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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Januarheft
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Weidler, Charlotte: Altdeutsche Malerei in New York
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Die Kern-Versteigerung / Ein neues Museum in Florenz / Dekorative Kunst in Frankreich / Ein Ledermuseum in Offenbach a. M. / Kunstausstellungen / Kunstauktionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0234

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Linie ganz große Zeiclmer uikI Graphiker. Ilire Bilder sind viel
eher raffiniert gemalte Zeiichnunigen als gut gezeichnete Bilder.“

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen zwölf Cranachs, darun-
ter eines der Hauptwerke, die meisterhafte, figurenreiche Kreuzi-
gung, die Charles H. Worcester lieli. Die amerikanische Kritfik
spricht begeistert von den ausdrucksvollen Köpfen und Gestalten
und lobt die „chrwürdige und durchgeistigte Auffassung“ Christi.
Von John Ringling kommt das Bildnis des Kardinals Albrecht als
St. Jerome. Der Kardinal sitzt am Tisch 'in einem großen Zimmer.
Im Vordergrunde liegt behaglich hingestreckt der Löwe. Eine kleine,
aber herrlich schöne 'l'afel „Kopf der Madonna“ gehört Mrs. Klein-
berger. Daneben liängt ein Christuskind miit St. Johanes (Albert
Keller). Die Buffallo Academy of Fine Arts kann auf den Besitz der
dramatisch bewegten „Verspottung Christi“ stolz sein. Ueber der
sitzenden, traurig gebeugten Gestalt des Christus, äst durcii ein
Fenster eine köstliche Landschaft dieses großen Meisters zu sehen.
Von den beiden Lutherporträts ist das größere 1546 signiert und
datiert (Carl Mechel). Aus dem Jahre 1537 stammt das viel be-
wunderte Porträt eiines Edelmannes mit der minutiös gemalten
Landschaft im Hintergrunde. Eine köstliche Diana gehört Robert
Lehmann, und jerres berühmte ifachanal, früher in der Sammlung
des Prinzen Alex Orloff, hängt heute bei A. Berg. Mit den Cranachs
an einer Wand „Das Urteil des Paris“ von Georg Pencz, eines der
hervorragendsten Bilder der ehemali.gen Stiilwell-Kollektion. Auf
der Auktion dieser Sammlung erwarb es Worcester.

Näclist Cranach findet Holbein begeisterte Zustimmung. Von
ihrn zeigt die Ausstellung zwei Porträts. Das würdevolle Porträt
Sir Henry Guilfords erwarb 1926 Valentiner für Detroit. Ueber
diese zwei Bilder schreibt Forbes Watson: „Ihre Farbe ist sprühend
und voll leidenschaftlicher Glut. Diese Bilder Holbeins sind tiefstes
Erlebnis.“

Wir besitzen in Europa kaum' noch einen so schönen Bartel
Bruyn wie das Porträt einer jungen Frau, das kürzlich Ernst Rosen-
feld aus der Wildenstein-Galerie erwarb. Geheimrat Friedländer
bestimmte das Bild als eines der hervorragendsten Werke des Mei-
sters, ehe es nach Amerika ging.

Valent'iner schrieb die „Christi Gefangennahme“ in der John-
son-Kollektion dem Martiin Schongauer zu. Komposition und Aus-
führung des Bildes, besonders die Detaiis, sind von hoher Oualität.
Eine excellente „Madonna im Rosenhag“ dieses Meisters gehört
Kieinberger.

Es würde zu weit führen, auf alle Bilder der Klc.inberger-Aus-
stellung, so ausgezeichnet sie auch sind, einzeln einzugehen. Wir
finden noch Werke des Meisters von Sigmaringen, des Meisters von
W'ien, des Meisters von Frankfurt, Conrad von Kreutzenachs, wir
sehen Bilder von Jörg Breu, Peter Stass, Hans Schurlin, Hans
Maler un.d Werke der Kölner Schule. Alle von großer Seltenheit
und hohem Wert.

Der Amerikaner Kleinberger hat mit dieser Ausstellung
Pionierarbeit :für deutsche Kunst geleistet, die ihm dankbar und
liocli anzurechnen ist. Diese Riesenarbeit, eine deutsche Ausstellung

von derartig hoher Oualität zusammenzubringen, beweist, daß Klein-
berger nicht nur Kenner altdeutscher Malerei ist, sondern ihr aucli
in liohem Maße liebevoilstes Verständnis entgegenbringt.

Den Ertrag der Aussteliung überwies Kleinberger dem
Roten Kreuz.

Cliarlotte Weidler.

*

Dtc Kctm = Üct?(iciget?ung.

Die Versteigerung der von Jerome Kern, dem Operetten-
Komponisten, zusamimengestellten bibliophilen Schätze hat in New
York alle Kreise durcheinandergewirbelt, die an diesen Dingen jen-
seits des Ozeans Interesse finden und sioh, traditionshungrig, auf
eurapäisohe Kunst und Literatur stürzen. Die Preise sind fiir die
elinzelnen Stiicke beispielslos. Kern legte eiinen Teil seiner großen
Einnahmen als kluger Mann in Erstausgaben und Handschriften an
und hat seine weise Einsicht in die Rentabilität seiner Investierun-
gen sich jetzt rechtfert&gen gesehen. Schauplatz war die Anderson-
Galerie. Nachstehend die Hauptpreise: Burns Gedichte in einem
Bande mit handschriiiftli'cher Widmung, 4700 Pf. (94 000 GM); Eliza-
beth Browmngs „Schlaoht von 'Marath'On“ 70 000 Mk.; Robert Brow-
n'inigs „Pauline“, seltene Erstausgabe, 64 000 :Mk.; Burns Gedichte,
Kiimarnock Ausgabe, 27 000 Mk.; Burneys „Evelina“, Erstausgabe,
23 200 Mk.; Boswells „Leben des Samuel Johnson“, Erstausgabe
mit autographischem Brdefe, 21 000 Mk.; Jane Austen „Pride and
Prejudice“, unaufgeschnittene Erstausgabe, 195200 Mk.; derselbe
„Sense and Sensii'bility“ 14 400 Mk.; Erstausgabe des Jane Eyr-e,
„Waiise von Lowood“ 14400 Mk. Byron stand sebr hoch im Werte.
Für seine handschriiiftliche Arbeit „Marine Faliero, Doge von Vene-
dig“, 142 Seiten mit zwei Briefen an seinen Verleger John Murray,
London, gab Rosenbach 10'8 000 Mark. Gabriel Wells kaufte das
Ori'gmal der Kantos 14 und 15 des „Rom Juan“ für 80 000 Mk.
Rosenbach zalilte 40 00'0 Mark für die sehr seltene Ausgabe vom
Jahre 1865 d'er „Alice in Wunderland“, wovon diese Firma im
Frühjahr d'ie Ni'edersührift für 300 000 Mark in Enigland erstand.
Der Erstdriuck von Byrons Gedioht „Ter Waltzer“ ging bis auf
32000 Mark. Dickens Pickwick-Papiere, eine seltene, vollständig
1836—37 herausgegebene Erstausgabe, kaufte Scheuer fiir 120 000
Mark. Vor acht Jahren kaufte Wells dieselbe Ausgabe in London
fiir 14 000 Mark! Sessler erstand Dickens „Perils of Certain English
Prisoners“, Handschrift, für 60 000 Mark. Denselben Preis gab
Dr. Rosenbach für ein Dickensches Notizbuch seiner Arbeiten,
sowie 42 000 Mark für eine Erstausgabe seiner „Strange Gentle-
meni“. Wells gab 42 100 iMk. für einen Geschenkband der ersten
Auflage der „Erzählung zweier Städte“. Für drei Seiten des Ori-
ginalmanu'skriptes von „Oliver Twist“ zahlte Drake 34000, für
10 Seiten einer der kürzeren Erzähl'ungen gar 28 000 Mark. Der-
selbe Experte erwarb eine ganz frühe Ausgabe vom „Robinson
Crusoe“ ftir 46 000 Mark.

Am dritten Tage stieg eiue unaufgeschnittene Erstausgabe des
Satirikers Fielding „Tom Jones“ auf 116 000 Mark — für ein vor
wenigen Jahren iii London für 12 000 Mark gekauftes Werk! Oliver
Goldsmith war ebenfalls hoch begehrt. Seine „Elegäe 'in einem

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