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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI issue:
1./2. Septemberheft
DOI article:
Zimmermann, Ernst: Mingporzellane
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0033

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Jvtmgpocsellane

oon

6t?tiß Eimmecmann - Oüßsdcn

/V/l ingporzellane haben heute einen guten Klang. Sie
gelten bei a'lien, die sich mit mehr oder weniger
Recht den Anschein von Kennern auf dem Gebiete des
chinesischen Porzellans geben, für etwas ganz Beson-
deres, für etwas weit Besseres und darum auch
Sammelnswerteres, als was sich noch sonst an chine-
sischem Porzehan vorfindet, und vor allem, als was
früher vor ihm bei uns gesammeit worden ist. Man
spricht sehr gern von ihnen, zeigt sich auch gern als
Hrkenner. Es ist eine Sache, mit der man ein wenig
renommieren kann.

Doch ist es fraglich, ob es wirklich schon viele g'ibt,
die diese Porzellane aus denen der foLgenden Zeit mit
Sicherheit herauszuerkennen vermögen. Derin merk-
würdig! Obwohl doch so viel von ihnen geredet wird:
in Privatsammlungen findet man sie noch gar nicht so
häufig. Sie geben sich in ihnen zumeist nur ais ZufaLls-
objekte. Und vollends einen Sammler, der sie zu
sammeln sich zur Spezialität gemacht hätte, gibt es noch
kaum. Die einzige wirkliche Ausnahme in dieser Be-
ziehung düilfte allein der einzige Eumor-Jopoulos in
London sein, der nicht zufrieden damit, die beste Samm-
lung von chinesischcr Frühkeramik zusammengebracht
zu haben, daneben sich aucli auf jenem Gebiete als groß-
ai'tiger Sammlcr betätigt hat, wie jetzt erst durch die
großartige Publiikation seiner Sammlung durch Hobson
zu Tage tritt. Daneben wäre vielleicht dann allein noch
in Deutschland Rücker-Emden zu nennen, dessen Samm-
lung gleichfalls bisher so gut wie unbekannt geblieben
war, neben ausgezeichneter chinesischer Erühkeramik
auch eine kleine aber sehr erlesene Abteilung von
MingporzeHanen enthielt. Sie kann freilich jetzt nicht
mehr ais Privatsammlung gelten, da sie von der
Dresdner Porzellansammlung angekauft ist.

Aber auch öffentliche Sammlungen sind an diesen
Erzeugnissen nocli nicht allzureich. Wolil der reicli-
haltigste und rnannigfaltigste Bestand findet sich jetzt
in der Dresdner Porze'llansammlung. Sie dürfte die ein-
z’ige sein, in der diese Porzellane in den letzten Jahr-
zehnten systematisch zu sainmeln versucht worden sind,
ganz abgesehen davon, daß sich auch schon in ihrem
alten Bestande einige ganz ausgezeichnete Stücke aus
dieser Zeit vorfanden. Es geschah dies zu einer Zeit,
da Mingporzellane noch wenig erkannt wurden, ihre
Anschaffung darum auch noch keine sehr teure Sache
war. So konnten auch noch recht schöne Dinge erwor-
ben werden. Und so gibt es heute vielleicht keine an-
dere öffentiiche Stätte wieder, wo man die Entwicklung,
den Umfang sowie auch daneben die Höhe dieser Kunst
so gut studieren kann, wie in ihr. Daneben wären dann
noch das Britische und das Victoria and Albert Museum
in London, sowie die Sammlung Grandidser im
Louvre zu nennen.

Doch ist in Letzter Zeit ganz unerwarteter Weise
dazu noch ein Bestand hünzugekommen; wie er umfang-
reicher und großartiger kaum gedacht werden kann. Er
befindet sich unter jenen erstaunlich großen Schätzen
an altchinesischen Porzeilanen, die sich nach der Revo-
lution in Konstantinopel im Keller des Schatzhauses des
, Alten Sirai“ vorgefunden haben. Er mag sich auf etwa
viertausend Stück belaufen. Er läßt damit alle übrigen,
die wir in dieser Beziehung kennen, weit hinter sich
zurück. Doch kann er freibich nicht für sehr ausgesucht
gelten: die Zahl der Doppel- und minderwertigen Stiicke
ist groß, desgleichen auch die ausgesprochenen „Export-
porzellane“. Sie schmücken jetzt, dekorativ auf-
gehängt, die Wände, so ein Porzellan-Ensemble bildend,
wie es sonst keins in der Welt wieder gibt. Daneben
’ist der Bestand auch sonst etwas einförmig. Er stellt
in der Hauptsache die PorzeKane dar, die man damals
im Oi'ient praktisch verwandte. An dekorative Zwecke,
wie später in Europa, hat man damals noch kaum hier
gedacht. Doch so gut wie alle Typen finderi sich. Hier
vertreten, darunter einige, die bei uns nur ganz späriich
vertreten, in großer Anzahil. daneben auch manches, was
sich bisher noch nirgends gefunden. Und auch an wirk-
lichen Oualitätsstücken ist hier kein Mangel. Manches
hat sich schöner bisher nirgends gefunden. So bedeutet
dieser Bestand für uns eine Bereicherung, die nicht ltoch
genug einzuschätzen ist. Er wird wohl auch bald in die-
ser Beziehung erkannt werden.

Daß aber der bisherige Bestand an Mingporzellanen
sich iin Zukunft noch stark vermehren wird, erscheint
nicht allzu wahrscheinliclr. Allzuviel von 'ilmen sind in
frülrerer Zeit bei den damals noch nicht allzu intimen
Beziehungen zwischen Ghina und Enropa nicht zu uns
gelangt. Es wird daher von ihnen nicht mehr allzuviel
an versteckter Stelle vorhanden sein. Es wird ja auch
manches deu Weg aller Keramik gegangen, d. h. zer-
schlagen sein. Aucli ist das Meiste, was dainals zu uns
gekommen, ja nur „Exportporzellan“ gewesen, das für
die Erkenntnis des Wertes des Porzellans dieser Zeit
nur eine ganz sekundäre Bedeutung hat. Und aus Ghina
ist auch wohl nicht allzuviel mehr zu erwarten. Wenn
nicht alles täuscht, so ist China an Porzellanen genau
so ausgeplündert, wie es Italien hinsichtlich seiner Majo-
liken lange schon ist. Nur wenig gute Stücke kommen
von dort her noch zu uns herüber, und am wenigsten
eben solche der Mingzeit. Und so will es der Zufall,
daß just in dem Augenblick, wo man sich jetzt allgemei-
ner für die Erzeugnisse interessiert, dic Möglichkeit
ilirer Erwerbung immer geringer geworden, ja vielleicht
bereits ganz vorüber ist. Nur größere Geldmittel können
hier noch zum Zie'Ie führen, größere Sammlungen aber
wohl kaum noch entstehen. Das wird den Wert der
jetzigen Bestände bedeutend steigern. Sie werden
imrner mehr ausgesucht werden, je mehr die Schönheit

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