Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

DOI Kapitel:
Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43880#0392

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
— 384 —

Dem einfacher! Bürgersmann wurde bei dieser Gelegenheit
wieder einmal recht klar^ daß es den Hrn. Liberalen nicht nm
das wahre Wohl des Volkes zu thun ist, sondern ihr Sinnen
und Treiben nur darauf gerichtet ist Unfrieden zu stiften und Hetze-
reien unter der Bevölkerung zu verursachen. Unsere Bauern dage-
gen wollen Ruhe und Frieden in der Gemeinde und unter sich, sie
die das ganze Jahr hindurch mit schwerer Arbeit belastet sind und
nicht faulenzen können wie viele städtische Pflastertreter. Sie wissen
wo sie der Schich, aber nicht der Geldbeutel drückt.

In Baden
geht's hoch her. Der bestregierte Staat muß seinem Mufterstaate
Preußen natürlich auch in den Künsten der Wahlmanöver und in
Preßprocessen nachzukommen suchen. Von ersteren bald im Zusam-
menhang. Für heute genüge auf die Karlsruher Ergebnisse auf-
merksam zu machen. Da hat das Residenz-Philistertum Ordre pa-
rirt und an „unabhängigen" Wahlmännern bald einen Major,
bald einen Ministerialrath, bald einen Hoflieferanten gewählt.
Glücklicher Weise contrastirt damu das Verhalten des grundherr-
lichen Adels, der in Wahrheit unabhängige deutsche Männer ge-
wählt hat, die zweifellos der Verpreußung des Ministeriums scharf
entgegentreten werden. Nebenbei, die Ablehnung des Wahl, wie
sie z. B. Hr. v. Rüdt ausgesprochen haben soll, darf bei Leibe
keine Nachfolge finden. Jene Männer sind es der Sache schuldig,
das Gewißen und den Muth des Landes wieder aufzurichtey und
an einem ersten Beispiele den Beweis zu geben, was ein freies
Manneswort vermag. Das hat man in Baden leider verlernt.
Man hat nicht mehr den Glauben an sich selbst, an die eigene
Kraft. Und doch ist die günstige Erfahrung, die z. B. Graf Ber-
lichingen mit seinem offenen Auftreten gemacht hat, wohl geeignet,
Selbstvertrauen zu geben.
Von Preßproceffen liegt einer vor, der an die besten Leistun-
gen preußischer Staatsanwälte erinnert. Derselbe ist um so pikan-
ter, als er in nahem Zusammenhangs mit den Häkeleien steht,
durch welche vor einiger Zeit die Karlsruher Ztg. und der Würt-
temb. Staatsanzeiger, also zwei Regierungsblätter, die Welt ergötz-
ten. Der Staatsanz. hatte der bad. Presse einen „ungemein gro
bcn Ton" vorgeworfen: die Karlsr. Ztg. replicirte mit Egmont's
Klärchen: „Hast du diese stolze Erfahrung an dir selbst gemacht?"
Darauf meinte der Pfälzer Bote, der Schwabe werde die Antwort
wohl nicht schuldig bleiben; denn in Württemberg stehe Presse und
Regierung anders als in Baden. (Folgen hierauf die angeklagten
Stellen des Pfälzer Boten.) Die Sätze werden nun angeklagt.
Sollte es noch deutsche Juristen alten Schlages geben, was wer
den die sagen zu einem solchen Proceß?! Und wenn wir hinzufü-
gen, daß der Strafantrag auf mehrmonatliches Gefängniß gehen
soll — was erst dann? (Demokr. Corresp.)
Ziidveutschlmrd.
* Heidelberg, 20. August. Die Constanzer Zeitung schwatzt
wieder einmal aus oer Schule und bestätigt Alles das, was wir
schon zum öftern über den faulen Frieden der Offenburger und
Jollyaner gesagt haben. Die Constanzerin scheint einen gewalti-
gen Zweifel in den Ernst der Regierung zu setzen, daß sie beim
nächsten Landtag den Weg der Reformen betreten werde, eine An-
nahme, worin wir ihr ganz beipflichteu. Um dies zu beweisen,
läßt sie folgende Thatsachen sprechen. In Ueberlingen wollten
die Wahlmänner einen Mann aus ihrer Mitte wählen. Dagegen
wird „von Seiten eines Beamten ein Mitglied des Mini-
steriums des Innern vorgeschlagen." Die Wahlmänner
wollen aber nicht daran gehen. „Plötzlich kommt ein Bricflein aus
Karlsruhe geflogen." Und nun nimmt der bisherigeVer trete r,
Minist.-Rath Poppen, seine Ablehnung zurück und
tritt wieder als Candid at auf. (Sind denn die Wahl-
männer von Ueberlingen Nullen ?) Ferner: in Säckingen-Schönau
candidatirt Hr. M. Pflüger von Lörrach, ein reiner Offenburger.
Abermals nicht angenommen. Ihm wird Ministerialrath Sachs
entgegengestellt. In Constanz wollen die Offenburger wieder den
bisherigen Abg. Seiz wählen; aber auch hier befürchtet die edle
Constanzerin, daß sich noch in der letzten Stunde verschiedene
Strömungen im Wahl-Collegium geltend machen.
Diese Erscheinungen am See und Oberrhein werden in den
übrigen Wahlbezirken noch weiter illustrirt; denn die Regierungs-
partei schlägt in Rheinbischofsheim Herrn Jolly vor, in Buchen
Minister von Dusch, in Heidelberg den Dr. Regensburger statt
des Offenburger Dr. Blum, in Mannheim (vielleicht auch in Carls-
ruhe) den Minister Ellstädter u. s. w.
Wenn das nicht gut für-ist.
So weiß ich nicht, was besser ist.
X Bruchsal, 17. Aug. In der Buchdruckerei von L. Rodrian
ist eine Broschüre erschienen des Titels: „Kirche, Staat und das
ökumenische Concil, em Mahnruf an alle Katholiken." — DaS Vor-
wort ist von Karlsruhe datirt. Der Hauptinhalt bewegt sich um
die Bildung einer neuen Kirche Dreimal bekommt der Verfasser

die Gänsehaut wegen der Gefahr des Vaterlands und dreimal steht
ihm der Angstschweiß auf her Stirne wegen der Sorge um die
Religion und das Seelenheil der Katholiken! Etwas Durnmeres
kann man nicht wohl zu lesen bekommen als diesen Hokuspokus
ausstaffirt mit liberalem Phrasenwerk und mit ganz hirnverrückten
Vorschlägen zur neuen Kirchengründung. Leicht möglich, daß der
Verfasser in Karlsruhe keinen Verleger gefunden und in dieser Ver-
legenheit an Rodriap sich wendete, der aus der Noth geholfen hat.
Für diesen Mann wäre es eben doch sehr schmeichelhaft, wenn er
als thätiger Mitbegründer der neuen Kirche in der Weltgeschichte
bis etwa zum jüngsten Tage aufgeführt wäre, zumal soweit hinauf
der Ruhm, Herausgeber eines Umtsverkündigers zu sein, nicht
reicht. Per Broschüre selbst einen Augenblick ernster Berücksich-
tigung zu widmen, wäre Zeitverlust. Wir müßen uns daran ge-
wöhnen die verschiedenartigsten Entwürfe für Etablirung einer
neuen Religion und einer neyen Kirche auftauchen zu sehen, um
sofort als Maculatur unverrichteter Sache vom Schauplatze zu ver-
schwinden. —
Am 24. d. M. wird hier die Abgeordnetewahl vorgenomryen.
Die Nationalliberalen werden, wie man hört, den Altbürgermei-
ster Weber wählen, der an nationalvereinlicher Gesinnungstüchtig-
keit Nichts zu wünschen übrig läßt.
L,. Aus dem Amtsbezirk Bruchsal. Die Erndte ist jetzt
glücklich eingeheimst und der Schweiß des Landmanns hat sich
rentirt. Was wenigstens das Thal betrifft, welches die württem-
bergische Eisenbahn durchzieht, so wurden bis jetzt die Erwartungen
des Landmanns übertroffen. In den Gemarkungen Heidelsheim,
Helmsheim, GpndelHheim u. f. w. lolst her Bayer dep Ausfall auf
dem Acker und in der Scheuet; viel und schönes Stroh, da Alles
gut heimkam, und auch ziemliche Achreu; besonders Gerste und Ha-
fer fiel sehr gut aus. Weniger gut dürfte die noch in Feld und
Weinberg stehende Erndte ausfüllen; an den Kartoffeln zeigt sich
theilweise Fäulniß, die wenn die Witterung nicht noch ganz gut
wird, im Keller empfindlich werden kann. Hanf ist ziemlich gut,
was in unserer Gegend ins Gewicht fällt; Futter reichlich, wie auch
das Heu war. Obst gibts im Allgemeinen wenig, nur hin und
wieder einige Birnen. Die Trauben, welche in einigen Lagen schon
im Frühsommer verhagelt worden waren, kamen überdies in schlechte
Blmhezeit, so daß in manchen Weinbergen fast gar nichts zu hoffen
rst, in den andern zeichnen sich die Kämme durch bedeutende Lü-
cken, in denen verspätete Beerchen erscheinen wollen, aus, in den
Gartenanlagen röthen sich die Beeren, obgleich noch nicht ausge-
wachsen, allmählich, werden übrigens bei solch kalten Nächten und
frostigen Tagen, wie jetzt, keine bedeutende Fortschritte machen;
doch kann es noch einen Sipplinger 4 Männerwein geben. Die
Jagdliebhabsr richten auch ihre Büchsen wieder und annexiren schon
vor Eröffnung der Jagd manche zu keck gewordene Hühner, mit
den Hasen wollen sie es noch nicht recht loben, noch weniger mit
den Rehen, obschon auch hier herum wie anderwärts sogar von
großen Herren mancher Bock geschoßen wird. Lustig klapperts in
den Scheuern von Flegeln und außerhalb mit Maschinen, denn
kaum daß der Erndtetauz vorüber ist, stehen allenthalben die Kirch-
wechm vor der Thüre; dazu bald Einquartirung, so daß es an
Erholungen nicht fehlt.
Windschläg, 17. August. Gestern war hier die bereits be-
kannte Nachwahl der Wahlmänner zur zweiten Kammer. War
schon das erste Mal der Sieg der kathol. Volkspartei entschieden,
so war es bei der zweiten Wahl noch weit mehr dec Fall. Von
beiden Setten wurden große Anstrengungen gemacht, aber die gut
gesinnten Bürger standen fest zu ihrem Seelsorger und dessen Mit-
caudivaten und bewiesen deutlich, welchen Eindruck es auf sie ge-
macht, daß von gegnerischer Seite ihr Seelsorger öffentlich beschimpft
wurde. Durch dieses erfreuliche Wahlresulrat ist nun die Wahl
des bisherigen Abgeordneten Roßbirt gesichert. (Bad. Beob.)
Katholisches Gastno.
Der nächste Gesellschaststag findet
Mittwoch den 25. ds. M?s statt.
Zu demselben lade ich zugleich die verehrlichen Mitglieder der
Betriebsgesellschaft freundlichst ein, um über die Ausführung der
Beschlüsse der Plenarversammlung vom 30. Juni d. I. näheren
Bericht zu erstatten.
Heidelberg, 15. August 1869. Der Vorstand:
Jakob Lindau.
Für den bei dem kathol. Kirchthurmbau verunglückten Arbeiter
sind bei der Expedition d. Bl. eingegangen: Von Ungen. 9 kr., von do. 12 kr.,
von do. 1 fl., von H. Z. 1 fl., von H. B. 1 fl., von Fr. N. 1 fl., von Offen-
burg 2 fl., wofür danke die Die Expedition.
Die Schützengesellschaft in Mannheim beabsichtigt zu der
am 29., 30. und 31. Aug. stattfindenden Feier des Emhundert-
fünf und zwanzigsten Bestehens der Gesellschaft und der damit ver-
bundenen Belustigungen ein schönes Carufsel, einen großen P o-
licinel-Kasten und einen Schieß st and heranzufiehen. Bewerber
wollen sich baldmögttchst an Herrn CH. Duffing, ll. 7 32 wenden.

Druck, Verlag und Expedition von L. Schweiß in Heivelserg.
 
Annotationen