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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Juliheft
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Waetzoldt, Wilhelm: Der preußische Adler
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0453

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Geh. Regierungsrat Prof. Dr. Wilhelm Waetzoldt,
Vortragender Rat im Kultusministerium, hatte die Freund-
lichkeit, auf die Bitte des „Kunstwanderers“ nach-
stehenden Aufsatz über den Preußischen Adler zu
schreiben:

[jen Adler als Wappentier Preußens beizubehalten
hatte das Staatsministerium beschlossen. Demnach
war es nicht Aufgabe der Kunstabteilung des Kultus-
ministeriums, die Künstler zu veranlassen, ein neues
Symbol aus der Luft zu greifen, sondern das historische
Wahrzeichen Preußens aus dem Geiste gegenwärtiger
Staats- und Kunstauffassung neu zu gestalten. Aber
noch weiter wurde die Bewegungsfreiheit der Künstler
eingeschränkt. Erstens sollte das neue Wappenbild sich
zweifelsfrei unterscheiden von den verschiedenen Typen
des neuen heraldischen Reichsadlers, vom amerikanischen
und polnischen Adler. Zweitens bestand der Wunsch,
in Form und Ausdruck des preußischen Wappenadlers
etwas anklingen zu lassen von der Sachlichkeit, Schlicht-
heit und Straffheit, die in Sonderheit als preußische
Stammesmerkmale und auch als Kennzeichen des preu-
ßischen Stiles in der Kunst von Schlüter bis Menzel
empfunden werden. Bei jeder heraldischen Form für
den neuen preußischen Adler ergab sich die Verwechse-
lungsmöglichkeit mit dem Reichsadler. Nach dem Weg-
fall der monarchischen Insignien hier wie dort würde
nämlich — abgesehen von den verschiedenen Farben des
Grundes und der Bewehrung (Reich: schwarzer Adler
mit roter Bewehrung auf gelbem, Preußen: schwarzer
Adler mit gelber Bewehrung auf weißem Grunde) — der
preußische Adler sich von dem des Reichswappens nur
durch die sogenannten Kleestengel auf den Flügeln
unterscheiden. Die Wünsche der Heraldiker mußten

praktischen Notwendigkeiten weichen. Alle diese Über-
legungen führten auch die Mehrzahl der vom Kultus-
ministerium mit der Anfertigung von Entwürfen betrauten
Künstlern auf freiere — im strengen Sinne unheraldische —
Lösungen. Dabei brauchte keineswegs mit der preu-
ßischen Wappentradition völlig gebrochen zu werden.
Denn im Rokoko ist der „friederizianische“ fliegende
Adler („nec Soli cedit“), im Empire der sitzende
„napoleonische“ Adler geführt worden. Gegen den
Typus des auf einem Ruten- oder Blitzbündel sitzenden
Adlers sprach entscheidend, daß er als Symbol des
französischen Imperialismus bekannt geworden ist, für
den fliegenden Adler ließ sich seine Volkstümlichkeit in
Preußen anführen.

So entschied sich das Staatsministerium schließlich
für den vom Kultusministerium vorgelegten Entwurf eines
fliegenden Adlers, den Hermann Esch aus Mann-
heim geschaffen hat. (Abb.)

Unter Vermeidung der perspektivischen Verkürzungen
der stark bewegten Rokokoadler gibt Esch ein beruhigtes
und doch in sich bewegtes Bild des schräg aufwärts
fliegenden Adlers. Als Symbol hat dieser Adler Aussicht
volkstümlich zu werden, weil er als Wahrzeichen einer
Staats- und Volksgemeinschaft empfunden werden kann,
die, ohne den inneren Zusammenhang mit der Vergangen-
heit zu verlieren, aus tiefem Fall sich wieder aufzu-
schwingen Willens ist. Als Form entspricht Eschs
Adler den Gesetzen der angewandten Graphik. Mit ein-
prägsamem Umriß, guter Schwarz-Weiß-Verteilung, klarer
Binnengliederung der großen Flächen steht das Bild im
Rund der Stempel und Siegel und im Wappenschild.
Dieser Adler ist nicht nur ein schönes Wahrzeichen, sondern

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