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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Augustheft
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Cartellieri, Otto: Das kurpfälzische Museum in Heidelberg
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Frankfurter Kunstmesse Herbst 1921 / Der Kunstsammler in der Karikatur / Kunstbrief aus Frankfurt a. M. / Ein Besuch im Moritzburger Schloß / Deutsche Gewerbeschau München 1922 / Londoner Kunstschau / Neuerwerbungen des Louvre / Aus der Museums- und Sammlerwelt / Kunstauktionen / Aus der Künstlerwelt / Ausgleich im Oldenburger Bilderkampf / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0498

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bei Georg Phil. Schmitt, bei Verhas — mitten in blühend-
ster Romantik! Die Heidelberger Landschaft mit der
weiten Rheinebene, begrenzt von der duftigen Linie der
Pfälzer Berge, steht wieder in der lange verlorenen, weit-
räumigen Art vor uns, in der zwei Jahrhunderte vorher
Jacques Fouquieres sie auffaßte.

Das Bild „Blick vom Abhang des Heiligenbergs auf
Stadt und Schloß“ entpuppt sich als Werk des Johann
Jakob Müller aus Riga; bis-
her galt der sogenannte
Maler-Müller als Autor.

Ganz anders und recht
liebenswert verkörpert ein
anderer Maler den Zug
seiner Zeit: das ist Issel,
der mit tiefer Ehrfurcht hin-
einlauscht in die Natur, „an
der keine Menschenhände
sichtbar sind, wo Gottes
Hand alles gemacht haben
soll“ — um mit Bettina
Brentano zu sprechen. So
innig gemalte Waldwege
und Weiher, Dörfer und
Städtchen sind über Raum
und Zeit und Stil erhaben.

Sie gemahnen nur an die
reife Kunst der Niederländer, die er sich voller Be-
wunderung zum Vorbild gewählt hatte.

Mit Staunen bemerken wir, wie die neuartige, kühne
Wandbemalung die Bilder in ihrer Wirkung unterstützt,
die Stimmung, die sie ausstrahlen, vorbereiten hilft. So
paßt das Violett des
kleinen Kabinettes beson-
ders gut zu der eigen-
willig träumerischen Art
des Eigenbrödlers Issel;
so rauscht der Farbenakkord
der Romantiker voller auf
dem satten Grün. Gar
manche Museen mit ihren
hellen, kühlen, monotonen
Wänden könnten sich ein
Beispiel an dem gelunge-
nen Wagnis nehmen!

Auch die zweite Hälfte
des 19. Jahrhunderts läßt
uns ihre Meister sehen,

Amselm Feuerbach, den
ewig kämpfenden und
suchenden, Spitzweg, der
so sicher seine eigenen stillen Pfade ging, nicht zuletzt
Rahl mit seinen farbeglühenden Schöpfungen.

Liebhaber der Volkskunde finden Zunfttruhen und
-kannen, Zizenhäuser Tonfigiirchen, allerlei Bauernhaus-
rat aus Zinn nnd Fayence und schließlich wunderschöne
alte schmiedeeiserne Grabkreuze.

Eine große Überraschung schenkt uns die Sonder-
ausstellung des Georg August (nicht John William) Wallis:

wir lernen in ihm den Entdecker des romantischen Hei-
delberg kennen, wir begrüßen in ihm den Wegweiser,
den Lehrer eines Rottmann!

„Der Maler aus Schottland“, wie Wallis sich selbst
nannte, wurde etwa 1867 geboren. Weite Reisen führten
den noch Jugendlichen nach Neapel, Sizilien, nach Rom,
wo er länger weilte und gar mannigfaltige Einflüsse auf
sich wirken ließ. Die Farbenpracht der Venezianer

berauschte; Allston, der
„amerikanische Tizian“,
sagte ihm viel. Atmos-
phärische Probleme fessel-
ten ihn. Von Anfang an
Landschafter, nahm er sich
Poussin und Claude Lorrain
zum Vorbild und ver-
suchte — nicht mit großem
Erfolg — es einem Sal-
vator Rosa gleichzutun.
Mit zahlreichen Künstlern
trat der Bewegliche, dessen
Porträt der Sohn Trajan
uns überliefert hat, in
angeregten Verkehr, mit
Kniep und Hackert, mit
Carstens und Wächter, mit
Koch und Thorwaldsen,
mit Schick. Carstens’ heroischer Klassizismus tat es
ihm an, wie die Gestalten seiner Landschaft uns
deutlich verraten. Der Kunsthandel führte ihn nach
London, dann nach Spanien, wo er von Neuem Vieles
lernte. Im Jahre 1812 kam er zufällig nach Heidelberg

und geriet wie so

viele vor und nach ihm —
in den Bann der zauberhaft
schönen Landschaft. Er
ließ sich, den Gebildeten
auch in Deutschland wohl-
bekannt, für einige Jahre
am Neckar nieder (etwa
1812-17). „Ein Blick in
das romantische Thal hieß
ihn weilen in dieser noch
von keinem Mahler mit
solchem Sinne aufgefaßten
Gegend“, schrieb Aloys
Schreiber im Cotta’schen
Morgenblatt. Bemerkens-
werte Bilder des Schlosses
entstanden, an die Karl
Rottmann in seinen viel
bewunderten Gemälden sich eng anlehnte. Später kehrte
Wallis nach Italien zurück. Er starb 1846-47 in Florenz.
Von dem Grafen Klaus von Baudissin ist demnächst
eine eingehende Arbeit über den Künstler zu erwarten.

So bietet das geschmackvoll geordnete „Kurpfälzische
Museum“ wahrlich einen Reichtum an Sehenswertem und
Anregendem, der sicherlich jedes Sonderinteresse be-
friedigen wird.

Seidentapetenzimmer

im Kurpfälzischen Museum zu Heidelberg

Biedermeierzimmer

im Kurpfälzischen Museum zu Heidelberg

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