Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 2.1920/21
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0492
DOI Heft:
1. Augustheft
DOI Artikel:Kunststiftung für die Stadt Paris / Kunstausstellungen / Aus der Künstlerwelt / Vom holländischen Kunstmarkt / Londoner Kunstschau / Plastik-Ankäufe in Sachsen / Bibliographische und bibliophile Notizen m/ Neue Kunstbücher / Neue Kataloge / Kleine Kunstchronik
DOI Heft:2. Augustheft
DOI Artikel:Frankfurter Kunstmesse Herbst 1921 / Der Kunstsammler in der Karikatur / Kunstbrief aus Frankfurt a. M. / Ein Besuch im Moritzburger Schloß / Deutsche Gewerbeschau München 1922 / Londoner Kunstschau / Neuerwerbungen des Louvre / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstauktionen / Aus der Künstlerwelt / Ausgleich im Oldenburger Bilderkampf / Neue Kunstbücher
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Bibliogüapbticbe und bibliophile
Hotfeen.
Den endlosen Zug der deutschen Luxuseditionen mit Auf-
merksamkeit zu betrachten, muß auch der empfänglichste und
emsigste Buchfreund sich versagen, wenn er nicht aus einer Ver-
wirrung in die andere fallen will. Bereits das Durchlesen und
Vergleichen ihrer Voranzeigen ist eine Kraftleistung, deren sich
kein vom Kinematographen-Theater geschulter „Zeitgenosse“
zu schämen hätte. Trotzdem aber braucht der Büchersammler,
der gute und schöne Bücher sucht, dieser Überfülle gegenüber
nicht zu verzweifeln. Denn wenn das Angebot auch groß ist, die
Auslese, die er treffen kann, beschränkt es erheblich. Immerhin
ist eine Aufzählung der begehrenswerten deutschen Liebhaber-
ausgaben, die neuerdings veröffentlicht wurden, ein Kapitel für
sich, wofern die ausführlichere Begründung sie rechtfertigen soll.
Da sei wenigstens die Ausgabe eines Weltbuches genannt, die
zu einer weiteren Bereicherung seiner vielen schon vorhandenen
Buchbildauslegungen wurden. Merkwürdigerweise fehlt uns noch
immer die Hamlet-Ikonographie, die die Illustrationen des be-
rühmtesten Dramas Shakespeare’s verzeichnet. Für einen Sammler
müßte es ein bibliographisches Thema von hohem Reiz sein,
indem er die alten und neuen Bände der Hamletausgaben mit
Bildschmuck vereinigt, ihr vorzuarbeiten. Er käme auch sonst
auf seine wahrscheinlich dabei nicht geringen Kosten, denn
Hamletillustrationen interpretieren Buchkunstgeschmack und
Bühnengeschichte, sie zeigen das Verhältnis, das wechselnde
Weltanschauung verschiedener Völker und Zeiten zu dem hohen
Werke sich ausmaß. Das dünne Heft des ersten Hamletquarto,
das der Sammler ohnehin nicht erreichen würde, müßte freilich
in der erst im achtzehnten Jahrhundert beginnenden Bilderreihe
fehlen. Seitdem aber haben sich die Hamletbilder ebenso wie
die Hamletauffassungen vermehrt und der Dänenprinz Shake-
speare ist fast zu einem historischen Charakter mit historischer
Tradition geworden.
Es spricht für die Begabung Sepp Franks, daß seine
35 Radierungen für William Shakespeare, Hamlet
(Zweiter Band der „Meisterwerke der Weltliteratur“
mit Oiiginalgraphik, herausgegeben von D r. J. Schröder.
Verlag von Paul Graupe. Berlin: 1920.) die Anlehnung
nicht biauchten, daß er sich, wie schon in dem ersten Band der
erwähnten Reihe, den Balladen Goethes, selbständig mit dem
Stoff, ohne seiner Last zu unterliegen, auseinandersetzen konnte.
Daß Sepp Frank auch Widerspruch erfahren mußte, ist vielleicht
eine Folge seiner nicht geringen technischen Virtuosität, derent-
wegen ihm manche mißtrauen möchten. Aber ausgezeichnete
Beherrschung des Handwerklichen ist schließlich kein Vorwurf,
sondern ein Vorzug. Und weil der Begriff der Illustration jetzt
sehr weitherzig ausgelegt und ohne weiteres mit dem der
Originalgraphik verwechselt zu werden pflegt, sollte man es
besonders schätzen, Künstlern zu begegnen, die ein besonderes
Talent auch für die innere Form der Illustration haben, für den
Assimilationsprozeß zwischen Buchinhalt und Buchbildinhalt.
Sepp Frank zeichnet keine nach Verszeilen abgegrenzte Handlungs-
höhepunkte, er wiederholt nicht in einem Bildchen, was die
Worte des Dichters schon besser sagten. Aber er hat die Gabe
der Versinnlichung seelischer Vorgänge. Er kann etwas an-
schaulich machen, ohne dazu selbst hervortreten zu müssen. Das
erwärmt nicht leicht und bequeme Betrachtebilder bietet er nicht.
Das beliebte Mittel, den berühmten Hamletmonolog zu benutzen,
um die Haltung des Helden im Gedankensturm aufzuzeichnen,
verschmäht er ganz und gar. Ein Menschlein, das mit seinen
Seelenqualen in einer gewaltigen Halle her und hin wandert, ist
sein Hamlet im Selbstgespräch und kein elastischer Komödiant
mit berechneten Atempausen. Überhaupt ist die architektonische
Charakterisierung, die Vertiefung in die Raumwirkung, die diese
Bilder haben, vortrefflich. Wie sie denn auch, in den bewegten
Gruppen, die dramatische Handlung fühlen lassen, ohne Aus-
schnitte ihrer Bühnendarstellung zu wiederholen. Alles ist nicht
gleich stark und es wäre vielleicht zu wünschen gewesen, daß
STUDIO
FÜR ARCHITEKTUR
UND INNENDEKORATION
MÜNCHEN
KAROLINENPLATZ 5
TELEPHON 23241
Ausgewählte Möbel und
Dekorations-Gegenstände
des besten Geschmackes
vornehmlich aus dem
achtzehnten Jahrhundert
Ständig wechselnd
ANKAUF
VERKAUF
English ä translalions. rr
Apply S. B., care of „Der Kunstwanderer“.
FREDERICK ROZENDAAL
Abschätzungen
BERLIN W 66, Wilhelmstraße 48
===== Fernsprecher: Zentrum 112 49 -
484
Hotfeen.
Den endlosen Zug der deutschen Luxuseditionen mit Auf-
merksamkeit zu betrachten, muß auch der empfänglichste und
emsigste Buchfreund sich versagen, wenn er nicht aus einer Ver-
wirrung in die andere fallen will. Bereits das Durchlesen und
Vergleichen ihrer Voranzeigen ist eine Kraftleistung, deren sich
kein vom Kinematographen-Theater geschulter „Zeitgenosse“
zu schämen hätte. Trotzdem aber braucht der Büchersammler,
der gute und schöne Bücher sucht, dieser Überfülle gegenüber
nicht zu verzweifeln. Denn wenn das Angebot auch groß ist, die
Auslese, die er treffen kann, beschränkt es erheblich. Immerhin
ist eine Aufzählung der begehrenswerten deutschen Liebhaber-
ausgaben, die neuerdings veröffentlicht wurden, ein Kapitel für
sich, wofern die ausführlichere Begründung sie rechtfertigen soll.
Da sei wenigstens die Ausgabe eines Weltbuches genannt, die
zu einer weiteren Bereicherung seiner vielen schon vorhandenen
Buchbildauslegungen wurden. Merkwürdigerweise fehlt uns noch
immer die Hamlet-Ikonographie, die die Illustrationen des be-
rühmtesten Dramas Shakespeare’s verzeichnet. Für einen Sammler
müßte es ein bibliographisches Thema von hohem Reiz sein,
indem er die alten und neuen Bände der Hamletausgaben mit
Bildschmuck vereinigt, ihr vorzuarbeiten. Er käme auch sonst
auf seine wahrscheinlich dabei nicht geringen Kosten, denn
Hamletillustrationen interpretieren Buchkunstgeschmack und
Bühnengeschichte, sie zeigen das Verhältnis, das wechselnde
Weltanschauung verschiedener Völker und Zeiten zu dem hohen
Werke sich ausmaß. Das dünne Heft des ersten Hamletquarto,
das der Sammler ohnehin nicht erreichen würde, müßte freilich
in der erst im achtzehnten Jahrhundert beginnenden Bilderreihe
fehlen. Seitdem aber haben sich die Hamletbilder ebenso wie
die Hamletauffassungen vermehrt und der Dänenprinz Shake-
speare ist fast zu einem historischen Charakter mit historischer
Tradition geworden.
Es spricht für die Begabung Sepp Franks, daß seine
35 Radierungen für William Shakespeare, Hamlet
(Zweiter Band der „Meisterwerke der Weltliteratur“
mit Oiiginalgraphik, herausgegeben von D r. J. Schröder.
Verlag von Paul Graupe. Berlin: 1920.) die Anlehnung
nicht biauchten, daß er sich, wie schon in dem ersten Band der
erwähnten Reihe, den Balladen Goethes, selbständig mit dem
Stoff, ohne seiner Last zu unterliegen, auseinandersetzen konnte.
Daß Sepp Frank auch Widerspruch erfahren mußte, ist vielleicht
eine Folge seiner nicht geringen technischen Virtuosität, derent-
wegen ihm manche mißtrauen möchten. Aber ausgezeichnete
Beherrschung des Handwerklichen ist schließlich kein Vorwurf,
sondern ein Vorzug. Und weil der Begriff der Illustration jetzt
sehr weitherzig ausgelegt und ohne weiteres mit dem der
Originalgraphik verwechselt zu werden pflegt, sollte man es
besonders schätzen, Künstlern zu begegnen, die ein besonderes
Talent auch für die innere Form der Illustration haben, für den
Assimilationsprozeß zwischen Buchinhalt und Buchbildinhalt.
Sepp Frank zeichnet keine nach Verszeilen abgegrenzte Handlungs-
höhepunkte, er wiederholt nicht in einem Bildchen, was die
Worte des Dichters schon besser sagten. Aber er hat die Gabe
der Versinnlichung seelischer Vorgänge. Er kann etwas an-
schaulich machen, ohne dazu selbst hervortreten zu müssen. Das
erwärmt nicht leicht und bequeme Betrachtebilder bietet er nicht.
Das beliebte Mittel, den berühmten Hamletmonolog zu benutzen,
um die Haltung des Helden im Gedankensturm aufzuzeichnen,
verschmäht er ganz und gar. Ein Menschlein, das mit seinen
Seelenqualen in einer gewaltigen Halle her und hin wandert, ist
sein Hamlet im Selbstgespräch und kein elastischer Komödiant
mit berechneten Atempausen. Überhaupt ist die architektonische
Charakterisierung, die Vertiefung in die Raumwirkung, die diese
Bilder haben, vortrefflich. Wie sie denn auch, in den bewegten
Gruppen, die dramatische Handlung fühlen lassen, ohne Aus-
schnitte ihrer Bühnendarstellung zu wiederholen. Alles ist nicht
gleich stark und es wäre vielleicht zu wünschen gewesen, daß
STUDIO
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MÜNCHEN
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Ausgewählte Möbel und
Dekorations-Gegenstände
des besten Geschmackes
vornehmlich aus dem
achtzehnten Jahrhundert
Ständig wechselnd
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