Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 2.1920/21
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0440
DOI issue:
1. Juliheft
DOI article:Bogeng, Gustav A. E.: Über Buch- und Bucheinbandfälschungen und -Verfälschungen, [5]
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auszusuchen, das dann durch die Geschicklichkeit des
Buchbinders, womöglich durch eine Remboitage, noch
zu einem „Prachtexemplar“ werden kann oder ein gut
erhaltenes, aber unvollständiges Exemplar in ähnlicher
Weise zu vervollständigen, A made up copy ist also
zunächst durchaus keine Fälschung oder Verfälschung.
(Es sei denn, daß es Ausgabenverschiedenheiten einer
Auflage nicht berücksichtigte und ein in alter Ausgabe
nicht vorhanden gewesenes Mischexemplar aus den
Bogen verschiedener alter Ausgaben einer Auflage zu-
sammenstellt.) Alle Bestandteile des made up copy
entstammen der echten Auflage, sind echt. Wenn trotzdem
der altgebundene und nicht der neu zusammengestellte
Abzug einen höheren Liebhaberwert hat, so ist das die
selbstverständliche Folgerung aus den Ansprüchen an
Erhaltung und Frische eines als Sammlerstück bewerteten
alten Buches. Wenn trotzdem auch der anspruchsvolle
Sammler sich mit einer made up copy begnügt, so
geschieht das, weil es ihm allzuwenig aussichtsreich er-
scheint, ein anderes Exemplar in vollkommen alter Er-
haltung zu finden, sei es, daß ein solches allzuselten ist,
sei es, das sein Preis ihm unerreichbar wäre.
Ein unvollständiges Exemplar läßt sich aber nicht
nur aus einem anderen Exemplar der gleichen Auflage
ergänzen. Von der primitiven Ausfüllung der Lücken
durch kunstlose Abschriften bis zur originalgetreuen
Nachschrift durch einen Facsimilator, bis zum photo-
mechanischen Faksimile gibt es hier mancherlei Möglich-
keiten, von denen besonders eine den bequemen Bücher-
fälschern genutzt hat: die Ergänzung einer wertvollen
Ausgabe durch Bestandteile einer ihr ungefähr gleichenden
wertlosen. Mitunter will es der Zufall, daß die Bogen
verschiedener Auflagen eines Werkes in der Druckein-
richtung einander vollkommen entsprechen, ein Umstand,
der bei Contrefagons und Nachschußauflagen (die teil-
weise schon von den Verlegern in Mischausgaben ver-
öffentlicht wurden) kein Zufall ist. Das hat die Kollation
bei der Untersuchung verdächtiger Exemplare zu berück-
sichtigen und der Verdacht wird immer da gegeben sein,
wo Contrefa?ons und Nachschußauflagen bekannt sind.
Aber eine sehr sorgfältige Kollation wird nicht immer
bei einem Ankäufe sogleich möglich sein und die Vor-
sicht wird doppelt und dreifach alle bibliographischen
Warnungszeichen im Auge behalten müssen. n)
n) Der Catalogue Heber (Part II, p. 139, No. 1936
„Froissart’s Chronicles: 1523—25, aus drei verschiedenen Aus-
gaben zusammengebunden) verweist in einer Anmerkung die Auf-
merksamkeit des bibliographischen Kritikers auf die Überprüfung
solcher zusammengestellten Exemplare, die ja leicht auch aus
verschiedenen nicht ohne weiteres als solche erkennbaren alten
Ausgaben verfälscht sein können: To establish certain general
c r i t e r i a, to decide to which of the three any single leaf be-
longs, as it may present itself, seems desirable. These criteria
may be drawn, firstly, from the general form of the characters,
the appearance of the page and press-work, and perhaps the
quality of the paper; secondly from the blooming capitals, as
they are called, at the different chapters and sections, and which
bear different devices, apparently in all three; thirdly, from a
certain peculiar form of certain letters, whether capitals or not,
used by one and not by the other; fourthly, from the arrangement
and orthography of the running titles, and the pagination. Die
Achtsamkeit auf diese Hauptpunkte kann schon beim Kollationieren
dem geübteren Buchkenner eine rasche Prüfung gestatten, während
er die eigentlichen Kennzeichen nicht alle im Gedächtnis behalten
kann, sondern sie in den Handbüchern sich mitunter recht müh-
sam suchen muß.
Hans Meid,
aus:
20 Radierungen
zur Bibel
Der arme
Lazarus i. Hause
des Reichen
Verlag
Neue
Kunsthandlung
in Berlin
432
Buchbinders, womöglich durch eine Remboitage, noch
zu einem „Prachtexemplar“ werden kann oder ein gut
erhaltenes, aber unvollständiges Exemplar in ähnlicher
Weise zu vervollständigen, A made up copy ist also
zunächst durchaus keine Fälschung oder Verfälschung.
(Es sei denn, daß es Ausgabenverschiedenheiten einer
Auflage nicht berücksichtigte und ein in alter Ausgabe
nicht vorhanden gewesenes Mischexemplar aus den
Bogen verschiedener alter Ausgaben einer Auflage zu-
sammenstellt.) Alle Bestandteile des made up copy
entstammen der echten Auflage, sind echt. Wenn trotzdem
der altgebundene und nicht der neu zusammengestellte
Abzug einen höheren Liebhaberwert hat, so ist das die
selbstverständliche Folgerung aus den Ansprüchen an
Erhaltung und Frische eines als Sammlerstück bewerteten
alten Buches. Wenn trotzdem auch der anspruchsvolle
Sammler sich mit einer made up copy begnügt, so
geschieht das, weil es ihm allzuwenig aussichtsreich er-
scheint, ein anderes Exemplar in vollkommen alter Er-
haltung zu finden, sei es, daß ein solches allzuselten ist,
sei es, das sein Preis ihm unerreichbar wäre.
Ein unvollständiges Exemplar läßt sich aber nicht
nur aus einem anderen Exemplar der gleichen Auflage
ergänzen. Von der primitiven Ausfüllung der Lücken
durch kunstlose Abschriften bis zur originalgetreuen
Nachschrift durch einen Facsimilator, bis zum photo-
mechanischen Faksimile gibt es hier mancherlei Möglich-
keiten, von denen besonders eine den bequemen Bücher-
fälschern genutzt hat: die Ergänzung einer wertvollen
Ausgabe durch Bestandteile einer ihr ungefähr gleichenden
wertlosen. Mitunter will es der Zufall, daß die Bogen
verschiedener Auflagen eines Werkes in der Druckein-
richtung einander vollkommen entsprechen, ein Umstand,
der bei Contrefagons und Nachschußauflagen (die teil-
weise schon von den Verlegern in Mischausgaben ver-
öffentlicht wurden) kein Zufall ist. Das hat die Kollation
bei der Untersuchung verdächtiger Exemplare zu berück-
sichtigen und der Verdacht wird immer da gegeben sein,
wo Contrefa?ons und Nachschußauflagen bekannt sind.
Aber eine sehr sorgfältige Kollation wird nicht immer
bei einem Ankäufe sogleich möglich sein und die Vor-
sicht wird doppelt und dreifach alle bibliographischen
Warnungszeichen im Auge behalten müssen. n)
n) Der Catalogue Heber (Part II, p. 139, No. 1936
„Froissart’s Chronicles: 1523—25, aus drei verschiedenen Aus-
gaben zusammengebunden) verweist in einer Anmerkung die Auf-
merksamkeit des bibliographischen Kritikers auf die Überprüfung
solcher zusammengestellten Exemplare, die ja leicht auch aus
verschiedenen nicht ohne weiteres als solche erkennbaren alten
Ausgaben verfälscht sein können: To establish certain general
c r i t e r i a, to decide to which of the three any single leaf be-
longs, as it may present itself, seems desirable. These criteria
may be drawn, firstly, from the general form of the characters,
the appearance of the page and press-work, and perhaps the
quality of the paper; secondly from the blooming capitals, as
they are called, at the different chapters and sections, and which
bear different devices, apparently in all three; thirdly, from a
certain peculiar form of certain letters, whether capitals or not,
used by one and not by the other; fourthly, from the arrangement
and orthography of the running titles, and the pagination. Die
Achtsamkeit auf diese Hauptpunkte kann schon beim Kollationieren
dem geübteren Buchkenner eine rasche Prüfung gestatten, während
er die eigentlichen Kennzeichen nicht alle im Gedächtnis behalten
kann, sondern sie in den Handbüchern sich mitunter recht müh-
sam suchen muß.
Hans Meid,
aus:
20 Radierungen
zur Bibel
Der arme
Lazarus i. Hause
des Reichen
Verlag
Neue
Kunsthandlung
in Berlin
432