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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Maiheft
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Demmler, Theodor: Bode und die deutsche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0398

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Bode und dte deut(ebe Kunff

oon

Ibßodoi? Dcmmlet?

I Ift ist gesagt worden, wie bei Bode das Sammeln
und das Forschen, die zwei wichtigsten 'Gebiete
seiner Arbeit, sich gegenscitig befruchteten. Itn Grunde
waren es immer Hroberungszüge, zu denen er auszog;
und itnmer kam die Beute beiden, dem Besitz und der
Erkenntnis, zugut.

Sein Verhältnis zur Kunst war vielleicht das natür-
lichste, das es gibt für den, der nicht schaffender Kiinst-
ler ist; nicht die Kunst als solche war sein Ausgattgs-
punkt, weder ihr Begriff noch ihre Hntwickiungs-
geschichte, sondern das w e r t v o 11 e E i n z e I -
k u n s t w e r k. Das eigentiimliche, stets lebendige
W e r t g e f ii h I ist nicht weiter erklärbar, es ist in
seiner besonderen Stärkc individuelle Begabung, unend-
lich entwicklungsfähig durch die wachsende Erkenntnis,
aber immer der Erkenntnis vorangehend, als Wiinschel-
rute, wenn man wiil, als Bahnbrecher und Schritt-
macher.

Der Wert des Kunstwerks iibt einen doppelten
Reiz: es zu besitzen und es zu crkennert, Herkunft,
Gattung und Rangstufe zu bestimmen. Was das erste
anlangt, so muß bci Bode das Wort „Besitz“ richtig ver-
standen werden. So sehr er zeitlebens das Sammeln
im Privatbesitz gefördert hat, Endzweck war es ihm
nie. Weder ist er selbst vom Sammeln fiir sich erst
zum Sammeln fiir die Oeffentlichkeit gekommen,
noch hat er den Sammlern dienen wollen, ohne daß er
eine Gcgenleistung fiir den Ailgemeinbesitz erwartet
hatte. Ihm kam es immer darauf an, Kunstwerke, die
allen etwas zu sagen hatten, zu „sichern“. Konnte er
sie nicht fiir den Staat crwcrben, oder sie vorläufig un-
terbringen an einer Stelle, wo sie später dem Museum
erreichbar blieben, so dienten seine Publikationen dazu,
sie dem wissenschaftlichen Bewußtsein gegenwärtig zu
lialten, sie dort in einen Zusammenhang zu stellen, wo
ihr Wert und ihre Bedeutung dauernd erkennbar blieb.

Durchblättert man die lange Reihe seiner Ver-
öffentlichungen, die alle „Gelegenhcitsschriften“ waren,
so läßt sich die große Mehrzahl eben unter diesen Ge-
sichtspunkt des Sicherns und Festlegens bringen. Aber
das ist doch nur der Ausgangspunkt. Indem er zusam-
menstcllt und ordnet, das Verkannte ans Licht zieht,
überraschende Verbindungen herstellt, schafft er neue
Werte der Erkenntnis, die nicht bloß deni einzelnen
Kunstwerke zugut kommen: ganze Gattungen,
wie etwa die vorderasiatischen Knüpfteppiche, die
frühen Majoliken, die Kieinbronzen treten ans Licht, sie
gewinnen ein neues Interesse, nicht bloß für die Welt
der Sammler, sondern ebenso für die kunsthistorische
Entwicklungsgeschichte, in der sic mit ganz anderem
Gewicht als früher sich geltend machen können.

Man kann nicht sagen, daß die deutsche Kunst im
Mittclpunkt von Bodes Interesisen gestanden hätte.

Aber gerade darum ist es erstaunlich und bewunderns-
wert, zu beobachten, wie viel und wie Wesentliches
wir ihm auf diesem Gebiet verdanken. Daß er nn
Sammein wie im Werten ein Kind seiner Zeit war, ist
einc Selbstverständlichkeit. Wichtiger ist es, darauf
hinzuweisen, wie er überall die Grenzen seiner Genera-
tion überschritt, wie er, olme die letzten Ziele zu nennen,
ja oft nocli ohne sie selbst deutlich zu sehen, die Werke
herausfand, die dem jüngeren Geschlecht zu Ausgangs-
punkten seiner kritischen und aufbauenden Forsclrung
wurden.

Während deutsche M a 1 e r wie Elsheimer und
Strigel Bode schon in den ersten Jahren seiner
schriftstellerischen Tätigkeit beschäftigten, ersche nt
die deutsche P 1 a s t i k in seinen Schriften erst im
Jahre 1885, und — eine Ueberraschung — er beginru
hier mit einer zusammenfassenden Darstellung des gan-
zen Gebiets, der erst nachher Einzeluntersuchungen
folgten. Aber dic Bibliographie gibt hier, wie oft, nicht
das ganze Bild seiner Tätigkeit. Vor der „Gesc’nichte
der Deutschen Plastik“ liegen etwa zehn Jahre
Museumsarbeit. Die Zahl der deutschen Werke, die er
damals erwarb, ist nicht allzu groß; um so merk-
würdiger ihr Gewicht für die Erkenntnis der deutsclien
Kunst. Man muß sich in die wissenschaftliche Lage der
achtziger Jahre versetzen: der Boden war noch kaum
beackert. Photographien fehlten fast ganz, die Litera-
tur erscheint dürftig, voller Lücken und Mißverständ-
nisse, die Inventarisation war in den Anfängen. Bode
selbst, so sollte man meinen, war ganz in Anspruch ge-
nommen durch seine Entdeckungen im italienischen
Quattrocento wie durch die Studien zur holländischen
Malerei. Und doch ist es gerade dieses Jahrzehnt ge-
wesen, wo er den Grundstock zu der heutigen Sanuu-
lung deutscher Bildwerke legt. Was er damals in Süd-
deutschland kaufte, in Würzburg, in Nürnberg und dann
in immer steigendem Maß in München, steht noch heute
itn Mittclpunkt des wissenschaftlichen Interesses: es
war aus Schwaben die mächtige Kaisheimer
Madonnenstatue (1886), die Vöge später dem
Meister des Blaubeurer Hochaltars zuwies, die zwei
Heiligenszenen, dic sicli der Ravensburger Madonna zur
Seite stellten, der einzigen schon früher vorhandenen
großen kirchlichen Holzplastik, die A n b e t u n g
der Könige, eines der herrlichsten Zeugnisse der
schwäbischen Renaissance (1888); dazu aus Nürtiberg
die einzigartige K ö n i g s t a t u e und die drei
Köpfe vom Schönen Brunnen, die das
14. Jahrhundert neu in die Sammlung einführten (1881
bis 1886). Von unsercr Riemenschneider-
S a m m 1 u n g , die ganz ihm verdankt wird, sind die
beiden Madonnen aus der Gegend von Tauber-
bischofsheim (1883 u. 1884), die vier Kitzinger Figuren

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