Boccaccio II Decamerone, Londra 1757
Max Perl, Berlin
ScbiüetEecifcbe Kunffcbt’onik.
Die Qenfet’ „Düpet’sjvfimatut’en“-
Universitätsdozent Dr. R. Nicolas in Bern schreibt uns;
Die Frage der Echtheit der in Genf entdeckten Dürer-
Miniaturen, von denen im Juli-Doppelheft und im ersten August-
heft des „Kunst wanderers“*) eingehend gesprochen wurde,
hat schon so viel Tinte fließen lassen, daß ich zuerst um Ent-
schuldigung bitte, noch einmal darauf zurückzukommen. In
mehreren Aufsätzen, die in der „Bibliofilia“ demnächst erscheinen
werden, bringen die Verteidiger der Echtheit ihre hauptsächlichen
Argumente, denen vorzugreifen nicht in meiner Absicht liegt: hier
möchte ich nur auf die befremdende Tatsache aufmerksam machen,
daß alle Gegner der Autorschaft Dürers ihre Ausführungen mit
dem Zugeständnis beginnen, sie hätten das Original nicht ge-
sehen. Trotzdem führen sie ihren Feldzug mit einer Vehemenz,
die an Leidenschaftlichkeit grenzt! Mir scheint, daß diese Art,
ein wissenschaftliches Problem zu lösen, der Tätigkeit derjenigen
gleicht, die den ganzen Tag leeres Stroh dreschen und sich dann
wundern, auf der Tenne kein einziges Korn Getreide zu finden.
Man sollte doch zu einer Frage dieser Wichtigkeit mehr Ernst
verwenden und mindestens sich die Mühe geben, das bestrittene
Objekt in Augenschein zu nehmen!
Keiner der Verteidiger behauptet übrigens, es handele sich
hier um ein Meisterwerk allerersten Ranges: vielmehr sieht man
darin nur eine Nebenarbeit des Nürnberger Künstlers. Daß alle
Künstler derartige Nebenarbeiten ausgeführt haben und noch
ausführen, ist wohl eine Tatsache, die keines Beweises bedarf;
ebenfalls, daß nicht alle Werke eines Meisters Meisterwerke sind.
Darum bleibt man fortwährend außerhalb der Frage, wenn man
anläßlich dieser Miniaturen vom „Dürerschen Geist“ (als ob man
ihn in der Tasche hätte!) und von der „Dürerschen Handschrift“
spricht. Ich kenne eine ganze Masse Goethescher Gelegenheits-
gedichte, die vom großen Geist des Olympiers gar keine Spur
zeigen: und wie würde man die Literarhistoriker auslachen, die
*) Vergleiche den Artikel „Dürer als Miniaturist?“ von Jakob
Rudolf W e 11 i (Zürich).
die Echtheit eines solchen Gedichts bezweifeln würden, weil un-
gefähr um dieselbe Zeit Goethe „An den Mond“ oder „Des
Wanderers Nachtlied“ schrieb.
Bevor er über die Frage der Autorschaft Dürers entscheidet,
hat der ernste Kunsthistoriker die Pflicht, eine strenge, mit fast
juristischen Spitzfindigkeiten geleitete Untersuchung zu führen,
alle möglichen Elemente des Vergleichs zu sammeln und zu
prüfen, und — not for last — das „Corpus delicti“ selbst sorg-
fältig zu studieren. Dr. R. N i c o 1 a s.
*
Neben dieser Zuschrift des Berner Kunsthistorikers Dr. Nicolas
geht uns zu dem im „Kunstwanderer“ veröffentlichten Artikel
Weltis ein längeres Manuskript des Herausgebers der Bibliofilia
Leo S. Olschki aus Saltino-Vallombrosa zu, das wir des knappen
Raumes halber nicht veröffentlichen können. Es sei nur kurz
bemerkt, daß Olschki das Hauptgewicht auf die Feststellung legt,
daß die Gegner des „Genfer Dürer“ die „Vaterschaft“ des Künstlers
„ablehnen, ohne die Originale gesehen zu haben; im günstigsten
Falle stützen sie sich auf die Abbildungen in den Pages d’Art,
die weit davon entfernt sind, von den farbigen Illustrationen
eine richtige Vorstellung zu geben; selbst die ln Farben aus-
geführte Tafel liefert kein richtiges Bild von dem Original“.
*
* *
Die Kunsthandlung Gutekunst-Klipstein in Bern
stellt zum Gedächtnisse Anders Zorns das graphische Werk
des kürzlich verstorbenen schwedischen Meisters aus.
*
Genf. Im Athenäum stellt Horace de Saussure,
ein Glied des an Forschern auf dem Gebiet der Natur- und
Geisteswissenschaften so reichen Genfer Geschlechtes, Bildnisse
und Landschaften. Ein Künstler von reicher und reifer Erfahrung.
Ein Meister der Verbindung von Stil und Stimmung. Ein Architekt
und Impressionist. (Raum: „Athenäum“). W.
*
In der Galerie Bernheim Jeune&Cie. in Zürich
stellen im September aus: J. von Tochamer, W. Fenz, W. Gimmi.
tondonec Kun{!fd)aiu
Für Deutschland, wo der Name Quaker und Gesell-
schaft der Freunde eine ganz andere Bedeutung als früher er-
halten, dürfte es von zeitgemäßem Interesse sein, zu hören, daß
das Tagebuch des Gründers der Gesellschaft George Fox (1624
bis 1691), in der Handschrift seines Schwiegersohnes Thomas
Lower, dem er es diktierte, bei Sotheby’s versteigert worden ist.
Die drei Bände gingen an Annan um £ 1750, während das Jour-
nal in der Handschrift eines Deckoffiziers der dritten und letzten
Weltreise Kapitain Cook’s, 1776/80 (128 Quartseiten), von H. Ste-
vensum £ 490 erworben wurde.
Das „Print Room“ des Britischen Museums ist
jetzt wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Man
sieht eine Ausstellung orientalischer und europäischer Kunst.
Unter den vielen Neueiwerbungen befindet sich eine Zeichnung
Von Dürer (Kämpfende Ritter), die für die älteste Zeichnung
des Meisters gehalten wird, die man kennt. — Ferner sind Blätter
von David, Degas, Corot, Rodin und modernen Engländern aus-
gestellt. Die chinesische Abteilung weist auch viel neues auf;
ein Kabinettstück ist eine Malerei, weißer Reiher und Lotosblumen,
aus der Zeit der Sung-Dynastie, und eine Wiedergabe der Legende
der Dame mit dem Bären, die sich auch in dem Werke des Ku
K’ai-Chich vorfindet und aus demselben Zeitalter stammt. Die
vollkommenste Übersicht der Werke der Tang-Dynastie erhalten
wir aus den ausgestellten Malereien, die von Sir Aurel Stein zu
Tung-Huang im äußersten Westen Chinas entdeckt wurden und
die jetzt im Britischen Museum ihr Heim haben. Da China selbst
nur noch recht wenig Beispiele der Tang-Malerei besitzt, so hat
diese Serie einen ungeheuren Wert.
Carl Brack & Keller, G. m. b. H., Berlin W. 9
Kleine gewählte Collection alter u. moderner Meister
Ankauf C Angebote erbeten □ Verkauf
16
Max Perl, Berlin
ScbiüetEecifcbe Kunffcbt’onik.
Die Qenfet’ „Düpet’sjvfimatut’en“-
Universitätsdozent Dr. R. Nicolas in Bern schreibt uns;
Die Frage der Echtheit der in Genf entdeckten Dürer-
Miniaturen, von denen im Juli-Doppelheft und im ersten August-
heft des „Kunst wanderers“*) eingehend gesprochen wurde,
hat schon so viel Tinte fließen lassen, daß ich zuerst um Ent-
schuldigung bitte, noch einmal darauf zurückzukommen. In
mehreren Aufsätzen, die in der „Bibliofilia“ demnächst erscheinen
werden, bringen die Verteidiger der Echtheit ihre hauptsächlichen
Argumente, denen vorzugreifen nicht in meiner Absicht liegt: hier
möchte ich nur auf die befremdende Tatsache aufmerksam machen,
daß alle Gegner der Autorschaft Dürers ihre Ausführungen mit
dem Zugeständnis beginnen, sie hätten das Original nicht ge-
sehen. Trotzdem führen sie ihren Feldzug mit einer Vehemenz,
die an Leidenschaftlichkeit grenzt! Mir scheint, daß diese Art,
ein wissenschaftliches Problem zu lösen, der Tätigkeit derjenigen
gleicht, die den ganzen Tag leeres Stroh dreschen und sich dann
wundern, auf der Tenne kein einziges Korn Getreide zu finden.
Man sollte doch zu einer Frage dieser Wichtigkeit mehr Ernst
verwenden und mindestens sich die Mühe geben, das bestrittene
Objekt in Augenschein zu nehmen!
Keiner der Verteidiger behauptet übrigens, es handele sich
hier um ein Meisterwerk allerersten Ranges: vielmehr sieht man
darin nur eine Nebenarbeit des Nürnberger Künstlers. Daß alle
Künstler derartige Nebenarbeiten ausgeführt haben und noch
ausführen, ist wohl eine Tatsache, die keines Beweises bedarf;
ebenfalls, daß nicht alle Werke eines Meisters Meisterwerke sind.
Darum bleibt man fortwährend außerhalb der Frage, wenn man
anläßlich dieser Miniaturen vom „Dürerschen Geist“ (als ob man
ihn in der Tasche hätte!) und von der „Dürerschen Handschrift“
spricht. Ich kenne eine ganze Masse Goethescher Gelegenheits-
gedichte, die vom großen Geist des Olympiers gar keine Spur
zeigen: und wie würde man die Literarhistoriker auslachen, die
*) Vergleiche den Artikel „Dürer als Miniaturist?“ von Jakob
Rudolf W e 11 i (Zürich).
die Echtheit eines solchen Gedichts bezweifeln würden, weil un-
gefähr um dieselbe Zeit Goethe „An den Mond“ oder „Des
Wanderers Nachtlied“ schrieb.
Bevor er über die Frage der Autorschaft Dürers entscheidet,
hat der ernste Kunsthistoriker die Pflicht, eine strenge, mit fast
juristischen Spitzfindigkeiten geleitete Untersuchung zu führen,
alle möglichen Elemente des Vergleichs zu sammeln und zu
prüfen, und — not for last — das „Corpus delicti“ selbst sorg-
fältig zu studieren. Dr. R. N i c o 1 a s.
*
Neben dieser Zuschrift des Berner Kunsthistorikers Dr. Nicolas
geht uns zu dem im „Kunstwanderer“ veröffentlichten Artikel
Weltis ein längeres Manuskript des Herausgebers der Bibliofilia
Leo S. Olschki aus Saltino-Vallombrosa zu, das wir des knappen
Raumes halber nicht veröffentlichen können. Es sei nur kurz
bemerkt, daß Olschki das Hauptgewicht auf die Feststellung legt,
daß die Gegner des „Genfer Dürer“ die „Vaterschaft“ des Künstlers
„ablehnen, ohne die Originale gesehen zu haben; im günstigsten
Falle stützen sie sich auf die Abbildungen in den Pages d’Art,
die weit davon entfernt sind, von den farbigen Illustrationen
eine richtige Vorstellung zu geben; selbst die ln Farben aus-
geführte Tafel liefert kein richtiges Bild von dem Original“.
*
* *
Die Kunsthandlung Gutekunst-Klipstein in Bern
stellt zum Gedächtnisse Anders Zorns das graphische Werk
des kürzlich verstorbenen schwedischen Meisters aus.
*
Genf. Im Athenäum stellt Horace de Saussure,
ein Glied des an Forschern auf dem Gebiet der Natur- und
Geisteswissenschaften so reichen Genfer Geschlechtes, Bildnisse
und Landschaften. Ein Künstler von reicher und reifer Erfahrung.
Ein Meister der Verbindung von Stil und Stimmung. Ein Architekt
und Impressionist. (Raum: „Athenäum“). W.
*
In der Galerie Bernheim Jeune&Cie. in Zürich
stellen im September aus: J. von Tochamer, W. Fenz, W. Gimmi.
tondonec Kun{!fd)aiu
Für Deutschland, wo der Name Quaker und Gesell-
schaft der Freunde eine ganz andere Bedeutung als früher er-
halten, dürfte es von zeitgemäßem Interesse sein, zu hören, daß
das Tagebuch des Gründers der Gesellschaft George Fox (1624
bis 1691), in der Handschrift seines Schwiegersohnes Thomas
Lower, dem er es diktierte, bei Sotheby’s versteigert worden ist.
Die drei Bände gingen an Annan um £ 1750, während das Jour-
nal in der Handschrift eines Deckoffiziers der dritten und letzten
Weltreise Kapitain Cook’s, 1776/80 (128 Quartseiten), von H. Ste-
vensum £ 490 erworben wurde.
Das „Print Room“ des Britischen Museums ist
jetzt wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Man
sieht eine Ausstellung orientalischer und europäischer Kunst.
Unter den vielen Neueiwerbungen befindet sich eine Zeichnung
Von Dürer (Kämpfende Ritter), die für die älteste Zeichnung
des Meisters gehalten wird, die man kennt. — Ferner sind Blätter
von David, Degas, Corot, Rodin und modernen Engländern aus-
gestellt. Die chinesische Abteilung weist auch viel neues auf;
ein Kabinettstück ist eine Malerei, weißer Reiher und Lotosblumen,
aus der Zeit der Sung-Dynastie, und eine Wiedergabe der Legende
der Dame mit dem Bären, die sich auch in dem Werke des Ku
K’ai-Chich vorfindet und aus demselben Zeitalter stammt. Die
vollkommenste Übersicht der Werke der Tang-Dynastie erhalten
wir aus den ausgestellten Malereien, die von Sir Aurel Stein zu
Tung-Huang im äußersten Westen Chinas entdeckt wurden und
die jetzt im Britischen Museum ihr Heim haben. Da China selbst
nur noch recht wenig Beispiele der Tang-Malerei besitzt, so hat
diese Serie einen ungeheuren Wert.
Carl Brack & Keller, G. m. b. H., Berlin W. 9
Kleine gewählte Collection alter u. moderner Meister
Ankauf C Angebote erbeten □ Verkauf
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