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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 2.1920/​21

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2. Maiheft
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Lempertz, Heinrich: Sechs Rheinansichten von Hermann Reifferscheid
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0386

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den Rhein, so lenken in unseren Tagen die unglücklichen
Ereignisse des politischen Lebens den Blick aller Deutschen
gerade auf diesen urgermanischen Strom. Lebhaft dürfte
daher das Interesse sein, das man einer Reihe von Neu-
Erscheinungen graphischer Kunst entgegenbringen wird,
die von der Hand eines echt rheinischen Künstlers
geschaffen wurde, nämlich von Professor Hermann
Reifferscheid.

Als Sohn des Rheinlandes, als vertrauter Freund

Brücke bei Grafenwerth.

seines heimischen Stromes und von inniger Liebe zur
Natur erfüllt, führt Reifferscheid uns nicht durch die engen
Straßen der mittelalterlichen Städte, auf von Rittersagen

umwobene Burgen oder in die von Orgelklängen und
Gesängen erfüllten Dome, sondern seinem Charakter
entsprechend an lauschige Plätze und Winkel des an
Naturschönheiten so reichen Stromes.

Das Siebengebirge und die in seiner Nähe im Fluß
gebetteten Inseln Grafenwerth und Nonuenwerth schildert
uns der Künstler in graphisch feiner, aber einfacher Art.
In der Zurückhaltung aller dekorativen oder füllenden
Mittel beruht der starke Reiz der Darstellungen, die trotz

ihrer Bescheidenheit ein reiches und vielseitiges technisches
Können, ein ausgesprochen künstlerisches Empfinden für
die Kraft und den Ausdruck graphischer Linien aufweisen.
In der Darstellung „der Ölberg“ beschränkt sich Reiffer-
scheid fast ganz auf die Silhouette des Berges, der sich
rechts hinter niedrigem Vorhügel erhebt und mit seinem
Gipfel sich den über ihm ziehenden Wolkenrändern
nähert. Wenige im Bogen geführte Linien geleiten zur
Tiefe und kubischer Körperlichkeit. Nur im Vorgrunde

Schleppdampfer bei Grafenwerth.

sind einzelne Bäume und Waldpartien in dunklen, breit
sich verbindenden und kreuzenden Gravierungsstrichen
gegeben. In ähnlich zarter Liniensprache sind die beiden


poesievollen Radierungen „Weidenufer am Rhein“ und
„Rheinufer mit Weidenwurzeln“ gehalten. Nur die den
Titel motivierenden Weidengruppen verraten stärkere, in
dunklen Strichen gearbeitete Licht- und Schattenbelebung
und Durcharbeitung. Durch diese technische Behandlung
wird die große Fläche des Stromes und die den Hinter-
grund füllende Silhouette der Berge stärker in die Tiefe
des Bildes gerückt und in ihrer ruhig majestätischen
Wirkung gesteigert. Einzelne leichte und flotte, oft punkt-

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