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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 1-13 (2. Januar - 30. Januar)
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2S

ihren allen wohlbegründeten Ruf und werden wegen ihrer außer
ordentlichen Feinheit und Zartheit den Weinen anderer guter
Weingegenden vorgezogen. Die Wirthe der weiten Umgegend bis
an den Neckar füllen jetzt vielfach ihre Keller mit dem Tauber»
gründer Gewächs, denn sie finden, daß dieses nicht blos volle
Köpfe, sondern waS sie noch lieber haben, volle Gastzimmer be-
wirkt, wie wir verschiedene Wirthe selbst bestätigen hörten. Eine
stehende und allgemeine Klage ist nur der hohe Weinaccis, der
dem Neuen sehr ungünstige Heirathen bereitet. Auch ist er ein
mächtiges Hinderniß gegen größern Aufschwung des Weinhandels.
Wenig Geld, wenig Vertrauen, wenig Verkehr im Geschäft —
dagegen viel Steuer und Accis; wenn nur Excellenz Jolly auch
dagegen eine „männliche That" hätte, er könnte dadurch die Sym-
pathie — wenn auch nicht der Offenburgerei, —so ooch des ganzen
badischen Volkes vom Main bis zum Bodensee gewinnen, zudem wäre
das doch männlicher, als das Verfahren gegen schwache, schüchterne
Jungfrauen.
2) Huttenheim, 15. Jan. Auch die Landeszeitung brachte
die Mutheilung, daß in der Neujahrsnacht hier mit einer Kugel
in's Pfarrhaus geschossen wurde, was leider nur allzu wahr ist.
Dagegen erdreistet sich der Correspondent der alten Base, folgende
infame Lüge an diese MMheilung anzureihen:
„Am Neujahrstag hieß es auf der Kanzel: das haben Fort-
schrittler gethan; derlei Vorkommnisse bringe der Geist der
Neuzeit; die Bildung sei es, welche Mordbrenner, Gottes-
schänder rc. hervorbringe."
Gegen diese elende Lüge hat nun der hiesige Pfarrverweser
eine Berichtigung der Landesbase zugehen lassen, welche aber letztere
--- als bekannte Freundin der Wahrheit — nicht ausgenommen
hat, obgleich oder weil sie von dem Gemeinderath und der
Stiftungscommission durch Namensunterschrift als vollkommen
richtig bescheinigt wurde. Aus derselben geht hervor, daß der
Pfarrverweser am Neujahrstage die Kanzel gar
nicht betreten hat, weil er amAbend zuvor predigte.
Mit dieser Thatsache ist die Lügenhaftigkeit des Landeszeitungs
productes schon an sich bewiesen, aber außerdem bezeugen die Mit-
glieder des Gemeinderaths mit ihrem Bürgermeister an der Sp tze
sowie die Stifmngscommissionsmitglie?er ausdrücklich, daß der-
artige abgeschmackte Redensarten, wie sie dem Herrn Pfarrverweser
in den Mund gelegt werden, durchaus niemals in seinen Predig-
ten zu hören sind. Aus alle dem geht hervor, daß die Landes
base einmal wieder gelogen hat, was bei ihr bekanntlich nichts
Seltenes ist, und daß sie daher abermals auf's Maul geschlagen
wird, ganz ebenso wie mit ihrer Karlsruher Lüge, ein katholischer
Geistlicher habe gesagt: „der Luther ist ein Schweinehund." Nur
so fort gelogen, Alte!
Stuttgart, 14. Jau. Militärische Ritter - und Säbelgeschichten
sind selten m unserem Land, in welchem friedlich, wie wohl nirgends
sonst, Civil- und Militär in den Garnifonsstädten sich vertragen.
Kommt einmal eine Rrttergeschichte vor, so verfällt sie der Oeffent-
lrchkeit. Das wetß Jeder in einem preßfreien Land. Hier ist eine
schmucklos zusammengeftellte, aus mündlichen und schriftlichen Be-
richten, welche den Stempel der Wahrheit an sich tragen.
Am Erscheinungsfest, Abends 8 Uhr, umstand eine dichte
Menge, des Zuges Ankunft erwartend, den Ludwigsburger Bahn-
hof. Da sprengt der Lieutenant Lauer von der Artillerie auf das
Publikum ein, mit dem Rufe: „Weg Schweinehunde, ein Sporen-
streich und ich reite die ganze Bagage nieder!" So oder ungefähr
so! Daß der Lieutenant animirt getrunken hatte, war aus dieser
Volksrede zu Pferde sofort allem Volke klar. Damit ritt derselbe
wirklich hinein in die Halle und zwischen den Pfeilern wieder hi-
naus. Ein gutgeachleier Mann aus der Umgegend verwies ihm
seimn Muthwillen. Den schlug er mit der Reitpeitsche, sprach da-
zu von „Sauhunde" und galoppirte weg. Allein gleich darauf
sprengte er noch einmal heran. Derselbe Herr ruft ihm zu: „Wenn
er ein Mann von Ehr?, solle er seinen Namen angeben, damit
man ihn verklagen könne." Der Lieutenant antwortet wiederum
mit der Reitpeitsche und mit Schimpfwörtern Seinen Namen nennt
er nicht. Der umstehende Publikus war inzwischen warm gewor-
den, riß den Ritter vom Roß und war im Bcgriff persönlich zu
werden. Im Nu warf sich jedoch die aus 6—8 Artilleristen bestehende
Bahnhofswache gezogenen Säbels dazwischen. Darob wilder Lärm
mit gefährlichem Ausgang, wenn nicht der Obermann gefaßt ge
nug gewesen wäre und die Säbel hätte versorgen lassen. Dem
Ritter halfen die Soldaten wieder auf's Roß und baarhaupt ritt
er von dannen, einer Pickelhaupt würdig. Eben brauste auch der
Zug herbei und machte glücklich der Scene ein Ende. Der zweite
Act spielt vor Gericht, und wo der dritte und letzte spielen wird,
ist noch verborgen. (Stuttg. Beob.)
* München, 15. Jan. Der Münchener Volksbote spricht
sich in schärfster Weise über die Niederlage des Grafen Luxburg
aus, welche zugleich als eine schwere Niederlage des Ministeriums
selbst zu betrachten ist, insbesondere des Herrn v. Hörmann, der
den „auf den Händen und im Herzen" des Volks getragenen Frhrn v.
Zu-Rhein (Vater) der von ihm verwalteten Provinz entrissen Hai,
um ihr in den Grafen Luxburg, einem von den Großdcutschm ge-

wählten und in's BiSmarck'sche Lager fahnenflüchtig gewordenen
Parlamentsabgeordneten, einen neuen Präsidenten zu geben. „Lux-
burg hatte Alles für sich", sagt der Volksbote, „denn er ist im
Besitze der höchsten Macht und Autorität in seinem Kreise. Alles
was Beamter, Fortschreiter und Bettelpreuße heißt, „wirkte" für
ihn; Furcht und Einschüchterung wirkten mit. Daß man die
Wähler möglichst in's Bockshorn zu jagen, ihnen Hoffnungen und
Versprechungen zu machen suchte, daß man alles Mögliche ange-
wendet, selbst die niederträchtigsten Lügen und Verläumdungen
gegen den Herrn v. Zu Rhein, das wird von allen Seiten bestä-
tigt. Die Geistlichkeit, welche im Februar entschieden für Lux-
burg stimmte, blieb diesmal der Wahlbewegung großentheils fern.
Das Volk hatte einerseits gegen die Schmeicheleien, Anpreisungen,
Lügen und Verläumdungen der „Luxburger" sich zu wehren,
andrerseits entbehrte es vielfach der Führer, die sein Vertrauen
besaßen; aber mit richtigem Instinkt fühlte es das Nichtige
heraus. Das Volk hat ein gutes Gedächtniß. Es vergißt zu-
weilen im Drang der Dinge seiner Freunde, aber es vergißt
diejenigen nicht, die seinen Zorn erregt haben. Es erinnert sich
seiner Wohlthäter, besonders wenn es ihrer wieder bedarf, aber
niemals verliert es diejenigen aus dem Gedächtnisse, die cs ge-
kränkt, beleidigt, betrogen haben. Die Bettelpreußen haben eS
fitzt neuerdings erfahren, daß das Volk von ihnen sich nicht mehr
täuschen läßt."
Und aus Würzburg wird dem Volksboten über dieselbe
Angelegenheit geschrieben:
„Lieber Volksbot'! Die Nachricht, daß der Sohn unseres
unvergeßlichen Regierungspräsidenten Frhrn. v. Zu-Rhein im Zoll-
parlaments-Wahlkampfe über den Grafen Luxburg glänzend ge-
fügt hat, hat in unserer Stadt hauptsächlich aus dem Grunde
freudig gewirkt, weil man in diesem Wahlsiege gewissermaßen für
den alten Vater Zu-Rhein wegen der in der letzten Zeit vielfach
erlittenen Kränkungen und Zurücksetzungen eine Genugthuung er-
blickt. Wir denken dabei sehr lebhaft an Hrn. v. Hörmann und
daran, wie er gegen seinen ehemaligen Chef gehandelt hat. Dem
alten Vater Zu-Rhein hat Hörmann seine ganze Carriere zu ver-
danken ; durch Zu-Rbein wurde er vom Landrichter (zu Brückenau)
als Rath in das Negierungscollegium nach Würzburg berufen;
durch ZwRhein's dringendste Empfehlung sodann zum Regierungs-
direktor bei der nämlichen Kreisregierung befördert; durch Zu-
Nheins warme Verwendung erhielt Hörmann seine beiden Orden
vom hl. Michael und der bayer. Krone; auf Zu-Rheins Vorschlag
das reiche Dräten und preußische Orden eintragende Commissorium
zum Vollzüge des Friedensvettrages mit Preußen, wodurch ihm
die Bahn ins Ministerium geebnet wurde — und zum Dank für
alle diese wahrhaft väterlichen Bemühungen feines ihm so freund-
schaftlich gewogenen Vorgesetzten ist cs eine seiner ersten Hand-
lungen als Minister, seinen alten Beschützer auf die... (bekannte)
Weise ohne irgend welche Anerkennung, welche doch jeder Amts-
bote nach so langer Dienstzeit zu erhallen pflegt, von seiner lang-
jährigen mit Auszeichnung bekleideten Präsidentenstelle zu entfer-
nen ! Die Annalen des bayerischen Beamtenthums werden wohl
kaum einen ähnlichen Fall . . . aufzuweisen haben. Und deßhalb
freut man sich hier über die Wahl des jungen Zu Rhein und be-
trachtet sie als lindernden Balsam, den die öffentliche Dank-
barkeit in die . . . geschlagene Wunde des greisen Vaters, un-
sers Vaters flößt.
Norddeutscher Bund.
Hannover, 13. Jan. Gutem Vernehmen nach hat die Kro-
nanwallschaft gegen die in der Prozeßsache wider Profissor Ewald
in Göttingen erfolgte Freisprechung Berufung eingelegt.
Chemnitz, 12. Jan. Die gestern Abend im Saal der „Stadt
London" veranstaltete Volksversammmlung wurde poliieüich
aufgelöst.
O e st e r r e i ch.
Wien, 15. Jan. Den neuesten Pariser Nachrichten des „Tel.
Corr.-Bür." zufolge dürfte sich die Conferenz durch den von dem
Vertreter Griechenlands hervorgerufenen Zwischenfall in ihren Ar-
beiten nicht aufhaltcn lassen. Es sei gegründete Hoffnung vorhan-
den, daß die Verhandlungen zu einem befcredigendeu Resultat führen.
Wien, 15. Jan. Die heutige „Presse" erfährt, daß der Ver-
treter Griegenlands, Rangabe, mcht ermächtigt war, der gestrigen
Conferenzsitzung beizuwohnen und Aufklärungen zu ertheilen. In
griechischen Kreisen herrscht die Ueberzeugung, daß die griechische
Regierung fest entschlossen sei, diese Sachlage nicht abzuänoeru.
Wien, 15. Jan. Beunruhigen Sie sich mcht über den grie-
chischen Zwischenfall auf der Conferenz: er dürfte eine reine Co-
möoie fern, erne Comödie, welche von jämmtlichen Acteurs gut ge-
spielt wird, aber darum nicht weniger eine Comödie. Griechenland
kann, nachdem es sich einmal so weit vorgewagt, nicht einfach zu-
rückgehen; cs kann sich nur und von keinem Geringeren als von
ganz Europa zurückdlängen lassen. Das ist der Schlüssel zu den
Ereignissen in Paris. Jeder hat seine Rolle, und wenn der Vor-
hang fällt, so wird Athen mit stolzer Resignation erklären, daß
Griechenland nur „der Gewalt gewichen" ist. (Karlsr. Zlg.)
Wü?n, 16. Jan. Die „Wiener Abendpost" verzichtet um des
 
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