Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 2.1920/21
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0254
DOI issue:
2. Februarheft
DOI article:Baum, Julius: Christus und Johannes
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den Dominikanerinnenklöstern S. Katharinental, Adel-
hausen bei Freiburg und Unterlinden in Kolmar stammend
nachweisen. Eine weitere befindet sich noch heute in dem
Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal. Es ist keine zu
kühne Vermutung, daß auch in den übrigen alemannischen
Frauenklöstern, die Pflegestätten der Mystik waren, etwa
bei den Zisterzienserinnen von Urspring, Lichtental,
Kirchheim im Ries und Gnadental, den Dominikanerinnen
von Töß, Ötenbach, Kirchberg, Weiler und Maria
Mödingen, den Kla-
rissinnen im Bicken-
kloster zu Villingen,
derartige Gruppen
aufgestellt waren.
Es ist bisher kein
Denkmal dieser
Johannesverehrung
feststellbar, das
nichtalemannischen
Ursprunges wäre.
Unter den erhal-
tenen Denkmälern
istdasBildwerk, das
aus dem Schlosse
Schülzburg in die
Berliner Sammlung
Oppenheimgelangte
(Abb. 1), das früh-
este7). Christus sitzt
feierlich aufrecht,
das Antlitz gerade-
aus wendend, Jo-
hannes, zu seiner
Linken, lehnt das
fast wagrecht lie-
gende, nach vorn
gewendete Haupt
mit geschlossenen
Augen anseine linke
Schulter. Christi
linke Hand liegt auf
der linken Schulter
des Jüngers, wäh-
rend die Rechte
Christi leise die
Rechte des Johan-
nes berührt. Beider
Füße sind unbe-
kleidet. Das Gewand Christi ist fast völlig vom
Mantel bedeckt; auf den Knieen liegt ein Tuch. Der
Mantel des Johannes fällt offen von den Schultern
herab. Die Gewänder sind — auf weißem Kreidegrund —
völlig vergoldet; auch die Haare waren ursprünglich wohl
vergoldet. Das Antlitz Christi ist elfenbeinweiß, das des
Johannes rosig angehaucht.
Christus und Johannes
Berlin, Sammlung B. Oppenheim aus Schülzburg
Diese Gruppe kann nicht nach 1300 gefertigt sein-
Die große Feierlichkeit wiederholt sich in keiner der
anderen Arbeiten. Auch die flächige und lineare Haar-
behandlung — das Haar Christi ist in der Mitte gescheitelt
und fällt in glatten Strähnen, nur über den Ohren die
vom Grabmale Rudolfs von Habsburg her bekannte ein-
fache Welle bildend, auf die Schultern; das Haar des
Johannes ist gelockt — spricht für Beziehung zur Kunst
des 13. Jahrhunderts, nicht minder der ganz ruhige und
ungewellte Verlauf
der Gewandsäume.
Es wärevonWich-
tigkeit, zu wissen,
woher die Gruppe
in das Schülzburger
Schloß gelangt ist.
Die benachbarten
Frauenklöster sind
Heiligkreuztal, Bu-
chau und Urspring.
Wahrscheinlich ist
der Typus um das
Jahr 1300 im ale-
mannischen Gebiete
schon weit ver-
breitet.
Fast die gleiche
Stilstufe zeigt eine
ganz kleine Gruppe
von ein wenig bäu-
rischer Durchfüh-
rung. Sie stammt
aus dem Domini-
kanerinnenkloster
Adelhausen und be-
findet sich in der
Sammlung Gramm
in Freiburg. DasAnt-
litz Christi, unver-
hältnismäßig groß,
ist noch strenger
nach vorn gewendet,
das Haupt des Jo-
hannnes genau in
die Horizontale ge-
legt; es ruht nicht
mehr an der Schul-
ter, sondern tiefer
an der Brust des Herrn. Die beiden rechten Hände
schließen sich fest zusammen. Die Mantelsäume werfen
leichte Wellen.
Zum erstenmal erscheint in der Gruppe der Sammlung
Mayer van den Bergh in Antwerpen die monumentale
Hoheit des 13. Jahrhunderts gemildert8). Unter allen
:) Vgl. Oppenheim, Originalbildwerke aus meiner Sammlung.
Nachtrag. 1911. Nr. 117. Eichenholz, Höhe 92 cm. — Über die
Schicksale der Gruppe vgl. Baum, Die Wertsteigerung mittelalter-
licher Bildwerke, Kunstwanderer, I, 1919, S. 156 f.
8) Vgl. Schnütgen, Frühgotische Holzgruppe des Heilandes
mit Johannes Ev., Zeitschrift fiir christliche Kunst, XIII, 1900 Sp.
377 ff. Lindenholz, Höhe 130 cm. — Abbildung dieses Bildwerkes
und fast aller bekannter übrigen Gruppen in Baum, Deutsche
Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhnnderts, 1917, S. 23 ff., 81 ff.
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hausen bei Freiburg und Unterlinden in Kolmar stammend
nachweisen. Eine weitere befindet sich noch heute in dem
Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal. Es ist keine zu
kühne Vermutung, daß auch in den übrigen alemannischen
Frauenklöstern, die Pflegestätten der Mystik waren, etwa
bei den Zisterzienserinnen von Urspring, Lichtental,
Kirchheim im Ries und Gnadental, den Dominikanerinnen
von Töß, Ötenbach, Kirchberg, Weiler und Maria
Mödingen, den Kla-
rissinnen im Bicken-
kloster zu Villingen,
derartige Gruppen
aufgestellt waren.
Es ist bisher kein
Denkmal dieser
Johannesverehrung
feststellbar, das
nichtalemannischen
Ursprunges wäre.
Unter den erhal-
tenen Denkmälern
istdasBildwerk, das
aus dem Schlosse
Schülzburg in die
Berliner Sammlung
Oppenheimgelangte
(Abb. 1), das früh-
este7). Christus sitzt
feierlich aufrecht,
das Antlitz gerade-
aus wendend, Jo-
hannes, zu seiner
Linken, lehnt das
fast wagrecht lie-
gende, nach vorn
gewendete Haupt
mit geschlossenen
Augen anseine linke
Schulter. Christi
linke Hand liegt auf
der linken Schulter
des Jüngers, wäh-
rend die Rechte
Christi leise die
Rechte des Johan-
nes berührt. Beider
Füße sind unbe-
kleidet. Das Gewand Christi ist fast völlig vom
Mantel bedeckt; auf den Knieen liegt ein Tuch. Der
Mantel des Johannes fällt offen von den Schultern
herab. Die Gewänder sind — auf weißem Kreidegrund —
völlig vergoldet; auch die Haare waren ursprünglich wohl
vergoldet. Das Antlitz Christi ist elfenbeinweiß, das des
Johannes rosig angehaucht.
Christus und Johannes
Berlin, Sammlung B. Oppenheim aus Schülzburg
Diese Gruppe kann nicht nach 1300 gefertigt sein-
Die große Feierlichkeit wiederholt sich in keiner der
anderen Arbeiten. Auch die flächige und lineare Haar-
behandlung — das Haar Christi ist in der Mitte gescheitelt
und fällt in glatten Strähnen, nur über den Ohren die
vom Grabmale Rudolfs von Habsburg her bekannte ein-
fache Welle bildend, auf die Schultern; das Haar des
Johannes ist gelockt — spricht für Beziehung zur Kunst
des 13. Jahrhunderts, nicht minder der ganz ruhige und
ungewellte Verlauf
der Gewandsäume.
Es wärevonWich-
tigkeit, zu wissen,
woher die Gruppe
in das Schülzburger
Schloß gelangt ist.
Die benachbarten
Frauenklöster sind
Heiligkreuztal, Bu-
chau und Urspring.
Wahrscheinlich ist
der Typus um das
Jahr 1300 im ale-
mannischen Gebiete
schon weit ver-
breitet.
Fast die gleiche
Stilstufe zeigt eine
ganz kleine Gruppe
von ein wenig bäu-
rischer Durchfüh-
rung. Sie stammt
aus dem Domini-
kanerinnenkloster
Adelhausen und be-
findet sich in der
Sammlung Gramm
in Freiburg. DasAnt-
litz Christi, unver-
hältnismäßig groß,
ist noch strenger
nach vorn gewendet,
das Haupt des Jo-
hannnes genau in
die Horizontale ge-
legt; es ruht nicht
mehr an der Schul-
ter, sondern tiefer
an der Brust des Herrn. Die beiden rechten Hände
schließen sich fest zusammen. Die Mantelsäume werfen
leichte Wellen.
Zum erstenmal erscheint in der Gruppe der Sammlung
Mayer van den Bergh in Antwerpen die monumentale
Hoheit des 13. Jahrhunderts gemildert8). Unter allen
:) Vgl. Oppenheim, Originalbildwerke aus meiner Sammlung.
Nachtrag. 1911. Nr. 117. Eichenholz, Höhe 92 cm. — Über die
Schicksale der Gruppe vgl. Baum, Die Wertsteigerung mittelalter-
licher Bildwerke, Kunstwanderer, I, 1919, S. 156 f.
8) Vgl. Schnütgen, Frühgotische Holzgruppe des Heilandes
mit Johannes Ev., Zeitschrift fiir christliche Kunst, XIII, 1900 Sp.
377 ff. Lindenholz, Höhe 130 cm. — Abbildung dieses Bildwerkes
und fast aller bekannter übrigen Gruppen in Baum, Deutsche
Bildwerke des 10. bis 18. Jahrhnnderts, 1917, S. 23 ff., 81 ff.
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