrichtet die
unten verzeichnete Literatur. Besonders hervorzuheben aber ist,
daß diese Fälschung sich eines 1866 von Enrico Giordani, nach
dem in der Ambrosiana in Mailand aufbewahrten Druck, hergestellten
Facsimiles bediente, das in 150 Abzügen vervielfältigt und dadurch
dem Fälscher zugänglich geworden war. Denn schon in diesem
Facsimile befanden sich durch Buchstabenverwechslungen ver-
ursachte Fehler, die dann auch in das Falsifikat hineinkamen. —
H. Harrisse, Apocrypha American a. Examen
critique de d e u x d 6 c i s i o n s d e s t r i b i u n a u x a m 6 -
ricains en faveur d’une falsification de la lettre
imprimde de Christophe Colomb en espagnol
annoncant la dücouverte d u nouveau monde, et
vendue comme authentique ä un prix önorme.
(Centralblatt für Bibliothekwesen. Leipzig: Januar-Februar 1902)1
G. Fumagalli, Bibliografiadegli scrittiitaliani
o stampati in Italia sopra Christoforo Colombo.
Roma: 1893.
Zeitungsnummernfälschungen der Kriegsjahre, die teils
der feindlichen Propaganda dienten, teils von Händlern
vorgenommen wurden, um Sammler zu täuschen. Das
Beispiel ist deshalb hier angeführt, um daraufhinzuweisen,
daß eine Druckwerkfälschung unter Umständen als solche
zu einem „echten“ Gegenstände des Altbuchhandels
werden kann und um zu zeigen, daß anscheinend gleich-
artige Druckwerkfälschungen, die zu verschiedenen Zwecken
unternommen wurden, dem Handel und den Sammlungen
teils als Falsificate und teils als Originale erscheinen
können.
Auflagenfälschungen, bibliographische Fälschungen
durch einen Nachdruck, der den Anschein einer allgemein
gekauften Originalauflage zu erwecken suchte, ohne
aber allzu ängstlich auf das typographische Falsificat
bedacht zu sein, gehören freilich zu den frühesten buch-
händlerischen Spekulationen, deren Sammelbezeichnung
als sogenannte Nachdrucke leicht vergessen läßt, daß
auch ausgesprochene Buchfälschungen unter den Nach-
drucken zahlreich sind, allerdings solche, die in den
gewöhnlichen buchhändlerischen Geschäftsverkehr ge-
langten. Die beliebten und gut bezahlten Aldinen ver-
lockten zum Beispiel dazu und erst später wurden auch
diese Drucke, gleichzeitig mit den zum Range von
Sammlerstücken erhobenen Aldinen, ein Seltenheitsersatz
in einer ähnlichen Anwendung wie die ausgesprochenen
Contre-fagons. Vor allem aber haben die im achtzehnten
Jahrhundert sich vervielfachenden Nachschußauflagen, die
ursprünglich die Verfasser typographisch hintergehenden
Selbstnachdrucke der Verleger, manchen Sammlerselbsttäu-
schungen und Täuschungen ein bequemes Mittel geboten, da
sie bibliographisch meist erst lange nach ihrem Erscheinen
entdeckt wurden. Den Ausgabenbetrug haben dergleichen
Doppeldrucke deshalb begünstigt, weil sich unter ihnen
vielgesuchte Werke finden und in ihrer Reihe ebensowenig
die Bodoniprachtwerke wie die Originalausgaben der
deutschen Klassikerepoche fehlen. Im übrigen ist die
Unterscheidung eines eine bestimmte Druckvorlage typo-
graphisch facsimilierenden Druckwerkes von seiner Vor-
lage leicht vorzunehmen, durch Feststellung nach biblio-
graphischen Kennzeichen oder durch eine Vergleichung.10)
Da die Büchersammler, etwa seit dem Anfänge des
achtzehnten Jahrhunderts, auch die alten Ausgaben
mittelalterlicher und neuerer Schriftsteller ihres Alters
wegen zu suchen begannen, (denn bis dahin blieb die
Einschätzung der Editio princeps als Originalauflage
antiker Klassiker nur philologisch und galt den, wie man
annahm, nächsten Verwandten einer vielleicht nicht mehr
benutzbaren Mutterhandschrift) begannen dementsprechend
die Händler den nachahmenden Nachdruck bestimmter
Bücher neben dem vielverlangter Werke zu pflegen und
die bibliographische Contrefagon entwickelte sich. Aller-
dings waren der bibliographische Geschmack und die
bibliographische Wissenschaft noch nicht ausgebildet
genug, um Fälscherfeinheiten, für die es außerdem in
jener Zeit noch keine sie überall ermöglichenden Verfahren
gab, so anzuwenden, daß sie selbst einigem näheren
io) G. A. E. Bogeng, Fachkunde für Bücher-
sammler. Nikolassee: (1909—1911) 758, 759.
430
Aus dem Meid-Buche von Lothar Brieger, Verlag Neue Kunsthandlung, Berlin
Fälschung lohnen würden. In der Tat haben die hierher
gehörigen Fälle niemals ein unbekanntes Werk, das
irgendwie irgendwo zitiert wurde, zu rekonstruieren ge-
sucht, ein bibliographisches Desideratum durch eine
Fälschung herbeizuschaffen gesucht (was für Einblatt-
drucke und dünne Flugschriften immerhin nachschöpferische
Talente hätte verlocken können). Denn der Fälscher
brauchte ja der äußeren Wahrscheinlichkeit wegen die
Anlehnung an bekannte Ausgaben. Demgemäß hat er
etwa mit falschen Columbusbriefen und falschen Shakes-
peare Quarto’s (solche bot ein angeblicher Samuel Turner
aus Magdeburg 1912 in München an) keine allzulangen
Erfolge gehabt.9) Daß im übrigen auch allerneueste
Druckwerke gefälscht werden können, beweisen die
<J) Berühmt ist der falsche Columbusbrlef, der den Prozeß
Brayton Ives, New York gegen Ellis <& Elvey in
London veranlaßte. Über die Einzelheiten unterrichtet die
unten verzeichnete Literatur. Besonders hervorzuheben aber ist,
daß diese Fälschung sich eines 1866 von Enrico Giordani, nach
dem in der Ambrosiana in Mailand aufbewahrten Druck, hergestellten
Facsimiles bediente, das in 150 Abzügen vervielfältigt und dadurch
dem Fälscher zugänglich geworden war. Denn schon in diesem
Facsimile befanden sich durch Buchstabenverwechslungen ver-
ursachte Fehler, die dann auch in das Falsifikat hineinkamen. —
H. Harrisse, Apocrypha American a. Examen
critique de d e u x d 6 c i s i o n s d e s t r i b i u n a u x a m 6 -
ricains en faveur d’une falsification de la lettre
imprimde de Christophe Colomb en espagnol
annoncant la dücouverte d u nouveau monde, et
vendue comme authentique ä un prix önorme.
(Centralblatt für Bibliothekwesen. Leipzig: Januar-Februar 1902)1
G. Fumagalli, Bibliografiadegli scrittiitaliani
o stampati in Italia sopra Christoforo Colombo.
Roma: 1893.
Zeitungsnummernfälschungen der Kriegsjahre, die teils
der feindlichen Propaganda dienten, teils von Händlern
vorgenommen wurden, um Sammler zu täuschen. Das
Beispiel ist deshalb hier angeführt, um daraufhinzuweisen,
daß eine Druckwerkfälschung unter Umständen als solche
zu einem „echten“ Gegenstände des Altbuchhandels
werden kann und um zu zeigen, daß anscheinend gleich-
artige Druckwerkfälschungen, die zu verschiedenen Zwecken
unternommen wurden, dem Handel und den Sammlungen
teils als Falsificate und teils als Originale erscheinen
können.
Auflagenfälschungen, bibliographische Fälschungen
durch einen Nachdruck, der den Anschein einer allgemein
gekauften Originalauflage zu erwecken suchte, ohne
aber allzu ängstlich auf das typographische Falsificat
bedacht zu sein, gehören freilich zu den frühesten buch-
händlerischen Spekulationen, deren Sammelbezeichnung
als sogenannte Nachdrucke leicht vergessen läßt, daß
auch ausgesprochene Buchfälschungen unter den Nach-
drucken zahlreich sind, allerdings solche, die in den
gewöhnlichen buchhändlerischen Geschäftsverkehr ge-
langten. Die beliebten und gut bezahlten Aldinen ver-
lockten zum Beispiel dazu und erst später wurden auch
diese Drucke, gleichzeitig mit den zum Range von
Sammlerstücken erhobenen Aldinen, ein Seltenheitsersatz
in einer ähnlichen Anwendung wie die ausgesprochenen
Contre-fagons. Vor allem aber haben die im achtzehnten
Jahrhundert sich vervielfachenden Nachschußauflagen, die
ursprünglich die Verfasser typographisch hintergehenden
Selbstnachdrucke der Verleger, manchen Sammlerselbsttäu-
schungen und Täuschungen ein bequemes Mittel geboten, da
sie bibliographisch meist erst lange nach ihrem Erscheinen
entdeckt wurden. Den Ausgabenbetrug haben dergleichen
Doppeldrucke deshalb begünstigt, weil sich unter ihnen
vielgesuchte Werke finden und in ihrer Reihe ebensowenig
die Bodoniprachtwerke wie die Originalausgaben der
deutschen Klassikerepoche fehlen. Im übrigen ist die
Unterscheidung eines eine bestimmte Druckvorlage typo-
graphisch facsimilierenden Druckwerkes von seiner Vor-
lage leicht vorzunehmen, durch Feststellung nach biblio-
graphischen Kennzeichen oder durch eine Vergleichung.10)
Da die Büchersammler, etwa seit dem Anfänge des
achtzehnten Jahrhunderts, auch die alten Ausgaben
mittelalterlicher und neuerer Schriftsteller ihres Alters
wegen zu suchen begannen, (denn bis dahin blieb die
Einschätzung der Editio princeps als Originalauflage
antiker Klassiker nur philologisch und galt den, wie man
annahm, nächsten Verwandten einer vielleicht nicht mehr
benutzbaren Mutterhandschrift) begannen dementsprechend
die Händler den nachahmenden Nachdruck bestimmter
Bücher neben dem vielverlangter Werke zu pflegen und
die bibliographische Contrefagon entwickelte sich. Aller-
dings waren der bibliographische Geschmack und die
bibliographische Wissenschaft noch nicht ausgebildet
genug, um Fälscherfeinheiten, für die es außerdem in
jener Zeit noch keine sie überall ermöglichenden Verfahren
gab, so anzuwenden, daß sie selbst einigem näheren
io) G. A. E. Bogeng, Fachkunde für Bücher-
sammler. Nikolassee: (1909—1911) 758, 759.
430