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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Septemberheft
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Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus dem Pariser Kunstleben / Die Sammlungn Aplhonse de Stuers in Amsterdam / C. F. Hansen und J. C. Lillie in Kopenhagen / Schweizerische Kunstchronik / Das deutsche Buch / Die neuentdeckte Greizer Bibliothek / Sammlung Bahrfeldt / Kleine Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0045

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Die Sammlung Alpbonfe de Stuet?s
in Amftecdam.

Ausheilung tm Ryksmufeum.

i.

Unser Amsterdamer Korrespondent schreibt uns:
Der kleine Oberlichtsaal in der Gemäldegalerie, der seit einigen
Jahren für wechselnde Ausstellungen verwendet wird, leider ohne
daß darauf von amtlicher Seite durch Ankündigungen oder kleine
Kataloge oder andere Reklame die Aufmerksamkeit des Publikums
gelenkt wurde, bietet seit kurzem einen ungewohnten Anblick.
Wo man sonst immer Holländer sieht, Holländer bis zum Über-
druß, als ob es gar keine andern Maler gäbe, sieht man nun
einmal eine kleine Sammlung von ausländischen Meistern aus-
gestellt, obendrein noch aus Perioden, die im Museum kaum
vertreten sind; besonders gut präsentiert sich das XVIII. Jahr-
hundert, und zwar mit Namen, die in holländischen Sammlungen
sonst nur ein fremder Klang sind. Wir sehen hier Werke von
H o p p n e r, von Northcote, von Raphael Mengs und
von Perronneau, daneben aber auch Coello, Moro,
Cranach und ein paar frühe Niederländer, letztere zwar nicht
erstklassig, aber doch von Interesse. Die Sammlung stammt
aus dem Besitze des verstorbenen langjährigen, man könnte bei-
nahe sagen lebenslänglichen holländischen Gesandten in Paris,
Alphonse de Stuers, der sein Vaterland dort von 1885 an ver-
treten hat.

Das älteste Werk der Sammlung ist ein Ecce-Homo von
Albert Bout. Die Figur, die nur bis zur Brust sichtbar ist,
steht vor Goldgrund, auf dem noch Spuren eines übermalten
Lilienkreuzes zu erkennen sind; über das schmale Dulderantlitz,
das ganz in Vorderansicht gegeben ist, rinnen schwere Bluts-
tropfen und Tränen. Die Hände fehlen, im Gegensatz zu ver-
schiedenen sehr ähnlichen Darstellungen desselben Meisters, von
denen das Bild in der Sammlung Bock in Aachen das bekannteste
ist; die nicht zusammengebundenen Hände halten hier einen Stock.
Auf einer andern Variante, die früher als Leihgabe der Familie
Horgendyk im Ryksmuseum gehängt hat, hat Christus die Hände
erhoben und läßt seine Wundmale sehen; und auf einer Replik,
die im Oktober 1902 bei Roos in Amsterdam versteigert wurde,
hat Christus die Hände gefaltet; hier ist die Figur auch ganz in
Vorderansicht dargestellt, während er auf dem Bilde in Aachen
den Kopf ein wenig zur Seite gewendet und geneigt hält, ln der
Farbe etwas trübe und matt, bildet unser Ecce-Homo einen auf-
fallenden Kontrast mit einem andern frühniederländischen Bildchen
einer etwas späteren Periode, das in seiner unmittelbaren Nähe
hängt, und das durch seine lebhaften und warmen Farbentöne
und seine freie, natürliche Auffassung den Betrachter gleich für
sich einnimmt. Es ist eine Madonna von dem Meister der
weiblichen Halbfiguren. Die elegante und geschmückte
junge Mutter hat das gesunde, pausbäckige Kind auf einem Kissen
auf der Balustrade vor sich zu stehen; ihre eine Brust ist ent-
blößt und der Knabe hat sein Ärmchen darüber gelegt; er blickt
nach den Kirschen, die sie ihm hinhält. Die Mutter gehört zu
jenen etwas verfeinerten Frauenfiguren, wie sie im Werke des
Meisters mehr Vorkommen. Charakteristisch ist das kleine Münd-
chen und der gerade, schmale Nasenrücken. Sehr fein gemalt ist
der dünne Gazeschleier, der die Brust bedeckt. Auf den Finger-
nägeln und Fingergelenken, auf Nase und Stirn des Kindes auf-
gesetzte Lichter erhöhen die Plastizität dieser Unterteile. Die
Farbenskala bewegt sich in warmen grünen und roten Tönen von
verschiedenen Abstufungen. Ungefähr aus derselben Zeit wie
diese kokette Madonna stammt der heilige Hironymus eines
andern Viamen, des Marinns van Reymerswaete, ein
sehr akkurat, aber trocken gemaltes Werk. Die Genauigkeit in
der Wiedergabe der Einzelheiten ist hier so weit getrieben, daß
man mit etwas gutem Willen die mit einer großen Miniatur ge-
schmückte Foliohandschrift entziffern könnte, die vor dem Heiligen
aufgeschlagen liegt. Das Bild ist eine Widerholung des Wiener
Gemäldes und weicht nur in belanglosen Details von ihm ab.

Francis Wheatley Milk below Maids

Auktion bei Hollstein und Puppei, Berlin

Dieselbe Farbenzusammenstellung, Rot und Grün, nur matter
und kühler und im Inkarnat weniger frisch und leuchtend als bei
der Madonna des Meisters der weiblichen Halbfiguren zeigen
zwei Arbeiten Cranachs oder wohl der Cranachschen Werk-
statt; zwei Madonnenbilder, echt deutsch, sittsam und bürgerlich
in Typus und Auffassung neben der flämisch - französischen
Madonna. Auf dem großen Bild hat die Madonna das nackte
Kind auf dem Schoß vor sich; es steht und will nach einer
großen Traube greifen, die der kleine Johannes emporreicht. In
der Komposition ist dieses Werk sehr nahe verwandt mit der
Unterberger Madonna in Innsbruck. Haltung der
Maria, Stellung des Johannes, der hier nur statt einer Traube
einen Apfel hält, sind fast die gleichen. Maria trägt über der
Stirn einen ähnlichen dünnen Schleier, dessen erstes Ende auf
dem Innsbrucker Bilde nach vorn um den Hals geschlungen ist,
während auf dem de Stuerschen Bilde der Hals frei gelassen ist.
Dafür ringelt sich auf dem letzteren noch eine Locke vorn links
über die Brust. Doch das sind unwesentliche Äußerlichkeiten.
Viel wichtiger ist der Unterschied im Ausdruck des seelischen
Lebens; und in diesem Punkt verdient unser Bild den Vorzug.
In Innsbruck macht die dargebotene Frucht gar keinen Eindruck
auf das Kind, es beachtet dieselbe nicht einmal, sondern blickt
weg zum Beschauer. Auf unserem Bild reagiert aber der Knabe
in ganz deutlicher Weise, indem er Kopf und Blick der Frucht
zuwendet und in seinem Gesicht sich das natürliche Verlangen
nach derselben spiegelt. Auch die Mutter ist hier viel ausdrucks-
voller gemalt, während sie auf dem Innsbrucker Bild gleichgültig
ins Leere blickt. Das andere Bild von Cranach, das kleinere,
feinere, stellt die säugende Maria dar; sie ist ganz in
Vorderansicht gegeben; ein leises, kaum merkliches fast lionar-
deskes Lächeln scheint über ihr sanftes Gesicht zu spielen. Der
Hintergrund wird von einem dunkeln Vorhang gebildet, den zwei
kleine in der Luft schwebende Engelchen an den Enden festhalten,
ein bekanntlich in Cranachs Frühzeit beliebtes Motiv.

Batavus.

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