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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 5.1894

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Statsmann, Karl: Plauderei über Kunstschmiede-Arbeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.11721#0239

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Dezember-Heft.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Seite s83.

scheiden sich unterordnenden Blatt bis zum verwegenen, verwegensten
krausen, gebauchten, gerollten, verzückten und weichlichen barocken
und ultrabarocken Laubwerk. Zn der launenfrohen Zeit des Rokoko
war dann das so geschmeidige Lisenmaterial in seinem „Element."
Da konnte es üppig ranken, tollen, Blüthen treiben und band
sich ebensowenig an natürliche Wachsthumsformen als in ihm
selbst Wachsthumsrichtungen ausgesprochen sind (wenn man die
faserige Struktur nicht als solche bezeichnen will im Gegensatz
zur körnigen), in welcher Eigenschaft es ja auch die Holzstruktur
überholt. Das Eisen fügt sich jeder Regel, jeder Willkür. Mit
Eleganz folgt der geschmiedete Eisenstab in der Linie runden wie
eckigen Formen: die antike (im Romanischen und in der Renaissance
sich wiederholende) Schnecke, die regelmäßige wie die zusammen-
gequetschte, die rundlich fortlaufende und ebenso sich übersetzende
wie die eckig unterbrochene usw. — all diese Linienspiele begleitet
das Eisen und sie alle sind für
das bildsame Material karakte-
ristisch. So gut also die künst-
lerische Behandlung eines
Ornamentes auf irgend einen
Stil, etwa auf deutsche Re-
naissance oder Rokoko schließen
läßt, ebensowohl vermag eine
Eisenschmiedekunst - Arbeit im
Stile irgend einer Zeit zu er-
scheinen, da das Eisen sowohl
Ronstruktions- und Befestig-
ungsmaterial wie Zierform
darzustellen im Stande ist.

Man möchte nur wün-
schen, daß auch alle Eigen-
schaften, welche dem Eisen
inne wohnen, thunlichst aus-
genützt würden, zu seiner for-
malen Verwendung. Geschieht
dies in Erkenntniß und Aus-
nutzung der Struktur des Eisens,
dann wird der gewählte Stil
ein vollendeter sein. Gelingt
es, eine neue struktive Verwen-
dung, wie sie durch die Mannes-
mannröhren ermöglicht wor-
den, zu finden; oder durch die
Mannstädt'schen Walzeisen,
dann findet sich auch eine neue
Runstform, ein neuer Stil. Es
ist nun bezeichnend, daß die
Art eines Materials gerade durch den Ausdruck seiner Runstform
deutlich zur Erscheinung kommt, ebenso wie ein Rarakter durch
Handlungen, Thaten. Dann ist es nicht einerlei, ob die Zier-
formen gefällig oder nichtssagend sind. Und gerade hierin ist
Vieles zu bessern.

Wie entsetzlich öde sehen doch vielfach noch unsere Gitter-
werke aus! Diese Gartenhaage, Thore, Verkreuzungen. Stets
dieselbe schwarze oder graue, selten rothe oder grüne Tunke des
Bestrichs! Zur langweiligen Romposition, dem hundertfach oft
sich wiederholenden einfachen Muster noch die alles gleichmäßig
übertönende Farbe I Eine wahrhaft erstaunliche und sträfliche Ge-
dankenlosigkeit der Herren Rünstler, die damit genug haben, wenn
das Runstwerk im Entwürfe aus dem Hause und das Honorar
dafür bezahlt ist, die so wenig weitsichtig und in rechter Art
interessirt sind, daß sie sich um das Schicksal des Eisenzeuges
weiter nicht bekümmern, dasselbe einsetzen und „anschmieren"
lassen — natürlich von einem Lehrling. Und was soll man vom
Publikum sagen? Es läßt sich einfach dies Anschmieren gefallen.

So weit sind wir nun im Runstgeschmack, im ssi. Jahrhundert,
in dem man mit so viel feinem Gefühl und Runftverstand aus-
ruft: Die Rünste blühen.

Zm Leben die Abneigung vor der nivellirenden „Egalits"
— in der Runst hier und oft eine an mehr als Gedankenlosigkeit
grenzende Gleichheitssucht, welche einer Zndividualisirung nicht
nur ausweicht, sondern solche gar nicht beabsichtigt und liebt.
Manche solcher Nivellirungsprodukte sind wahrhaft einschläfernd
in ihrer Langweile; aber man hält ja letztere für nothwendige
Ergänzung unseres bewegten Rulturlebens. Nur schade, daß dem
festen Schlaf kein entsprechend kräftiges Aufwachen und Handeln
nachfolgt I Ueber den Stumpfsinn, mit dem in der Runst und
den Nachbargebieten, die auch das Menschenherz miterheben
sollen, vielfach gearbeitet wird und wobei „die gerade Linie",
meist die Richtung anzugeben berufen ist, hat sich kürzlich unser

beliebter Humorist Oberländer
sehr ernsthaft und eifernd ge-
äußert. (Vgl. deutsche Bau-
zeitung Nr. 53 d. Zs.) And
wir sagen dazu: Die gerade
Linie, an welche auch „der
Zopf" erinnert, ist geradezu
der Gegensatz zur menschlichen
Natur. Gelänge es je, die
Menschen so zu nivelliren, daß
sie in einer geistigen und see-
lischen Paradestellung stünden
— ich glaube, unser Herrgott
hätte keine sonderliche Freude
an ihnen und das Regieren
über uns würde ihm herzlich
langweilig werden. Zede Men-
schennatur soll und will sich
entwickeln, wie es ihr paßt
und entspricht, so wie sich jeder
Baum anders entwickelt, wie-
wohl die Saatkerne sich alle
gleich sehen.

Was hat aber all das
mit dem Stil von Runstschmiede-
Arbeiten zu thun?

Ei, wie nahe liegt doch
Menschenart und Schmiede-
kunst I Zeder von uns, sagt
man, ist seines Glückes Schmied
selber. Es kommt aber nicht
daraus an, daß man überhaupt
schmiedet, daß man arbeitet, sondern wie man arbeitet, und
dabei wieder, ob man mit dem Sinn allein, oder mit der Seele,
mit dem Herzen arbeitet.

And dies Arbeiten fehlt so oft und so kommt es, daß uns
Runstwerke so fremd, unverständlich, gleichgültig bleiben. Es
fehlt ihnen auch das Volksthümliche. Nun Beispiele. Zst es
nicht höchst gedankenlos, wenn man ein Gitterwerk als Runst-
schmiedearbeit mit einer und derselben Farbe anstreicht, Stäbe,
Ranken, Blüthen, Bänder rc. und dazu noch als Eisenzeug schwarz
oder weißgrau (!)? Versuche man doch jedem Theil eine, wenn
auch nicht scharf markirte, Farbe zu geben! Das kostet mehr,
meine Herren Reichen, aber es ist richtig! Es ist auch gefällig.
Zhr würdet es doch auch unschön und unpassend finden, wenn
man Alles, was nur in euren Wohnräumen ist, vom Napf bis
zu den Schränken, Wänden, Böden mit ein und derselben Farb-
sauce bestriche! Zedes Ding, saget Zhr, nach seiner Art! Gut,
sehe man also daraus, daß jedes Ding ein Rleid erhalte, das
seiner Statur, seinem Wesen auch paßt.
 
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