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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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395

Stimmen auf sich vereinigte als Lindau in der Wahl vor zwei
Jahren. Von den noch rückständigen Wahlen wird Tauberbischofs-
heim mit Sicherheit im Sinne der katholischen Volkspartei wählen
und in Gengenbach sind noch Aussichten für unseren Candidaten vor-
handen. Wir werden in der nächsten Kammer die Herrn Lindau
und Roßhirt wesentlich verstärkt sehen und wenn auch die Abstim-
mungen für die Regierungsbank ausfallen sollten, so ist die Haupt-
sache für uns doch die, daß jetzt einmal mehr als Einer in der
Kammer zu sitzen kommt, der rückhaltlos dem jetzigen Regierungs-
system sein Herz ausschütten kann. Die Kammer wird ohne Zwei-
fel eine sehr bewegte, stürmische werden, — die Zeit der Ver-
sumpfung ist vorüber, wo die allgemeinste Theilnahmlosigkeit ihre
Verhandlungen begleitete. Zündende Worte werden aus dem Saale
hinaus in's Volk getragen werden und je stürmischer die Scenen
aus den grünen Sitzen, desto mehr Leben wird's draußen geben.
Wir haben große, sichtliche Fortschritte gemacht bei den Wahlen und
das Heidelberger Organ des Herrn Jolly wird gut daran thun,
mit den „Römlingen" zu rechnen, die seinem Meister schon manche
böse Stunde bereitet haben und eine mächtige Partei hinter sich
haben werden, wenn das Wäfserlein der neuesten Aera längst ab-
gelaufen sein wird.
* Heidelberg, 26. Aug. Macover, einer von unsere Lait,
sagt: „s'ist schwierig": es fällt uns nicht ein, lange Referate
über den Juristentag zu bringen, die ganze Geschichte hat doch kei-
nen Werth. Bluntschli ist zum Präsidenten gewählt worden
und hat den vom gehaltlosen Professor zum Staatsminister avan-
cirten Herrn Julius Jolly alsbald zum Ehrenpräsidenten empfoh-
len. Es ist doch etwas Seltsames um das wankelmüthige Ding,
menschliches Herz genannt! Freund Bluntschli hat Freund Jolly
noch vor kurzem öffentlich wie privatim und privatiffime nichts
weniger als glimpflich behandelt, — und jetzt legt er den Ehren-
kranz auf das ministerielle Haupt! Es ist gut gerade jetzt daran
zu erinnern, wo die Juristen hier sind. Doch dem Verdienst seine
Krone, — hat doch Herr Jolly, auch wenn er wissenschaftlich für
die Jurisprudenz nicht mehr geleistet hat, als 1000 andere voo-
torös juris, hohe practische Verdienste um dieselbe, namentlich um
die Presse, deren angebliche Ausschreitungen sofort energisch behan-
delt werden, und zwar mittelst des leicht zu handhabenden Stand-
rechts-Art. 631u ff. Der württembergische Justizminister v. Mitt
nacht hat im Zollparlament geäußert: „Unter meiner Verwaltung
hat noch keine Preßverfolgung von Staatswegen stattgefunden, und
ich hoffe, daß auch keine solche nöthig werden wird." Der Bad.
Beobachter dagegen hat im freiest regierten Lande diesseits des
Oceans nicht weniger als circa 10 Prozesse am Halse und der
Psälzer Bote wird auch geliebkost. Ohne von den sonstigen Ver-
diensten des Herrn Jolly reden zu wollen, erlauben wir uns nur
die Anfrage an einen hochgelehrten deutschen Juristentag, welche
Behandlung der Presse ihm am meisten behagt, die des ehrsamen
Schwaben Mittnacht oder die seines Ehrenpräsidenten Jolly?
* Heidelberg, 28. Aug. Nachträglich wurde der Pfälzer
Bote wegen des Artikels die Versetzung des Herrn Amtsrichters
Junghanns betr., wegen dessen Abdruck der Bad. Beob. bereits in
Anklagestand versetzt ist, confiscirt.
-s- Vom Neckar, 26. Aug. Wie oft haben wir nicht in
den naüonalservilen Blättern die Versicherung gelesen, es wäre
wünschenswerth, daß die Opposition gegen das jetzige Regime eine
größere Vertretung in der Kammer erhalten möge. Ww entjpricht
nun das bisherige Verhalten der Clique (denn mehr sind ja die
Helden der neuen Aera nicht) diesen Worten? Zunächst hat sie
jede auftauchende Candidatur eines Oppositionsmanns mit Koth
beworfen — ein Manöver, welches manchen anständigen Mann
ubhrelt, sich um einen Sitz im Ständehause zu bewerben. Hierauf
trat sie mit einer Wahlbeeinfluffung der Wahlmännerwahlen auf,
die niemals in unserem Lande derartig geübt wurde; Versprechun-
gen, Drohungen, meist sehr materiellen Inhaltes, wechselten ab.
Kaum waren die Wahlmännerwahlen vollzogen, so wurde eine
ganze Reihe solcher, die nicht nach Geschmack der Clique ausge
fallen waren, angefochten. Dann ging's an die Wahlmänner selbst,
wo Jntrrguen der allererdärmlichsten Art, honigsüße Liebkosungen
verschwendet und meist durch Leute bewerkstelligt wurden, deren
Beruf doch nur in der Schreibstube sich geltend machen sollte.
Allgemeine Wahlbesprechungen des ganzen Wahlcollegiums wurden
zu vereiteln gesucht, weil man das freie Wort der Opposition
scheute. Desto mehr aber wurde im Geheimen operirt und vor
Allem der confessioneüe Haß geschürt, so daß nicht ein protestan-
tischer Wahlmann einem Oppositionsmann die Stimme gab Und
endlich wurde noch der Hauptakt der Abstimmung selbst auf's un-
Edigste benutzt; ist uns doch die sichere Kunde geworden daß
em Wahlmann einen Collegen aufforderte, ihm den Wahlzettel mit
oem Namen des Oppositions-Candidaten zu schreiben und statt des-
sen wurde der Zettel mit dem Namen oes nationalservilen Can-
droaten ausgefüllt. Wo bleibt da „die sittliche Entrüstung?" Doch
kaum sind die Wahlen vollzogen, wobei aber noch in Breisach ein
nettes Bravourstückchen durch das Weglaufen der nationalservilen
Wahlmänner aufgeführt wurde, so liest man schon in den Blättern
der Clique von Anfechtungen der Wahl, und wir werden nun bald

im Ständesaal das widrige Schauspiel erleben, daß ganz in dersel-
ben Art, wie Buß und Roßhirt einst die heiligen Räume nicht
geöffnet wurden, verschiedene Oppositionswahlen caffirt werden.
(O Aus dem bad. Unterland, 26. Aug. Dem Verdienste
seine Krone! Diese goldenen Worten werden seit 1866 nicht ge-
nug gewürdlgt, da nur der Erfolg, nicht die Gesinnung die
erforderliche Anerkennung findet. Von diesem Gesichtspunkte aus
betrachtet, haben wir dem Resultate der durch Amtsrichter Beck
in Neckargemünd in reichlicher Muße veranstalteten Bürgerabende
unser tiefstes Bedauern zollen müssen; denn außer dem Löschpapier
der Landesbase hat die Bevölkerung der hiesigen Umgegend so we-
nig Notiz davon genommen, als wie einstens die Heidelberger von
den zwei Becks arrangirten altkatholischen Bewegungen. Doch es
gibt noch andere Leute, welche die Gesinnung ehren und sie zu be-
lohnen verstehen. Und io hoffen wir denn, daß Amtsrichter Beck
nicht vergeblich seine Blicke nach dem Amtsgerichtsgebäude in Hei-
delberg schweifen läßt, worin augenblicklich ein leerer Raum zum
Ausfüllen parat ist. Wir zweifeln nicht daran, daß diese wenigen
Worte nachhaltiger zu Gunsten des Hrn. Beck wirken, als noch so
viele Empfehlungen von Fortschritts-Patronen!
X Vom Lande, 24. August. Mit großem Wohlbehagen be-
schäftigen sich die liberalen Zeitungen mit einem gewissen Pfarrer
Merz aus Grünstadt in Rheiubaiern, der angeblich mit einem
Mädchen von dort den gastlichen Gestaden Amerikas entgegentreibe.
Wenn sich die Sache wirklich so verhält, so bedauern wir aufrich-
tig den genannten Herrn. Wäre er doch zu uns ins Badische
herüber gekommen, wo er ohne Zweifel bei der Gesellschaft zur
Gründung einer neuen Kirche Arbeit gefunden hätte, weil durch-
gebrannte und verlobte Pfarrer ganz besonders Berücksichtigung
finden. Da er aber jetzt einmal auf dem Wege nach Amerika ist,
so wird ihm auch da eine rosige Zukunft blühen, weil er Anwart-
schaft auf eine protestantische Predigerftelle hat, da ec die erste
Bedingung hiezu — nämlich eine Braut — vorzuweisen im Stande
ist. Uns will bedünken, daß es sehr im Interesse des heutigen
Liberalismus mit seinem Drange nach neuer Kirchenstiftung liegt,
wenn recht viele Pfarrer wie Merz kirchenmüde das Meßgewand
ablegen, weil nur auf diese Weise der in Aussicht genommene
neue Kirchenbau einigermaßen eine Zukunft haben kann, denn mit
Berufstreuen katholischen Priestern kommt der Liberalismus auf
keinen grünen Zweig. Sollten am Ende gar noch einige Nonnen
lebenslustig über die Klostermauern springen und ihre Gelübde an
den Nagel hängen, so wäre auch dieß sehr ichätzbares Material,
das sich, wie die Geschichte lehrt, ganz vortrefflich bei der libera-
len Zukunftskirche unter Dach und Fach bringen ließe. Summa
Summarum, brennt ein katholischer Pfarrer durch, flüchtet ein
Mönch aus dem Kloster, verletzt eine Nonne ihre Gelübde und
entschlüpft sie der Klausur - so ist das Alles hübsch Wasser auf
die Mühle des Liberalismus, dem es deßhalb schlecht ansteht im
gegebenen Falle zu witzeln.
Ettlingen, 24. Aug. Als unsere Wahlmänner heute Abend
von Rastatt zurückkehrten, wurden dieselben von Gesinnungsfreun-
den am Bahnhofe mit Musik- und Fackelbegleitung adgeholt. Zu
dem Einzug in die Stadt sammelte sich eine Menge Menschen,
bei denen eine freudige Stimmung sich kund gab. Ein vergnüg-
tes Zusammensein freisinniger Mäuner im Gasthofe zum Engel
war so zahlreich, daß die großen Räume kaum ausreichten, nie
Theilnehmer alle aufzunehmen. Herr Stadtpfarrer Kirn brachte
das erste Hoch den Wahlmännern von Ettlingen; das zweite Hoch
galt den Urwählern, ausgebracht von Karlsruher Gesinnungsge-
noffen, den Toast auf Herrn Dekan Lender leitete einer der Her-
ren Wahlmänner in schwunghafter Rede ein. Man trennte sich
erst spät, allseitig froh bewegt über den erfreulichen Ausgang, der
so viele Mühe, Widerwärtigkeit und Anfeindung verursacht haben-
den Wahlangelegenheit, hoffend, daß die Leidenschaften sich nunmehr
legen werden. (Bad. Beob.)
/X Vom Schwarzwald, 8. August. Der heutige Tag war
für die Gemeinde Schwarzenbach i-68p. die Pfarrei Friedenweiler
ein Tag festlicher Freude. Es war die Primizfeier des Neupriesters
Karl Feh^enbach, Bürgerssohn daselbst. Schon nach Entlassung
von St. Peter wurde derselbe an der Grenze seiner Heimath von
den dortigen Bürgern feierlich empfangen. Von seinen Pfarran-
gehörigen wurde Alles aufgeboten, um diesen Tag würdig zu be-
gehen; denn wie es im Allgemeinen hieß, war seit 50 Jahren
keine solche Feier mehr in der Pfarrei Friedenweiler. Diese Ta-
gesfeier wurde aber noch besonders durch die schöne Festrede (für-
heutige Zeit sehr treffend) des hochw. Conviktdirektors Litschgi von
Freiburg, sein Rathgeber zum Priesterstand (der betr. Neupriester
war schon ausgelernter Uhrmacher), erhöht.
Es wohnten dieser kathol. Ferer ungefähr 3000 Personen von
Nah und Fern bei, wieder ein Beweis, daß die Liebe und Achtung
zum kathol. Pciestecstande unter dem eigentlichen Volke noch nicht
erloscheu ist.
Auch darf bei dieser Feier der dortige Sängerchor, sowie die
erst kurz ins Leben getretene Blechmusik von Rudenberg und Fne-
 
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