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Pfälzer Bote für Stadt und Land — 1869

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Nr. 115-127 (2. Oktober - 30. Oktober)
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501 —

den wir übrigens sonst nichts einzuwenden haben, ist nämlich zum
Vicekanzler des Oberhofgerichtes ernannt worden, obgleich er 10
Jahre jünger im Dienste ist als Roßhirt und in juristischer Be-
fähigung diesem nicht gleich kommt, der bekanntlich der feinste ju-
ristische Kopf in unserem obersten Gerichtshöfe ist und in der Re-
gel auch die schwierigsten Referate erhält. Wir dürfen natürlich
diese Zurücksetzung nicht in Verbindung mit der kirchlich politischen
Richtung des Herrn Roßhirt bringen, weil sonst der Großh. Staats-
anwalt mit dem freisinnigen Artikel 631a in der Hand uns eines
Besseren belehren könnte. Indessen bleiben die Gedanken zollfrei.
x Bruchsal, 24. Oct. Wo immer in der Welt etwas
gegen die Katholiken aufzustechen ist; die Kraichgauer Zeitung ver-
wertet es aus herkömlichcm Drange confessioneller Grobheit. So
hat jüngst ein hochbettelpreußischer Bayer seinem Zuhörerkreis den
Nebel vorgemacht, daß in jenen Bezirken, wo die Wahlen „schwarz"
ausgefallen, am meisten Verbrechen vorkommen, dagegen in jenen
die wenigsten, wo nationallrberal gewählt worden. Der bayerische
Preußenschwindel hat sogar eine eigene Karte entworfen, worin
die ganz uttramontanen Wahlbezirke pechschwarz, die halbfort-
schrittlichen grau und die ganz liberalen und bismärckischen weiß
hingestellt sind. Wie bemerkt, die Kr. Ztg. nimmt mit ausgezeich
netem Wohlgefallen hievon Notiz und theilt es in einer ihrer letz
teren Nummern mit, denn ein so herrliches Fündlein, daß kathol.
Bezirke lauter Mordthatenregionen seien, konnte die Kr. Ztg. un-
möglich in ihrem sittenreinen Herz länger verschlossen halten. Aber
o Unglück!
>)Ur nämlichen Zeit kommt in den neuesten Berliner Blättern
die Nachricht: „Die Zahl der Verbrechen nimmt in der Provinz
Preußen in so erschreckender Weise zu, daß die vorhandenen
Strafhäuser überfüllt sind und schleunigst an den Bau neuer ge
dacht werden muß? So die Nachricht aus der Heimath der In-
telligenz. Hoffentlich wird kein Preuße auf den Einfall kommen,
eine Karte ähnlich der bayerischen zu entwerfen, denn es müßte ja
eine ganze Provinz, wo keine Ultramontane und Schwarze wohnen,
pechschwarz angemalt werden.
Es thut uns unendlich leid, der Kr. Ztg. ihre losgelassene
Freude über ultramontane Verwilderung zu verderben; es schmerzt
uns in der Thal, aus unparteischer Quelle den Zuwachs der Ver-
brechen selbst da bestätigt zu finden, wo nach Ansicht liberaler
Bummler der herrlichste Tugendheerd angetroffen werden sollte.
Summa Summarum: auch die vom feinsten Cotelletpfaffen-
thum durchsäuerten Gegenden des Nordens lassen, wie Figura zeigt,
an Säuberlichkeit noch viel zu wünschen übrig, woraus folgt:
Fege jeder zuerst vor der eigenen Thüre, bevor er den Kehricht
vor anderen Häusern bemängeln will.
Ettlingen, 24. Oct. Unser Deputirter, Hr. Dekan Lender,
ist heute hierhergekommen, um mit seinen Wählern eine Bespre-
chung zu halten. Am Bahnhose holte ihn die Equipage des Hrn.
Fabrikanten Haug ab. Einige Wahlmänner von hier waren am
Bahnhofe erschienen, den Hrn. Abgeordneten zu begrüßen. In
dem geräumigen Saale des Gasthauses zum Engel harrte eine
große Anzahl Wahlmänner und Urwähler von hier und auch aus
verschiedenen Orten des Amtsbezirkes Ettlingen, wie auch aus dem
Amtsbezirk Nastatt seiner Ankunft. Bei dessen Eintritt erscholl
ein mehrhunderlstimmiges Hochrufen. Es gab sich ein allgemeines
Gefühl der Freude kund. Hr. Dekan Lender bezeichnete es in seiner
ersten Ansprache als eine Pflicht des Abgeordneten, in stetem Nap
port mit seinen Wählern zu sein.
Dann besprach er die bisherige Kammerthätigkeit der Abge-
ordneten der kathol. Volkspartei, deren Verhalten gegenüber den
bis jetzt vorgekommenen Angelegenheiten. In einer zweiten und
dritten Rede entwickelte Herr Dekan Lender seine und seiner Ge-
sinnungsgenossen Ansichten über die noch zu berathenden Gesetzes-
vorlagen bezüglich der inneren Verhälttnfse. Besonders eingehend
besprach er die Vorlage über Abänderung des Gemeindegesetzes,
das Verehelichungsgesetz, das Coiingentgesetz, das Gesetz über Ar-
menunterstützung und die Wtthschaflsrechte, die bürgerleche Standes-
beamtung und Zivilehe. In allen diesen Fragen zeigte sich unser
Abgeordneter als ein Kenner des praktischen Ledens, als ein Mann,
der unmittelbar mit dem Volke verkehrt, der dessen Verhältnisse
gründlich kennt, und mit dem Verständnisse der Volksmttresse em
warmes Gefühl für das Volk verbmdet. Aufgefordert, ihrerseits
Wünsche und Meinungen auszusprechen, erklärte sich die anwesen-
den Wahlmänuer uud Urwähler mrt den Anschauungen des Vertre-
ters des Bezirks vollkommen einverstanden. Diese Zustimmung
sand ihren Ausdruck in einem dreifachen Hoch auf unseren Depu
tirten. Verschiedene Ausführungen desselben, namentlich über Ge-
memdeverhällnisse, wareu der äußerst zahlreichen Veriammlung so
sehr aus der Seele gesprochen, daß der rauschende Beifall sich gar
nicht legen wollte. Zu frühe kam dre Stunde heran, die uns den
werthen Gast wieder entführte.
. Qffenburg, 25. Ocr. Diesen Nachmittag sind die bei-
den Mörder des Fabrikanten Mat hiß hier einqeliefert
worden.
/X Aus dem Amte Mosbach, 24. Okt. Schiller sagt:
„t^s rann der frommste Nicht rm Freden bleiben, wenn es dem

bösen Nachbar nicht gefällt." Und so ist es wirklich. Würden
die Spanner der liberalservilen Presse, besonders der sogenannten
Amtsverkündiger, neben dem bekannten Wohlwollen der Staats-
anwälte und der fast allgemeinen Straflosigkeit für ihre tagtäg-
lichen Angriffe und Schmähungen gegen die kathol. Kirche, ihre
Institutionen u. Priester noch besonders gut prämiirt werden, so könn-
ten sie ihr ehrloses und darum verächtliches Benehmen nicht eifri-
ger und frecher treiben. Sie sind noch unter die Sorte der ge-
meinen Pasquillanten herabgesunken, schreiben gegen anerkannt
achtungswürdige Männer die rohesten Schmähungen und Kränkun-
gen in die Welt hinaus, unbekümmert darum, ob etwas oder was
daran wahr ist, ganz nach der ihrer würdigen unsittlichen Parole:
nur keck verläumdet, etwas bleibt immer hängen."
So wurde unlängst der ruhige kathol. Pfarrer von Oberscheff-
lenz in Nr. 107 des „Odenwälder Boten" von so einem bös-
müchigen Nachbar in seinem Frieden gestört durch einen Artikel,
der an Rohheit und boshafter Schadenlust seines Gleichen sucht.
Es wurde ihm eine Aeußerung Schuld gegeben, wodurch, wäre sie
wahr gewesen, die protestantischen Einwohner mit Recht sich hätten
verletzt fühlen und dadurch seine Stellung in der paritätischen
Gemeinde mißlich, vielleicht unmöglich hätte werden können. Ob-
schon eas Bürgermeisteramt Oberschefflenz die gänzliche Unschuld
des Pfarrers und die anderweitige Quelle der vorwürfigen, übri-
gens in guter Meinung gethanen Aeußerung durch eine Berichti-
gung im „Odenwälder Boten" evident nachwies, so suchte der
Arttkelmacher in einem weiteren Artikel in Nr. 113 desselben
Blattes durch spitzfindige Verdrehung des Sachverhaltes dennoch
die Schuld auf dem Pfarrer haften zu lassen. Der schulgelehrte
Mann hat sogar Bibelstellen citirt, um die weiteren persönlichen
Schmähungen und Kränkungen seines Artikels in Nr. 107 durch-
schlagender zu machen. Der Teufel hat unferm Heilande gegen-
über auch Bibelstellen citirt, aber damit nichts ausgerichtet. Aehn-
lich unser Artikelmacher. Er hat an Hrn. Dr. Schulz einen Exe-
gesen gefunden, mit dem er zufrieden fein wird. Pfarrer von
Oberschefflenz mußte nämlich gegen den (Buchdrucker) Redakteur
des „Odenwälder Boten", Casper Müller von Mosbach, unumgäng-
lich Klage erheben. Hr. Dr. Schulz von Heidelberg, der überall
das unterdrückte Recht ohne confessionelle Voreingenommenheit ver-
theidigt, hat diese Klage bereitwillig übernommen und mit ge-
wohnter Meisterschaft und vollständigem Erfolg durchgeführt. Die
Verhandlung fand statt am 2. Oktober l. I. vor dem Schöffen-
gericht in Mosbach. Vertheidiger des Angeklagten war Herr An-
wald Seltner von dort. Dieser behauptete, daß der incriminirte
Artikel nicht gegen die Person des Pfarrers, sondern gegen die
ultramontane Partei überhaupt gerichtet sei (daher dieser kem
Klagerecht habe), und sprach nun weitschweifig über diese Partei
und ihre Bestrebungen, über den Papst, die Bischöfe und Geistliche
als deren unbedingt gehorsamen Diener; sogar der Syllabus mußte
herhallen. Das ist die Taktik der Katholiken- und Kirchenfeinde
semitischer und anderer Herkunft, die ja den Standpunkt des Katho-
licismus niemals würdigen können. Statt gründlich zu beweisen
(was freilich meist unmöglich ist) schweifen sie von der Hauptsache
ab, schwätzen von Allem und Jedem, nur nicht von dem, was zur
Sache gehört, greifen die Autorität der Kirche an, Hetzen die
Gläubigen gegen sie auf und ziehen alle Lehren und Gesetze der-
selben in den Staub. Hr. Dr. Schulz aber, der schon bei
der Klagbegründung mit drastischen Zügen das traurige Bild
unserer servilen Presse und inneren Verhältnisse wahr ge-
zeichnet hatte, ließ sich auf diese ungehörigen Abschweifungen nicht
ein, sondern wies an dem incrimirten Artikel selbst mit logischer
Schärfe grammatikalisch nach, daß die darin enthaltenen boshaften
Verläumdungen nur der Person des Pfarrers von Oberschefflenz
(und noch eines ausdrücklich genannten Geistlichen von L.) gelten
können, und schloß mit der zutreffenden Bemerkung, daß der Ver-
fasser eben hätte besser schreiben müssen, wenn er etwa anders
gemeint habe. Das Gericht trat dieser Ansicht bei und verur-
theilte den Redakteur des „Odenwälder Bolen", Caspar Müller in
Berücksichtigung der aufgeregten Zeit zwar nicht zur Arrest —
wohl aber zur Geldstrafe von 25 fl. und in alle Kosten. Jene
25 fl. ließ Pfarrer von Oberschefflenz der mühsam geretteten kath.
Schule zu Mittelschifflenz zuweisen. Redakteur Caspar Müller
aber kann sich seine nicht unbedeutenden Kosten von seinem Ar-
nkelmacher, wenn derselbe dazu nicht zu filzig oder unbillig ist,
wieder vergüten lassen.
Ehre dem Gerichte, das sein Uriheil nicht durch hohle Phra-
sen und Schlagwörtergerappel beeinflussen ließ; aber ganz beson-
ders Ehre dem Hrn. Anwalt Dr. Schulz, der, obgleich Protestant,
yochsinnig genug ist, in unserer charakterlosen und rechtsverwirrten
Zeit sich eines genußhandelten katholischen Geistlichen thatkräftig
anzunehmen.
-s- Krautheim. Herbstbericht. Am 19. d. M. begann die
hiesige Weinlese. Das Herbstergebniß ist ein sehr befriedigendes.
Bei einer reichlichen Quantität wurde eine sehr gute Qualität er-
zielt. Dec Most wiegt bis 78 Grad nach der Oechsel'fchen Wage.
Käufe wurden noch wenige abgeschlossen.
si Von der Tauber. Ein halbes Jahr ist über die Treu-
 
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