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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 89-101 (3. August - 31. August)
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— 399 —

* HfihMrg, 2ß. Aug. Ein ministerielles Blatt, Nseny wir
nicht irren, war es die „Tayber", hat unlängst den Wunsch aus-
gesprochen, die Landtagsseflionen möchten nicht von zu langer Dauer
sein, weil — abgesehen von andern Grhyden — das Volk allzu
sehr dadurch financiell belastet würde. Obgleich wir nun eine Reihe
überflüssigerer Gegenstände als zur Ersparung geeigneter bezeichnen
könnten, als die Volksvertretung des badischen Landes, so schlie-
ßen wir uns doch diesem Wunsche gerne an, bedauern aber, aus
guter Quelle die Mittheilung bringen zu können, daß der nächste
Landtag sich im Gegentheil durch eine außergewöhnliche Länge
auszeichnen wird, da eine erstaunlich große Zahl volksbeglückender
Vorlagen der Kammer zum Jasagen unterbreitet werden soll. Ja,
die Kammer, wird uns aus einer Residenzquelle berichtet, soll so-
garschon um die Mitte des nächsten Monats zusammentreten, damit
ihre Arbeiten bis zum Zusammentritt des Zollparlamentes im
April oder Mai des nächsten Jahres beendet seien. Ueber die Vor-
lagen selbst aber weiß noch kein Mensch etwas Zuverlässiges zu
sagen, — die Absichten des Ministeriums werden äußerst geheim
in den Ministerial-Büreaux verschlossen. Wie bekannt, war es ein
Hauptbeschw.erdepunkt der Offenburger, das Ministerium Jolly habe
die Kammer mit Rücksichtslosigkeit und wegwerfender Kälte be-
handelt, — was sagen die Herren jetzt dazu? Im Zollparlament
der diesjährigen Session herrschte die größte Erbitterung, daß die
reifes Studium erfordernden Vorlagen erst in der Versammlung
selbst eingebracht wurden und Niemand zuvor schon die einzelnen
Bestimmungen derselben gekannt hatte, ja, es war der zum Natio-
nalliberalismus sich neigende Abgeordnete v. Stauffenberg,
welcher dem Unwillen oes größten Theiles der Abgeordneten hier-
über lebhaften Ausdruck gab. Badische Nationalliberale erheben
sich freilich nicht zu solcher Kühnheit, und die Frage: Ist kein
Stauffenberg da? wäre eine müßige.
H Heidelberg, 28. Aug. In der gestrigen Nummer der
„Tauber" lesen unr unter der Ueberschrift: „Die Deputirtenwahl
und die Verfassung" die sonderbare Behauptung, die Abgeordneten
der kath. Volkspartei hätten sich genau an die Instructionen zu
halten und in der Kammer nach denselben zu stimmen, welche ihnen
von PMeiwegM ertheilt würden uyd das sei gegen die Bestim-
mungen unserer Verfassung. Wir sind grundsätzliche Feinde der
Aufträge, die ein Abgeordneter von seinen Wählern einzuholen
oder an die er sich zu binden hätte, weil er dadurch von einem
Abgeordneten des Landes zu einem solchen eines Bezirkes her-
abgedrückt würde und seine ganze Thätigkeit nur eine Kirchthurms-
politik werden müßte; ebenso wenig wollen wir ihn an Parteibe-
schlüsse gebunden sehen. Er handle frei nach eigenem besten Wis-
sen und Ermessen, — das allein entspricht auch den weisen Be-
stimmungen unserer Verfassung hierüber. Dies ist der Standpunkt
der kath. Volkspartei und wenn die „Tauber" eine gegentheilige
Behauptung aufstellt, so müßte sie uns erst nachweisen, daß
wir nach andern Grundsätzen handelten, in dem betr. Artikel selbst
sehen wir uns vergeblich nach dem. Beweise um. Sollen aber wir
das Gegentheil beweisen, so fällt dies keineswegs schwer: ein Hin-
weis auf die ministeriellen Aeußerungen über die Wahl des Hrn.
v. Gulat wird genügen. Sagt ja doch die Landesbase, die Karlsr.
Ztg. und der ganze Chorus der amtlichen Blätter, Herr v. Gulat
habe bereits vor der Wahl sich dahin ausgesprochen, daß er sich
durchaus an keine Parteibeschlüsse binde, sondern ganz nach eige-
nen Heften handle, — und gleichwohl weiß ja die „Tauber", daß
die Wähler der kachol. Volkspartei ihn zum Abgeordneten gemacht
haben. Ist das nicht der schlagendste Beweis von der Selbststän-
digkeit, welche unsere Abgeordneten haben und von der Toleranz,
mit welcher sie von ihren Wählern, behandelt werden? Wir fra-
gen dagegen die „Tauber", ob sie ernstlich glaube, daß ein Be-
amter von Herrn Jolly ebenso Liebenswürdig behandelt würde,
wenn er durch büreaukratische Einflüsse erwählt, in der Kammer
selbst zu gölern sich erdreistete?
* Heidelberg, 26. Aug. Die gestrige Schloßbeleuchtung
am Schluffe des Juristentages zog eine große Masse von Fremden
in unsere Stadt. Ueber der Brücke war ein großes Gedränge und
Gewoge; selbst Frankfurt und Heilbronn hatten ihr Contingertt
geliefert. — Ein schweres Unglück ist auch von gestern zu verzeich-
nen. Ein junger Maurer fiel von dem jetzt im Bau begriffenen
Thurm der kath. Pfarrkirche auf's Pflaster herunter und war so-
fort eine Leiche.
Vom Neckar, 29. August. Die kathol. Volkspartei ver-
langt in ihrem Programm die Herstellung des ganzen Vaterlan-
des und die Erhaltung der Einzelstaaten, also auch Vadens.
Darob wurde sie als „particularistisch" geschmäht; oft auch noch
nebenbei als „vaterlanoslos" denuncirt. So weit ist es gekommen,
daß unsere Feinde das Beharren unserer Partei auf dem gesetz-
lichen Wege, ihr Auftreten im Jahre 1866 für das Bundesrecht
und ihre jetzige Anhänglichkeit an die Verfassung als nichtsnutzige
Bestrebungen erklären und daß sie dagegen offen das Wort aus-
sprechen, Baden müsse aufgehen in dem Zollernstaat. Damit wird
es wohl noch eine gute Weile haben. Unterdessen dürfen wir aber
an das Verhalten unserer Gegner die Sonde anttgen, um zu er-
messen, ob sie denn die Vaterlandsliebe allein gepachtet haben.

Da müssen wir doch wohl vor Allem eine Aeußerung de-'> Hrn. s,
Roggenbach ins Auge fassen, denn dieser Herr war ja der eigent-
liche Schöpfer der neuen Aera in Baden und mußte als badischer
Minister, der die Verfassung beschworen und sie treulich zu bewah-
ren die Pflicht hatte, alle seine Kräfte verwenden, um den Staat
von seinen Gebrechen zu heilen. Nun berichtet uns aber die neueste
Demokrat. Corresp., nicht etwa mit einem „soll", sondern ganz
positiv, folgende Aeußerung Roggenbachs, die er nach seinem Aus-
tritt aus dem badischen Staatsdienst gethan hat: „Das Land ist
morsch, da hält kein Nagel mehr, man mag ihn einschlagen wo
man will." Das ist das Stärkste, was je aus badischem Munde
über unsere Zustände geäußert wurde. Wenn man es zusammen-
hält mit so manchem Preßerzeugniß, auf das der ß 631a flugs
angewendet wurde — was soll man da sagen? Das paßt ja ge
nau zu den Worten: „machen Sie ganze Arbeit, verehrter Graf;"
das stimmt ja auch zur Theorie über die badische „Lücke". Nur
noch so viel für heute: wir bitten in jedem Preßproceß, der jetzt
bestanden werden muß, Herrn v. Roggenbach beizuladen, um sein
Ministerial-Zeugniß über badische Zustände abzugeben.
Aus Baden, 26. Aug. Ein Ministerial-Erlaß ä. ä. Karls-
ruhe, 30. Juni 1869, gez. Jolly, verfügt: „In Folge des neuer-
lichen mit der Stellung eines Lehrers an einer öffentlichen Schule
schlechthin unvereinbarlichen Verhaltens des Dr. Hansjakob, insbe-
sondere mit Rücksicht auf die Rede desselben in Engen, welche be-
reits gerichtliches Einschreiten herbeigeführt hat —
Es sei der im Jahre 1863 unter die Zahl der Lehramts-
praktikanten aufgenommene Dr. Heinrich Hansjakob von Haslach,
z. Z. in Waldshut aus der Liste der Lehramtspraktikanten zu
streichen." (Bad. Beob.)
1- Aus dem Amtsbezirk Bruchsal. Vom 10. September
l. I. an wird Se. bischöfl. Gnaden Dr. Lothar Kübel in den
Landkapiteln Bruchsal, Philippsburg, St. Leon und Mühlhausen
das heilige Sacrament der Firmung spenden. Die Stationen sind
folgende: Bruchsal, Wiesenthal, Philippsburg, Oberhausen, St. Leon,
Mingolsheim, Odenheim, Landshausen, Bauerbach, Jöhlingen, Neu-
hausen und Pforzheim.
München, 16. Aug. „Wagner's Tel. Corresp.-Bür." be-
richtet : Heute constituirte sich hier die Commission für die Ange-
legenheiten der süddeutschen Festungen aus bayrischen, württem-
bergischen und badischen Bevollmächtigten.
Norddeutscher Bund.
Hanau, 23. Aug. Bei der neulichen Jnspection der Truppen durch
den König von Preußen war die Zufchauermenge zwar bedeutend, das
wenig hervortretende Hurrahrufen der Truppen erregte indeß all-
gemeinen Humor. Im Laufe der Uebungen wiederholte sich diese
Erscheinung bei verschiedenen Gelegenheiten. — In einem größeren
hiesigen Local pflegt allwöchentlich Musik gespielt zu werden. Neu-
lich wird denn auch der Radetzkymarsch Vorgetragen. Stürmisch
wurde dessen Wiederholung verlangt. Statt dessen wurde auf Ver-
anlassung eines Officiers das Preußenlied begonnen, indeß ver-
mochte die Musik vor dem Zischen und Scharren mit den Füßen
nicht weiter zu spielen. Den Officieren ist in Folge dessen das
Besuchen dieses Locales untersagt worden, ebenso wurde dec Mili-
tärmusik auch das Spielen des Redetzkymarsches verboten. Als
nun neuerdings wieder derselbe Marsch vom Publicum verlangt
wurde, und dafür ein anderes Musikstück aufgespielt wurde, ent-
stand abermals eine solche Aufregung, daß das Spielen beendigt
werden mußte. — Ein Beamter vom kurfürstlichen Hof aus Hor-
zowitz kam heute hier an, derselbe berichtete, daß während im vori-
gen Jahre zum Geburtstag des Kurffirsten dort mchr GratuWoy.S-
schreiben aus Kurhessen eingelaufsn waren als je zuvor, dieselben
diesmal in Horzowitz in wahren Massen eingegangen sind, selbst
mit Blumen aus der Heimath ist unser Kurfürst reich bedacht wor-
den. Unter den Gratulanten befinden sich auch Personen aus sol-
chen Familien, deren männliche Häupter hier gezwungenerweise so
thun, als seien sie ganz schwarz-weiß. (Sächs- Ztg.)
Aus Schleswig-Holstein erneuern sich die Klagen über
großen Steuerdruck; der „A. Z." wird darüber geschrieben: Bis
zum Jahr 1848 betrug die Belastung der Herzogthümer 4 Mill.
Thaler, 1849 stiegen die ordentlichen Einnahmen in Folge der
während des Kriegs neu eingeführten Steuern auf 5 Mill. Thaler;
unter Dänemark zahlte Schleswig-Holstein bis 1863 etwa 6 Mill.
Thaler. Die Gesammtzahl beträgt jetzt nach den officiellen Zahlen
8^» Mill, und höchst wahrscheinlich in Wirklichkeit wenigstens S
Mill/ Die zu Staatszwecken aufgelegten Steuern haben sich also
in zwanzig Jahren mehr als verdoppelt, was außer allem Ver-
hältniß zu der Hebung der Steuerkraft steht. Die stärkste Ver-
mehrung der Steuern hat durch die Annexion stattgefurwen, in
deren Folge die Last um 40 bis 50 Proz. gestiegen ist. Wären
die Herzogthümer unter den financiellen Bedingungen, wie sie der
Wiener Friede und die Militärverfassung des norddeutschen Bun-
des mit sich bringen, ein selbstständiger Staat geworden, so wür-
den die jährlichen Bedürfnisse sich auf etwa 7 Mill. Thaler belau-
fen haben, also immerhin auf 2 Mill. Thaler weniger, als das
Land jetzt ausbringen muß. Die Lautesten Klagen über Steuer-
 
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