Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 2.1920/21
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https://doi.org/10.11588/diglit.27814#0407
DOI Heft:
1./2. Juniheft
DOI Artikel:Biach, Rudolf: Bild und Teppich
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einfachen Linien in den Wellen liegende Schiffskiele
bedeuten, ln fast allen Turkmenen die einfache, zu
Trapezen gebrochene Linie: der Amu-Darja, der Oxus
der Antike, der nach uralter Vorstellung die Welt umströmt.
Die Fondzeichnung macht das Wesen des Teppichs
aus. Ihr Charakter bestimmt sich nach dem Verhältnis
ihrer Elemente zum Ganzen. Die Elemente können in
sich geschlossene selbständige Einheiten sein, so daß das
Ganze aus der Ordnung ersteht, in der die Elemente zu
einander liegen. In streng eingehaltenem Gleichmaß
stehen die Guellen (persisch: Guell, die Rose) der Turk-
menen zu einander, wie auch die Palmetten auf vielen
Teppichen persischen Ursprungs. Oft auch rücken bei
diesen die Palmetten nach einer Richtung hin zusammen,
werden kürzer und breiter, so daß der ganze Teppich
eine charakteristische Richtung erhält. Häufig sind auf
Hamadans, Mossuls und manchen Kaukasiern die Ele-
mente so eng zusammengeschoben, daß ein Gitter- oder
Netzwerk entsteht. Diesem verwandt ist das vorwiegend
kurdische Mina-Chane-Muster, das aus vielfarbigen Blumen
besteht, die unter einander durch Rhomboide olivgrüner
Ranken verbunden sind. Damit wird der Übergang ge-
bildet zu jenen Teppichen, deren Komposition eine
Zeichnung zu Grunde liegt, die die Elemente unter ein-
ander verbindet und sich unterordnet. Eine solche Zeich-
nung ist z. B. der sog. Lebensbaum, um den sich Blüten-
und Rankenwerk gruppiert. Das weitverbreiteste Motiv
dieser Art ist das Medaillon. Man begegnet ihm auf
Chinesen und zahlreichen Persern, hauptsächlich Hama-
dans, Kirmans, Kaschans und Chorasans, als Quadrat
Teke Turkmene (Zentralasien)
Besitzer: Reinhart von Oettingen, Berlin
Mesched-Sedjadi (Nordpersien)
Besitzer: Reinhart von Oettingen, Berlin
oder von sanft geschwungenen Linien gebildet; auf dem
Senneh allein den Fond beherrschend; auf dem Saruk
ein kleineres Medaillon in einem größeren liegend; auf
dem Kaschkai (Nomadenstamm in der Provinz Schiras)
ein größeres in der Mitte, an das sich auf beiden Seiten
zwei kleinere anschließen. Nach den Linien des Medail-
lons ordnen sich die Elemente der Komposition. Das
Medaillon selbst ist mongolischen Ursprungs und stellt
vermutlich eine Stilisierung einer offenen Lotosblume von
oben gesehen dar.
Die Elemente teilen sich in zwei Gruppen. Die
einen haben geometrischen Charakter. Hierher gehören
zunächst die mannigfachen Formen der Turkmenen, die
in der Sprache des Landes „Rosen“ genannt werden.
Ob man sie wirklich als stilisierte Rosen anzusehen hat,
ist schwer zu sagen. Neuerdings neigt man dazu, von
dieser Meinung abzugehen. Wenn die Guellen regel-
mäßige Achtecke sind, sollen sie die acht Himmels-
richtungen bedeuten, die mannigfaltig gestalteten Sechs-
ecke ebenso wie die verschiedenen Sterne lediglich
Diamantenformen sein. Die glückbedeutende Swastika
ist ein Motiv, das auf chinesischen, kaukasischen, tür-
kischen und turkmenischen Teppichen wiederkehrt. Der
sogenannte Schicksalsknoten, der einen vierfach ver-
schlungenen Faden darstellt, ein ursprünglich buddhi-
stisches Ornament, findet sich nicht nur auf Chinesen
und Kaschgars, sondern auch auf Turkmenen und
Kaukasiern, in veränderter Form sogar auf Persern. Der
sogenannte Angelhaken, der für den kaukasischen Teppich
so bezeichnend ist, daß man ihn scherzweise die Fabriks-
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bedeuten, ln fast allen Turkmenen die einfache, zu
Trapezen gebrochene Linie: der Amu-Darja, der Oxus
der Antike, der nach uralter Vorstellung die Welt umströmt.
Die Fondzeichnung macht das Wesen des Teppichs
aus. Ihr Charakter bestimmt sich nach dem Verhältnis
ihrer Elemente zum Ganzen. Die Elemente können in
sich geschlossene selbständige Einheiten sein, so daß das
Ganze aus der Ordnung ersteht, in der die Elemente zu
einander liegen. In streng eingehaltenem Gleichmaß
stehen die Guellen (persisch: Guell, die Rose) der Turk-
menen zu einander, wie auch die Palmetten auf vielen
Teppichen persischen Ursprungs. Oft auch rücken bei
diesen die Palmetten nach einer Richtung hin zusammen,
werden kürzer und breiter, so daß der ganze Teppich
eine charakteristische Richtung erhält. Häufig sind auf
Hamadans, Mossuls und manchen Kaukasiern die Ele-
mente so eng zusammengeschoben, daß ein Gitter- oder
Netzwerk entsteht. Diesem verwandt ist das vorwiegend
kurdische Mina-Chane-Muster, das aus vielfarbigen Blumen
besteht, die unter einander durch Rhomboide olivgrüner
Ranken verbunden sind. Damit wird der Übergang ge-
bildet zu jenen Teppichen, deren Komposition eine
Zeichnung zu Grunde liegt, die die Elemente unter ein-
ander verbindet und sich unterordnet. Eine solche Zeich-
nung ist z. B. der sog. Lebensbaum, um den sich Blüten-
und Rankenwerk gruppiert. Das weitverbreiteste Motiv
dieser Art ist das Medaillon. Man begegnet ihm auf
Chinesen und zahlreichen Persern, hauptsächlich Hama-
dans, Kirmans, Kaschans und Chorasans, als Quadrat
Teke Turkmene (Zentralasien)
Besitzer: Reinhart von Oettingen, Berlin
Mesched-Sedjadi (Nordpersien)
Besitzer: Reinhart von Oettingen, Berlin
oder von sanft geschwungenen Linien gebildet; auf dem
Senneh allein den Fond beherrschend; auf dem Saruk
ein kleineres Medaillon in einem größeren liegend; auf
dem Kaschkai (Nomadenstamm in der Provinz Schiras)
ein größeres in der Mitte, an das sich auf beiden Seiten
zwei kleinere anschließen. Nach den Linien des Medail-
lons ordnen sich die Elemente der Komposition. Das
Medaillon selbst ist mongolischen Ursprungs und stellt
vermutlich eine Stilisierung einer offenen Lotosblume von
oben gesehen dar.
Die Elemente teilen sich in zwei Gruppen. Die
einen haben geometrischen Charakter. Hierher gehören
zunächst die mannigfachen Formen der Turkmenen, die
in der Sprache des Landes „Rosen“ genannt werden.
Ob man sie wirklich als stilisierte Rosen anzusehen hat,
ist schwer zu sagen. Neuerdings neigt man dazu, von
dieser Meinung abzugehen. Wenn die Guellen regel-
mäßige Achtecke sind, sollen sie die acht Himmels-
richtungen bedeuten, die mannigfaltig gestalteten Sechs-
ecke ebenso wie die verschiedenen Sterne lediglich
Diamantenformen sein. Die glückbedeutende Swastika
ist ein Motiv, das auf chinesischen, kaukasischen, tür-
kischen und turkmenischen Teppichen wiederkehrt. Der
sogenannte Schicksalsknoten, der einen vierfach ver-
schlungenen Faden darstellt, ein ursprünglich buddhi-
stisches Ornament, findet sich nicht nur auf Chinesen
und Kaschgars, sondern auch auf Turkmenen und
Kaukasiern, in veränderter Form sogar auf Persern. Der
sogenannte Angelhaken, der für den kaukasischen Teppich
so bezeichnend ist, daß man ihn scherzweise die Fabriks-
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