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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Juniheft
DOI Artikel:
Hajos, Elisabeth M.: Berliner Architektur und Architekten von heute
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0443

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Herausgßber: yXciOlDtl DonöHl

/ahrgang 1929

Junihefi:

Bet’ltnet? At?cbitektut? und At?d)ttekten oon beute

oon

6. M jiafos

jie Architektur bildet das aktuellste künstlerische
Problem der Gegenwart. Ob es nun am Erlahmen
anderer Zweige der bildenden Kunst liegt oder nur an
der gesteigerten Notwendigkeit des Bauens, wie dem
auch sei, es steht zweifellos fest, daß noch niemals
über Architektur so viel gesprochen und geschrieben
wurde wie heute. Fachzeitschriften und Tagespresse
behandeln die vielgestaltigen Probleme, die konstruk-
tiver, sozialer und ästhetischer Natur sind.

Die Nachkriegssituation Berlins mit Wohnungs-
elend und Großstadtentwicklung führte zu umfang-
reichen Bauprogrammen. Aus dem immer wachsenden
Verkehr ersteht die Forderung neuer Platzgestaltung.
Der gegenwärtige Stand der Hygiene verlangt nach ent-
sprechend ausgeführtem Wohnungsbau. Geschäftshaus
und Laden führen zu neuen Fragen und Lösungen.

Rationelle Ausnützung des Terrains, namentlich in
der City, rückt das Problem des Hochhauses in den Vor-
dergrund. Neue Konstruktionsmöglichkeiten in bisher
kaum ausgenütztem Material wie Eisen, Stahl, Glas,
Beton bringen auch neue ästhetische Werte: restloses
Ausschalten jcder verlogenen, unorganischen Pracht,
das Vermeiden dckorativer Schauseiten — kurz, die
„fassadenlose Architektur“. Der rhythmische Klang
eines ürganismus wird zur Herrschaft erhoben. Die
Schlagworte „Neue Sachlichkeit“ und „Zweckbau“ deu-
ten den in der Entwicklung begriffenen Prozeß an.

Und gewiß nicht zuletzt fördert das allgemeine
Interesse die natürliche Reaktion auf die erschreckende

Unfruchtbarkeit, an der die Architektur im letzten Jalir-
hundert litt. (Es genügt der Hinweis auf die retro-
spektiven Architekturstammeleien der „Gründerjahre“
und die Zerrbildungen einer Sezession.)

Die neuen Anforderungen führen zu neuer Gestal-
tung. Die speisenden Kräfte liegen in der Großstadt-
entwicklung und den technischen Errungenschaften der
Zeit.

Die neuc Architektur Berlins ist eine ausge-
sprochene Großstadtarchitektur: Verwendung neuer
Beleuchtungsmöglichkeiten, die Entwicklung des
Reklamewesens mit Licht, schaffen den Stillstand der
Nacht endgültig ab. Die Architektur trägt
a u c h i n d e r N a c h t eine 1 e b e n d i g e
Physiognomie. Die Grenzen astronomischer
Zäsuren sind aufgehoben, Kontinuität, ewig spannender
Rhythmus, stempeln ihr Dasein.

Schöpferische Kräfte strömen aus der ganzen Phan-
tastik der Großstadt, ihrem prickelnden, phosphoreszie-
renden Wesen, mit dem sie Summe einer ungeheuren
Fülle menschlicher Produktion ist: der Kakophonie des
Tages und dem Visionären der verwandelten Nacht.

Das Licht als Faktor architektonischer Gestaltung,
— die Verlängerung des Daseins in die Nacht liinein —,
die Berücksichtigung dcr Reklameflächen am Bau, be-
stimmen zweifcilos eine ganze Reihe frülier nie gekann-
ter Möglichkeiten.

Zu einer speziellen Note in der Wandlnng des
Stadtbiides führt aucli das Problem der Umbauten alter

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