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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 38-50 (1. April - 29. April)
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strafen sie mit Dummheit." Zwei rsicht zp unterschätzende Klaffen
der Bevölkerung, die Pfarrverweser und Gaplüne und damit die
„Schwarzen" überhaupt, und die Bauern zugleich sich zum
Feinde machen. Kann es einen größeren Unverstand geben?!
Wäre ich Jolly, Excellenz, so ließe ich meinen Freund Emmerling
nach den strengsten Grundsätzen mecklenburgisch-parlamentarischer
Taktik auszeichnen.
* Heidelberg, 18. April. In Sachen der Schulreform er-
fahren wir aus Rittersbach, daß dort die protestantische Schule,
welche aus Mangel der nöthigen Kinderzahl gesetzlich ein-
gehen sollte, durch die Liberalität der dortigen Katholiken und
mit Subvention aus Gemeindemitteln fortbestehen bleibt. So sehr
uns dieser Vorgang an sich freut, indem wir immer unk über-
all für die Confessionsschule eintreten, so benützen wir denselben
gleichwohl, um an Herrn Kreisschulrath Fries die Frage zu richten:
warum haben Sie denn, Werthester! den Leuten in Rittersbach die
Vortheile der Mischschule nicht klar und geläufig gemacht? Wie
rechtfertigen sich in Ihren Augen diese Opfer der Gemeindekaffe
für die Confessionsschule in Rittersbach, wenn doch die Misch-
schule in Eberbach wohlfeiler, besser und leistungsfähiger ist?
Warum suchen Sie das Gute in der Ferne, wo es doch so nahe
gelegt war? Warum, mein Herr, ja?
Aus Baden, 12. April. Die Kraichgauer Zeitung, wie sie
jetzt vornehmer heißt, schreibt: „Es hat gar Manchen nicht wenig
auffallen müssen, wie die Depeschen über die Gotthardsbahn von
Seiten des Nordbunds in Bern lauteten. Die erstere, welche
schon am 31. März in Bern vorgelesen wurde, sagt nämlich aus-
drücklich, daß die preußische Regierung im Verein von Italien
und Baden definitiv sich für die Gotthardslinie ausspreche, und
es vindicirt sich darin Preußen geradezu das Recht, im Namen
Badens zu sprechen. Dies wäre allerdings möglich, wenn Baden
dafür an Preußen einen Auftrag gegeben hätte und auch seiner
Seils ein fester Standpunkt schon gewählt worden wäre. Aber
die badische Regierung hat ja nach der ausdrücklichen Mittheilung
in der Karlsr. Zeitung erst am 1. April die Frage in Erwägung
gezogen und am 4. April eine Entschließung gefaßt und hat diese
am 5. April nach Bern kund gegeben; es ist also weder wahr-
scheinlich noch möglich, daß Preußen schon vor dem 31. März ei-
nen solchen Auftrag erhielt und deshalb betrachtet man die preu-
ßische Aeußerung in der Note vom 31. März als eine Bevormun-
dung unseres Landes, wie man sie noch nicht erwartet gehabt
hätte." (Wahrhaftig es steht nicht schlecht um die großdeutsche
Sache, wenn die Kraichgauer Zeitung Solches schreibt!)
s^j Aus dem Odenwalde, 18. April. Auch in unserer
Gegend, wo in der grauen Vorzeit Tagen unsere heidnischen Alt-
vordern im geheimnißvollen Dunkel ihrer Wälder Vater Wodan
oder Odin göttlich verehrten, und wo vor mehr denn tausend
Jahren die Wiege Eginhards, des Geheimschreibers Karls des
Großen, gestanden, sollte die Secundizfeier Pius IX. nicht spur-
los vorübergehen, ^o prangte schon in der Frühe des Festmorgens
Mudau, oer Hauptort des badischen Odenwaldes an der nord-
östlichen Landesgrenze, in bräutlichem Feierkleide, indem die Häuser
der schönen Hauptstraße des freundlichen Städtchens mit Fahnen
in badischen Farben beflaggt waren, auch von der Höhe des Kirch-
thurms herab weheten Fahnen. Die hiesigen Veteranen aber zogen
zum Hauptgottesdienst in militärischer Weise und mit klingendem
Spiele nach dem festlichgeschmückten Gotteshause. Bei den Haupt-
akten des Hochamts erschollen Böllersalven. Auch in Limbach, ganz
besonders aber in Buchen, wurde der große Ehrentag des Ober-
hauptes der katholischen Christenheit aus's Feierlichste begangen.
6ll. Osterburken, 18. April. Dienstag den 20. April wer-
den Se. Bischöfl. Gnaden, der Herr Dr. Lothar Kübel hier die
hl. Firmung ertheilen, sodann den Jaxtgrund, das Tauberthal
zu gleichem Zweck bereisen, sodann am 13. Mai die neue Kirche
in Seckach consecriren, am 14. Mai daselbst die hl. Firmung spen-
den. Wir können jetzt schon darauf aufmerksam machen, daß die
Katholiken des Baulandes und Hinterlandes in ihren Liebesbe-
weisen gegen ihren Bischof nicht hinter ihren Brüdern in der Pfalz
und dem Bruhrein Zurückbleiben werden. Die Berichte werden es
constariren.
Osterburken, 20. April. Gestern traf hier unser hochw.
Bisthumsverweser Dr. Kübel auf seiner Firmungsreife in die
Hintere Landesgegend ein. Seine Reise wird ohne Zweifel einem
wahren Triumphzug ähnlich sehen, wie sich hier auf der ersten
Firmungsstation bereits gezeigt hat. Alles Volk lief schaarenweise
zusammen, um den geliebten Hirten auf dem Bahnhof zu begrü-
ßen, in dessen Begleitung man auch Herrn Lindau bemerkte.
Die Feuerwehr war mit Musik aufgezogen und ihr Hauptmann
brachte das Hoch auf den Bischof aus. Nach beendetem Gottes
dienste fand eine Serenade vor dem Pfarrhause statt, und der
Herr Bischof hielt dort eine von Begeisterung getragene Anrede
an die zahllose Menge des Volkes.
X Billigheim, A. Mosbach. Die Secundizfeier unseres hl.
Vaters wurde hier am 10. d. M. feierlich eingeläutet,, auf 3 An-
höhen loderten Freudenfcuer auf, Jung und Alt versammelte sich
dabei, dazu ertönten Freudenschüsse, Hochrufe und Gesänge der

Schuljugend. Am 11. feierlicher Gottesdienst und während der-
selben rryederholtech Festgeläute.
In Sulzbach (Filial von BWgheim) war gerade die Feier
der ersten Kindercommunion, darum doppeltes Fest und doppelter
Jubel — der noch vermehrt wurde durch die Kunde, doch ein
braver Katholik aus der Nachbargemeinde A. zu Ehren des
50jährigen Prieste r-jubiläums Pius IX. 1000 fl. zur
Errichtung einer kath. Pfarrei in Sulzbach gestiftet habe. Abends
mächtiges Freudenfeuer, Freudenschüsse und endloser Jubel. Alles
von Herzen, nichts Gemachtes, lieber Bote.
:: Bom Oberrhein, 17. April. Das soeben bei Herder
in Freiburg erschienene fünfte Heft der „Officiellen Actenstücke"
bringt interessante Enthüllungen über die katholischen Zustände
unter dem Ministerium Jolly. Wir ersehen insbesondere daraus,
daß der vor dem Beginn der „staatsmännischen" Wirksamkeit des
ehemaligen Professors Jolly zwischen Kirche und Staat angebahnte
Friede unter dem jetzigen Ministerium zum prinzipiellen Kirchen-
und Schulstreit wurde, den Herr Jolly nichts weniger als lösen
kann. Nachdem die Vereinbarung von 1861 von Herrn Minister
Jolly nicht beachtet und keinerlei Verständigung über die Schul-
frage zu Stande gebracht wurde, hat endlich das Erzb. Capitels-
vicariat Freiheit oder Trennung oer Kirche vom Staat und
Unterrichtsfreiheit verlangt. Herr Jolly dagegen ist ande-
rer Ansicht, so daß man fast annehmen könnte, er betrachte die
Schule als Staats- oder ministerielle Dressur-Anstalt und die
Kirche als seinen Verfügungen unterstehend. Soweit die Polizei-
gewalt ausreicht, führt er leine wohlwollende Gesinnung durch,
wie die Aufhebung des Klosters Adelhausen, des religiösen Ver-
eins auf dem Lindenberg, die Wegnahme der Fonds beweist.
Wie Herr Jolly die Parität versteht, kann man aus der
(S. 202 ll des V. Heftes der „Offic. Actenstücke" abgedruckten)
Entscheidung des Ministeriums über den Protest. Spitalfond in
Bretten ersehen, welcher unter Protest. Verwaltung belassen und
nicht an die politische Gemeinde heraus gegeben wurde, obgleich
diese ihn früher verwaltete. Dagegen wurden unter dem Mini-
sterium Jolly die kathol. Spitalfonds Constanz, Ueberlingen, Radolf-
zell, Waldshut rc. der seitherigen kath. Verwaltung entzogen, und
solche der politischen, confessionell gemischten Gemeinde übertragen.
Indessen haben alle diese „männlichen Thaten" nur dazu ge-
führt, das kath. Volk zu Thaten bei Wahlen rc., überhaupt zur
rechtlichen Vertheidigung feiner religiösen und politischen
Güter zusammenzuschaaren. Die Schul- und Kirchenkrankheit
ist eine geistige. Sie kann nicht durch materielle Mittel geheilt
und dadurch kann die Kirche nicht besiegt werden, welche sich bei
dieser gerechten Vertheidigung wie der Aar verjüngt. Herr Jolly
konnte den Confllct machen, aber lösen kann — er ihn nicht.
Er ist nur durch einen freisinnigen, wirklichen Staatsmann zu
lösen, welcher an die Stelle der büreaukratischen Allgewalt den
auf wahrhaft freiheitlicher Grundlage ruhenden Staat setzt und
gewissenhaft die Unterrichtsfreiheit und die Trennung des Staats
von der Kirche durchführt.
II Freiburg, 14. April. Die Vereinbarung über die Ver-
waltung des Kirchenvermögens in Baden u. Hohenzollern (Preußen)
bestimmt, daß die Frage, ob eine Stiftung eine kirchliche oder
s. g. weltliche sei als eine Frage über das Eigentbum vor die
bürgerlichen Gerichte gehöre. Der Z 13 ü der Verfassungsurkunde
und ß I ü der Prozeßordnung stellen das Eigenthum, also auch
das kirchliche unter den Schutz der Gerichte. Nach bestehender
Praxis der badischen Gerichte haben diese sich für zuständig er-
klärt, bei den von der Kirchenbehörde erhobenen Klagen zu
entscheiden, ob ein Fond als kirchlicher anzuerkennen und der kirch-
lichen Verwaltung zurück zu geben sei. Deßhalb wurde Herr Jolly
öfters veranlaßt, die von der Regierung der kirchlichen Verwaltung
entzogenen Stiftungen wieder zurück zu geben. Gegen die Weg-
nahme dreier theologischen Stipendienstiftungen aus der Aufsicht
des katholischen Oberstiftungsraths hat diese Behörde Klage bei
dem hiesigen Krrisgericht auf Anerkennung der kirchlichen Natur
dieser Fonds erhoben. Der Gerichtshof (Hildebrandt, Haas rc.)
hat sich aber für unzuständig erklärt. Würden die Gerichte in
solchen Eigenthumsfragen nicht entscheiden, so wären „die Ver-
fügungen der Verwaltungsbehörden in bürgerlichen Rechtssireitig-
ketten" giltig (§ 2 Proz. Ordn.) und — Herr Jolly, Excellenz,
könnte weit mehr „männliche Thaten" vollführen.
Freiburg, 16. April, lieber die Beschwerde des Herrn
Bischofs gegen das Verweisungserkenntniß der hiesigen Anklage-
kammer (Hr. Fctzer war Vorsitzender und Herr Eimer Referent)
ist noch kein Uriheil des Oberhofaerichts erfolgt. Nach dem Ver-
weisungsbeschluß und den demselben zu Grunde liegenden Akten
ist die Excommunication des «L-trohmeier nicht zu dem Zweck er-
folgt, um denselben zu künftigen commissiven oder ommissiven
Amtshandlungen m nöthigen. In allen bezüglichen Aktenstücken
ist nur von früheren Vorgängen die Rede, welche Herr Stroh-
meier weder abändern sollte noch — konnte. Er wurde lediglich
deßhalb excommunicirt, weil er von der kirchlichen Autorität sich
losgesagt hat. Diese Handlung des Herrn Bischofs fällt also unter
kein Strafgesetz.
 
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