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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 102-114 (2. September - 30. September)
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— 403 —

der Begleitung. Er ist constatirt, daß nichts an dem sehr soliden
Gerüste gebrochen war, sondern daß ein jäher Schwindel den
Armen erfaßt haben muß, so daß er zum Fenster hinausstürzte.
— In Alt wies loch wurde am 27. d. M.'s Haus und Scheune
des früheren Bürgermeisters ein Raub der Flammen. Es ist viel
Frucht dabei verbrannt. — In Bad Antoga st ist ein schrecklicher
Mord vorgefallen. Ein junger Kaufmann aus Freiburg, der im
Bade zu Gast war, wurde 6 Tage lang vermißt und jetzt hat man
seine Leiche eine halbe Stunde vom Badeort entfernt in einer sorg-
fältig mit Moos überdeckten Grube im Walde gefunden. 7 Stich-
wunden hat man an der Leiche entdeckt. Es liegt hier ein scheuß-
licher Raubmord vor, — die Baarschaft und selbst die Stiefel
fehlten. — Auch ein Eisenbahnmaterialverwalter Namens Müller
in Karlsruhe wird unter Umständen vermißt, die auf Ermordung
schließen lasten. Er war ganz lustig von Knielingen nach Maxau
gefahren und ist rächt wieder zurückgekehrt. Alle Nachforschungen
auf beiden Seiten des Rheines haben noch kein Ergebnis! gehabt.
— Sonst gibt es nichts wesentlich „Neues", außer daß die Landes-
base in ihrem Briefkasten heute einmal wieder, wie sie schon oft
gethan, eine „Säbelaffäre" todtschwcigt. Wir können übrigens nicht
begreifen, wie man der Landesbase Correspondenzen über Helden-
Ihaten mit dem Säbel mittheilen mag, da doch die Base in's
zweierlei Tuch trotz vorgerückten Jahren närrisch verkeilt ist. Der
Bad. Beobachter, Pfälzer Bote, Mannheimer Abendzeitung und
die katholischen Blätter des Oberlandes sind die richtigen Adressen.
In Mannheim wurden heute zu Abgeordneten gewählt:
Rechtsanwalt Grimm (Ersatzwahl) und Gemeinderath Hoff (Er-
neuerungswahl), beide national-liberal.
X. Bom Rhein. Wer den Frieden stört! Die große gegen
4000 Einwohner zählende Gemeinde Hockenheim hatte seit längerer
Zeit das schätzenswerthe Glück, im Frieden zu leben. Die dort
vertretenen Confessionen waren bis jetzt der guten Meinung, daß
die ächte Toleranz in der wechselseitigen Achtung bestehe. Es scheint
jedoch, als ob dem in Hockenheim wohnhaften Abgeordneten des
Bezirkes diese Toleranz nicht recht gefalle. Im gegenteiligen Fall
würde sich derselbe wohl nicht erlaubt haben, in einer auf dem
dortigen Rathhaus jüngst abgehaltenen ministeriellen Versammlung
gegen die „Ultramontanen" und „Jesuiten" zu Felde zu
ziehen. Oder sollte er nicht wissen, daß die große Mehrzahl sei-
ner katholischen Mitbürger gute Katholiken d. i. in seinen Augen
Ultramontane sind und daß die „Jesuiten", als Glieder eines von
der Kirche gebilligten Ordens, von den Katholiken Hockenheims
hoch geachtet werden? Wozu denn auch das ewige Raisonniren
gegen die Jesuiten, die ja in dem Freiheitsstaat Baden gar nicht
wohnen und wohnen dürfen? Aber nicht wahr, der „Wauwau"
ist eben zu etwas gut, wie der Kaminfeger bei den Kindern! Was
würde übrigens derselbe Herr Abgeordnete dazu gesagt haben,
wenn ein Katholik auf dem den Confestionen gemeinsamen Rath-
haus eine politische Parteiverfammlung abgehalten und dabei die
Taktlosigkeit begangen hätte, statt bas gegnerische politische Pro-
gramm zu widerlegen, gegen die Pietisten und sonstigen Prote-
stanten loszudonnern? Erfreulich dabei ist es indessen, daß die der
Versammlung beiwohnenden Protestanten das Unzarte, welches die
Rede des Herrn Abgeordneten gegen die Katholiken enthielt, nicht
gut bemerkt haben.
Noch erfreulicher ist, daß die Katholiken Hockenheims und Rei-
lingens mit wahrer Taktik auf die Rede des Herrn Abgeordneten
die paffende Antwort gegeben haben. Gleich am folgenden Mor-
gen nämlich nach gehaltener Taktrede ließen dieselben eine Abreste
mit der dringenden Birte um Kammerauflöfung circuliren und diese
Adresse erhielt 247 Unterschriften. Diesmal hat der Herr Abgeord-
nete fein Rädchen, das er wohl nur auf höheren Befehl in Bewe-
gung gesetzt haben dürfte, nicht gut geleiert! Wir danken bestens
für die Adresse, deren moralischer Urheber zunächst in diesem Fall
ein nationalliberaler Landtagsabgeordneter ist.
X Bruchsal, 29. Aug. Der 24. Aug. brachte uns den
Nachfolger des Abgeordneten Reö selig in der Person des Altbim
germeisters Weber, als National-Vereinler männiglich bekannt.
Der Wahltag selbst ging ohne Sang und Klang vorüber und wenn
man sich des geschäftigen Schwindels bei der Reewahl erinnerte,
so stand Einem auf der Zunge der Seufzer: 0 guas mututio ro-
rum! Kein Donner unserer bewährten alten gutmüthigen Stadt-
boller verkündete das Tagesereigniß; keine Carosten im Festfchmuck
trugen die neugetauften „deutsch-freisinnigen" Wahlmänner zu den
Pforten des Rathhauses; kein Fahnenschmuck zierte die Straßen
und die wenigen Fähnlein die da und dort schüchtern zu wedeln
begannen, zogen sich alsbald bescheiden in die Gemächer zurück
Auf dem Rachhaus wurde zwar schon vor Beginn der Wahl die
schwarz-roth-goldene Flagge aufgehißt, allein sie verschmähte das
lustige Flattern in den Lüften und klammerte sich verschämt an
ihre Stange fest, als fürckte sie gar wohl, daß der rechte Wind
Flagge nicht im Anzuge sei. Das Fürstbischöfliche
Refidenzschloß blieb stumm und stille, keine festliche Tafelrunde
belebte die öden Gemächer, wo vor zwei Jahren die höchsten Spi-
tzen der Beamtenwelt mit dem bürgerlichen Element den Pokal
credenzten und wo die nationale Intelligenz, der ehemalige Rafirer

Weinsbach, sein Schwanenlied sang int Vorgefühl, daß er, de«
Zuge seines Herzens folgend, alsbald europamüde seiner Heimath
den Rücken kehren und dem Schauplatze seiner nationalen Tätig-
keit entrückt sein werde» Und endlich die bösen ultramontanen
Wahlmänner, dreizehn an der Zahl, gaben nicht die geringste Ver-
anlassung zur „sittlichen Entrüstung" für die liberalen Väter der
Stadt, somit auch von dieser Seite aus Grabesstille. So verlief
der Wahltag in Bruchsal.
Bon der Tauber, 30. Aug. Das so freundlichen der
Tauber gelegene Gamburg wurde gestern von einem schweren Un-
glück heimgesucht. Zwischen 12 und I Uhr Mittags brach Feuer
aus (die Ursache ist noch nicht bekannt) und in kurzer Zeit stan-
den 14 Gebäude, theils Wohnhäuser, theils Scheunen und Stal-
lungen in Flammen. Bald traf Hülfe von allen Seiten ein.
Unter den Auswärtigen waren die Uissigheimer die ersten auf der
Brandstätte, ihnen gesellten sich bald die Höhefelder bei. Rasch
war auch Külsheim da. Kurz nach 3 Uhr brachte die Bahn eine
Abtheilung der Wertheimer Feuerwehr mit einer trefflichen Spritze
und einigen Rettungsgeräthen. Sogar von dem etwas fernliegen-
den Dertingen und aus dem benachbarten Bayerischen waren Lösch-
maschinen mit der nöthigen Mannschaft eingtroffen. Dem weiteren
Umsichgreifen des Feuers war nun Einhalt geboten und gegen 5
Uhr war das entfesselte Element wieder bemeiftert. Glücklicher-
weise war es windstill.
Leider sind von den vom Unglück Betroffenen nicht Alle ver-
sichert, bei Anderen erreicht die Höhe der Versicherung nicht den
wahren Werth der verbrannten Fahrnisse.
(Die Presse kann nicht genug darauf aufmerksam machen,
wie thöricht es ist, aus übel angebrachter Sparsamkeit die geringe
Ausgabe für Brandversicherung zu unterlassen. Die Gemeindebe-
hörden, die Geistlichen wie alle einflußreichen Männer in den Ge-
meinden sollten gemeinsam mit der Presse dahin arbeiten, daß allent-
halben die Leute Haus und Habe vor dem verheerenden Elemente
sich zu sichern suchten. Die Redaktion des Pfälzer Boten.)
Norddeutscher Bund.
* Berlin, 29. Aug. Die heutige Volksversammlung in der
Tonhalle, betreffend die Klosterfrage, war von 2000 Personen be-
sucht. Resolutionen wurden angenommen für Abschaffung der
Klöster und Ausweisung der Jesuiten unter ausdrücklicher Ver-
wahrung, daß mit diesem Beschlüsse gegen keine Religion, welche
es auch sei, agitirt werden solle. Die Kölnischen Blätter bemerken
dazu:
„Die von mir Ihnen signalistrte sogenannte „Volksversamm-
lung", betreffend die „Klosterfrage", ist heute richtig in der Ton-
halle abgehallen worden. Dieselbe war von circa 2000 Personen
besucht und befaßte sich nach englischem Brauch mit „Resolviren".
Es wurden also Resolutionen angenommen für Abschaffung der
Klöster und Ausweisung der Jesuiten; dabei wurde nachdrücklich
Verwahrung eingelegt dagegen, als ob mit diesem Beschlüsse gegen
ichend eine Religion agitirt werden sollte. Die „Verwahrung"
war sehr nöthig! Der neueste „Kladderadatsch" enthält mit we-
nigen Ausnahmen nur Verspottungen der Moabiter Mönche und
des Klosterwesens. Damit soll natürlich auch „gegen keine Reli-
gion agitirt" werden. „Es muß auch solche Käuze geben!" Von
anderer Seite wird uns noch geschrieben: „Die von Demokraten
und Reformjuden zusammengetrommelte „Volksversammlung" stellt
der viel gerühmten Intelligenz unserer Metropole ein vernichten-
des testiinoniuiQ xaupertatiZ aus, da sie sich blindlings von ei-
nigen Agitatoren Resolutionen aufdrängen ließ, welche von dem
Geiste fanatischer Unduldsamkeit und von dem Gefühl der eigenen
Schwäche eingegeben sind.""
Berlin, 30. Aug. Die „Nordd. Allg. Zeitung." bestätigt,
daß mit der jüngsten Depesche Beust's der diplomatische Mei-
nungsaustausch mit dem österreichischen Cabinet seinen Abschluß
erreicht habe.
Oesterreich.
Krakarr, 29. Aug. Die Oberin des Carmeliterin-
nenklosters und deren Stellvertreterinsind inFolge
gerichtlichen Beschlüsse sauf freien Fuß gefetzt.
Ausland.
Paris, 30. Aug. Der Gesundheitszustand des Kaisers ist
mehr und mehr befriedigend. — Die Kaiserin und der Kaiser!. Prinz
sind in Ajaccio angekommen.
Rom, 18. Aug. Man berichtet folgende Aeußerung von
Pius IX., die er jüngst über die Tagespresse gethan: „Ich weiß,
daß Viele nicht meiner Ansicht sind, daß ich so häufig den ver-
schiedenen Redacteuren und Herausgebern von Journalen schreibe
und ihnen meine Anerkennung ausdrücke über das, was sie für
die Kirche thun. Doch deren Ansicht ändert die meine nicht. Ich
rechne das, was die kathol. Presse für die Kirche thut, hoch an
und werde es stets für die Erfüllung einer meiner Pflichten halten.
Denjenigen, die in der Tagespresse die Rechte der Kirche verthei-
digen, böswillige und lügenhafte Angriffe der Feinde der Kirche
zurückweisen, meine lebhafteste Anerkennung auszudrückrn. Wie
die gegnerische Presse großen Schaden verursacht, ebenso bringt
die kathol. Presse großen Nutzen hervor. Ich habe in dieser Bo
 
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