Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 2.1920/21
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0457
DOI issue:
2. Juliheft
DOI article:Zimmermann, Ernst: Egermann oder Tschirnhausen?
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0457
können. So bezeugen beide Dokumente nur, daß damals
betreffs Tschirnighausens und solcher Erzeugnisse eine
gewisse Tradition bestand, die aber vielleicht nur Familien-
tradition der Familie von Po-
sern gewesen ist, durch die
jene erst hervorgerufen worden
ist.
Nun ist aber vor kurzem in
Dresden die Sammlung eines
Herrn Liske in Zittau versteigert
worden und hierbei das Muster-
buch des obengenannten Friedr.
Egermann in den Besitz der
Dresdner Kunsthändler - Firma
Bruno Salomon gelangt. Es ist
dies ein dickes, in Leder ge-
bundenes Buch in Hochoktav-
format, das, auf 11 starken Papp-
blättern aufgeklebt, 265 (jetzt nur
noch 264) Proben von aus den
verschiedensten farbigen Flüssen
zusammengesetzten, meist grätig
oder pyramidal zugeschliffenen, in
der Hauptsache rechteckigen Glas-
stücken enthält und die Aufschrift
trägt „265 Proben des von Frie-
drich Egermann in Hayda er-
fundenen Edelsteinglases aus vege-
tabilischen Stoffen“, sowie auch
zwei Altersbildnisse des Meisters
enthält (Abb. 1) und die Beischrift, von anderer Hand,
daß nach dieser „Musterauswahl zu damaliger Zeit“
Bestellungen aufgenommen werden sollten. Es enthält
fast alle nur irgend denkbaren Farbenmischungen, die
man z. T. bisher bald ihm, bald Tschirnhausen zu-
geschrieben hat, darunter aber — und das ist das Wich-
tigste — auch jene dunkel
siegellackroten, die man noch
immer für letzteren hat retten
wollen. Darum, (da ja die Her-
stellung solcher durch diesen,
wie gezeigt, zu seinen Lebzeiten
durch nichts bezeugt ist) wohl
eben heute auch diese sämtlich
Egermann und seinen Nach-
ahmern zuzuschreiben sind, auch
wenn sie, wie etwa die hier
wiedergegebene (Abb. 3) in der
Dresdner Sammlung befindliche
Teekanne, Formen zeigen, die
schon weit früher, in diesem
Falle durch den Einfluß des
chinesischen Porzellans, zur An-
wendung gelangt sind, da alle der-
artigen, mir bekannt gewordenen,
schon früher aufkommenden
Formen entweder, wie bei dem
eben genannten Beispiel, bleiben-
des Gemeingut der Keramik ge-
worden sind oder sich aus gleicher
Technik erklären. Das mag für
manchen Tschirnhausensammler
nicht gerade angenehm sein; in
künstlerischer oder technischer Beziehung geht aber dadurch
solchen Stücken nichts verloren und ein vernünftiger Samm-
ler wird ja doch niemals allein nach Namen sammeln.
Abb. 3
Teekanne aus marmoriertem rotem Glase
Erzeugnis von Friedrich Egermann in Hayda
Abb. 2
Teetasse
aus marmoriertem rotem Glas
Erzeugnis von Friedrich Egermann
449
betreffs Tschirnighausens und solcher Erzeugnisse eine
gewisse Tradition bestand, die aber vielleicht nur Familien-
tradition der Familie von Po-
sern gewesen ist, durch die
jene erst hervorgerufen worden
ist.
Nun ist aber vor kurzem in
Dresden die Sammlung eines
Herrn Liske in Zittau versteigert
worden und hierbei das Muster-
buch des obengenannten Friedr.
Egermann in den Besitz der
Dresdner Kunsthändler - Firma
Bruno Salomon gelangt. Es ist
dies ein dickes, in Leder ge-
bundenes Buch in Hochoktav-
format, das, auf 11 starken Papp-
blättern aufgeklebt, 265 (jetzt nur
noch 264) Proben von aus den
verschiedensten farbigen Flüssen
zusammengesetzten, meist grätig
oder pyramidal zugeschliffenen, in
der Hauptsache rechteckigen Glas-
stücken enthält und die Aufschrift
trägt „265 Proben des von Frie-
drich Egermann in Hayda er-
fundenen Edelsteinglases aus vege-
tabilischen Stoffen“, sowie auch
zwei Altersbildnisse des Meisters
enthält (Abb. 1) und die Beischrift, von anderer Hand,
daß nach dieser „Musterauswahl zu damaliger Zeit“
Bestellungen aufgenommen werden sollten. Es enthält
fast alle nur irgend denkbaren Farbenmischungen, die
man z. T. bisher bald ihm, bald Tschirnhausen zu-
geschrieben hat, darunter aber — und das ist das Wich-
tigste — auch jene dunkel
siegellackroten, die man noch
immer für letzteren hat retten
wollen. Darum, (da ja die Her-
stellung solcher durch diesen,
wie gezeigt, zu seinen Lebzeiten
durch nichts bezeugt ist) wohl
eben heute auch diese sämtlich
Egermann und seinen Nach-
ahmern zuzuschreiben sind, auch
wenn sie, wie etwa die hier
wiedergegebene (Abb. 3) in der
Dresdner Sammlung befindliche
Teekanne, Formen zeigen, die
schon weit früher, in diesem
Falle durch den Einfluß des
chinesischen Porzellans, zur An-
wendung gelangt sind, da alle der-
artigen, mir bekannt gewordenen,
schon früher aufkommenden
Formen entweder, wie bei dem
eben genannten Beispiel, bleiben-
des Gemeingut der Keramik ge-
worden sind oder sich aus gleicher
Technik erklären. Das mag für
manchen Tschirnhausensammler
nicht gerade angenehm sein; in
künstlerischer oder technischer Beziehung geht aber dadurch
solchen Stücken nichts verloren und ein vernünftiger Samm-
ler wird ja doch niemals allein nach Namen sammeln.
Abb. 3
Teekanne aus marmoriertem rotem Glase
Erzeugnis von Friedrich Egermann in Hayda
Abb. 2
Teetasse
aus marmoriertem rotem Glas
Erzeugnis von Friedrich Egermann
449