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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 3.1892

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Koch, P.: Moderne Eisenbahn-Ausstattungen
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W.: Pariser Briefe, [2]: Kunstsinn in Frankreich - französische und englische Museen - Schätze des Museé des arts décoratifs in Paris
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Die Beziehungen der Antiquitätenliebhaberei zum modernen Kunstgewerbe, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6760#0107

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Teile 80.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Inncn-Dekoration.

Mai-Heft.

und Badekabineten, Räumlichkeiten für die diensthabenden Hof-
damen und Uammerherren und Gelassen für die Kammerdiener
und Kammerzofen;

3. Gemächer für die Großfürsten und Adjutanten, Erzieher rc.;

q. „ „ „ Großfürstinnen und dergl.;

5. Speisesaal, Theesalon, Frühstücksgemach undKabinete fürService;

6. Küchenwagen mit Roch- und Theeküche, Büffetraum, Speise-
und Vorrathskammern;

7. Abtheile für das kaiserliche Gefolge nebst Dienerschaft, Gar-
derobebehälter rc.;

8. Ministerialwaggon mit Ranzleieinrichtungen;

st. Ministerialbeamtenabtheile und Hofbeamtengemächer;

fO. Wagen für die kaiserliche Dienerschaft;

ff. Gepäckwagen;

f2. Werkstattwagen mit Schmiede-, Lackierer-, Schreiner- und Ma-
terialiengelaß, Gelassen für Verwalter und Handwerker.

Zn sämmtlichen Waggons ist Zentralheizung; Rerzen- und Gas-
beleuchtung, die umfassendsten Ventilationseinrichtungen, Wasserbehälter
und insbesondere alle diejenigen Sicherheitsvorkehrungen in und außer-
halb der Wagen, die durch die Transportgelegenheit geboten sind, ver-
vollständigen die Ausstattung. Die Plattformen vor den Gemächern
sind mit Glasvorbauten versehen und die anstoßenden Laufbrücken zur
Verbindung zweier Wagen sind so eingerichtet, daß Gefahr und Un-
bequemlichkeit beim Uebergang der hohen Reisenden ausgeschlossen ist
und auch während der Fahrt jederzeit nach den einzelnen Gemächern
statthaben kann.

Eine mit den allgemeinen Dispositionen und Einrichtungen des
Salonwagens für Se. Kgl. Hoheit den Großherzog von Oldenburg ver-
wandte Waggonausstattung ist diejenige für den japanesischen Raiser.
Es ist gewiß ein erfreuliches Zeichen, daß deutsche Runst und deutsche
Industrie selbst in eisenbahntechnischen Beziehungen und Einrichtungen
nach überseeischen Ländern Eingang findet. Eine spätere Publikation
bleibt eventuell Vorbehalten.

Wie schon oben bemerkt, bleiben diese verschiedenartigen technischen
und künstlerischen Erzeugnisse nicht ohne Einfluß auf den gewöhnlichen
Waggonbau und hat bereits außer einigen anderen insbesondere die
Eisenbahndirektion Frankfurt a. RR der preußischen Staatsbahnverwal-
tung, wie aus Abbildung 33st ersichtlich, bei Ausstattung von den
drei Rlassenabtheilen eine recht erfreuliche bahnbrechende Umgestaltung
der jetzt schon oft mit bedeutenden Mitteln bewerkstelligten Innenein-
richtungen der herkömmlichen Normalwagen vorgenommen. Zeigen
schon die konstruktiven Theile der Wagen eine völlige Umgestaltung
hinsichtlich zwecks leichteren, geräuschloseren und bequemeren Fahrens,
sicherer Beförderung der Reisenden rc., so hat die Innendekoration einen
noch größeren Wechsel erfahren. Alle Rlassenabtheile sind einer Um-
gestaltung hinsichtlich ihrer Ausstattung unterzogen worden.

Die neuen Wagen I. und II. Rlasse zeigen Nußbaummobilien,
Thüren rc., alle Beschläge an Thüren, Sitzplätzen, Fensterumrahmungen,
Ronstruktionstheilen, Ventilations- und Beleuchtungskörpern find in ver-
goldeter Bronze hergestellt. Sitz- und Wandbekleidung bis Fensterbrüstung
sind in blaugrünlichem bezw. bräunlichem gepreßtein Wellplüsch, die
obere Wandbekleidung in dazu gestimmtem Seidenstoff ausgesührt. Die
Decken zeigen in Del gemalte Luftparthien. An den Köpfenden der
Sitzplätze sind unter Politur ausgesührte ornamentale Malereien auf
Vogelaugenahornsournier angeordnet. Die Sitzeinrichtung ist mit Mittel-
gang bewerkstelligt, damit ein bequemer Verkehr der Reisenden unter
sich stattfinden kann. In I. Rlasse befinden sich pro Abtheil 6, in II.
und III. Rlasse 8 Sitzplätze. Besonderer Fleiß war auf die möglichste
Bequemlichkeit der Reisenden gelegt. Der sich streng dem Bahnprofil
anschließende Oberbau hat jede Möglichkeit ausgenützt, die eine vor-
theilhafte Verwerthung des gewonnenen Raumes zuläßt. Mit Gegen-
gewichten versehene, große Fenster, vor denen je ein Rlapptischchen an-
gebracht ist, gestatten einen freien Rinblick. Die Scheiben sind mit
Randornamenten geziert. Vorhänge sind im Stoff und der Farbe der
oberen Wandverkleidung ausgesührt.

Der Versuch hat schon weitere Beachtung gefunden und zeigen die
Ausführungen der oben erwähnten Wagen, daß die Schöpfer derselben,
die Herren Van der Zypen A Eharlier, Röln-Deutz, eine große
Errungenschaft aus denn Gebiete des Waggonbaues erzielt haben. Hohe !

Anerkennungen wurden der thatkrästigen Firma auch Seitens höchster
Herrschaften, gelegentlich der Fertigstellung der oben erwähnten Wagen,
zu Theil. Möge sie die beschrittene Bahn verfolgen, weitere Erfolge
erzielen und ihr, wie dem Hand in Hand gehenden Künstler, diejenigen
Aufträge zukommen, die den Scharfsinn des Konstrukteurs und die
künstlerische Fantasie des Architekten herausfordern.

Pariser Briese.

(Schluß von S-eite 77.)

In allen den Zimmern sind auch die betreffenden Kamine nachgebildet, jeder inr
Stil zu den Dekorationen des Ganzen passend, die Feuerböcke sind hier Löwen oder
Fabelthiere. Zum Schluß sei noch zweier Stücke gedacht, die sich durch Schönheit
und Größe auszeichnen. Das eine ist ein Tafelaufsatz von gegeu drei Fuß Breite
und Höhe. vier Frauengestalten von ganz besonders lieblichem Gesichtsausdruck
lehnen halb liegend an einen Schaft und halten mit den Händen eine große Schale
empor, vier kleinere Schalen befinden sich in halber Höhe und werden je von
zwei kleinen Genien getragen, um das Ganze schlingen sich Blumengewinde. Das
zweite Stück ist ein Kirchenpult (Notenpult) in Holz geschnitzt von wohl 6 Fuß
Höhe. Die drei (süße desselben enden in Löwenklanen, das doppelseitige Pult selbst
ist durch einen riesigen Adler mit ausgebreiteten Flügeln gebildet, der vorn an dev
Brust uud hinten auf den Flügeln je ein Gestell trägt. Ich fürchte, die Beschrei-
bung hat von all den genannten Dingen im Ganzen doch nur ein recht schwaches
Bild gegeben, es ist ja so schwer mit Worten zu malen, vielleicht ist es mir bald
einmal vergönnt, an der Hand von Zeichnungen einen nach dem andern der Säle
zu durchwandern und so all das Schöne, das sich daselbst vorfindet, nach besten
Kräften vor Ihren Lesern erstehen zu lassen. ——

der MntiquiMen-
liebhaberei zum modernen Kunstgewerbe.

(Fortsetzung aus dem April-Heft.)

Nehmen wir einen anderen erleuchteten Kunstfreund des Iahrh., den Erz-
herzog Leopold Wilhelm in den Niederlanden, welcher durch seine große Sammlung
alter Bilder die Grundlage unserer kaiserlichen Galerie geschaffen hat. Er sammelte
allerdings Bilder von längstverstorbenen Meistern, aber derselbe Fürst beschäftigte
gleichzeitig seinen Lieblingsmaler Teniers und war nicht blind für den Werth dev
modernen Thätigkeit neben der Pietät für das vergangene.

Dem gegenüber hat sich in unseren Zeiten ein verschiedener Zustand der Sache
herausgebildet, wir wissen Alle, meine Herren, auf welche weise das stagnirte
uni» fast zu Grunde gegangene Kunstgewerbe in unseren Tagen wieder gesund,
kräftig und stolz aufblühte. Seit der Josephinischen Aera, oder wenigstens seit dem
Absterben des Empirestils, hatten wir eine wüste vor uns, eine wüste der Ge-
schmacklosigkeit, der Rathlosigkeit, der Modethorheit, der Sinn- und Stillosigkeit, als
zu Ende der fünfziger und zu Anfang der sechziger Jahre, wie wir ja Alle mit-
erlebt haben, eine Aenderung eintrat. Auf welchem Wege wurde sie eingeleitet?
Auf dem Wege der Lrkenntniß, daß dieser nicht mehr zu ertragenden Geschmack-
losigkeit, daß dem Niedergange des Gewerbes nur aufzuhelfen sei durch das feste
Sichanklammeru an das Alte, durch das Studium der edlen Formen vergangener
Kunstgewerbeprodukte. Um das zu können, mußte man diese Gegenstände sammeln,
vor Augen führen, benützen und studiren. Man hatte sich wenig um sie gekümmert;
außer dem, was in alten Sammlungen seit jeher da war, fand nichts Beachtung
und beim Trödler kollerte dieses Zeug, das zu Pappenstielpreisen zu haben war, herum.

Nun wurden das Werthgegenstände. Es wurden Museen angelegt, Muster-
sammlungen, die diesen Zweck zu besorgen hatten, um Künstler und Kunstgewerbe-
treibende anzulocken durch den Reiz und die Schönheit der Werke der Vergangenheit,
um neuen Gebilden einen edleren Geist einzuflößen. Dabei hätte es vielleicht sein
Bewenden haben sollen; es hat sich aber vielfach anders gedreht. Der Lehrer —
ich meine hier das antike Beispiel — trat nicht ab, nachdem er die Schüler groß-
gezogen hatte, sondern in gewissen Kreisen hat man diesen alten Lehrer dem Schüler
vorgezogen in einer weise, daß das junge Reis darunter fast erdrückt wurde. Man
fing an zu sammeln, nicht blos um Vorbilder für die Kunst und das Kunstgewerbe
zu haben, sondern um der Antiquitäten selber willen; das Sammeln wurde Selbst-
zweck, es wurde in ein sportmäßiges Kleid verhüllt, es wurde ein Vergnügen des
Dilettantismus, es wurde auf eine Stufe gestellt, wie das Briefmarkensammeln,
dessen Werth ich übrigens nicht leugnen will. Es ist diese Thätigkeit in Kreisen
wahrzunehmen, deren Unberufenheit klar zu Tage liegt, und so wie jedes Uebel so
vielfach komische Seiten darbietet, ist diese moderne Krankheit, die Sammelsucht,
daran reich, wir wissen, heute sammelt Alles Antiquitäten, wenn die Familie
auf das Land oder ins Gebirge geht, .kommt der Sohn oder die Tochter mit ein
Paar alten Gläsern, Zinngefäßen, und diese Dinge werden in den Schatz des
Nauses gestellt. Ebenso wie die kleinen Buben schöne Schmetterlinge bringen, wird
nach Schüsseln, alten Stoffen usw. Jagd gemacht. Dieses Sammeln ist es, wo-
gegen man mit Berechtigung, allerdings ohne Erfolg, zu kämpfen gesonnen sein
kann. Dieses planlose, verständnißlose, zwecklose Sammeln bringt der Schäden gar
viele mit sich. In erster Linie ist der Schaden sehr groß, den diese Thorheit auf
wissenschaftlichem Gebiete anrichtet, wie wird denn da gesammelt? Irgend ein
vornehmer Herr, der zum Zwecke der Ausstattung eines neugekauften Schlosses im
Gebirge herumreist, kommt zum Pfarrer und anderen Leuten, die alte Sachen haben,
kanft diese zusammen und bringt sie ins Schloß. Die alten Sachen werden zerlegt
und die verschiedensten Dinge daraus gemacht; aus einem alten Betstuhl eine
Tredenz, aus einem schmiedeeisernen Grabkreuz eine Jardiniere oder ein Wasch-
beckenständer, aus einem Altarbehang ein Baldachinbett usw. (Fortsetzung folgt.)
 
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