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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Maiheft
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Dülberg, Franz; Konijnenburg, Willem van: Der holländische Maler Willem A. von Konynenburg
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Hajos, Elisabeth M.: Ungarische Kunst in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0405

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er sich künstlerisch kaum mehr als einmal in der Gestal-
tunff seiner javanischen Tänzer. Auch hicr ist das Hin-
druekserlebnis durch den raumteilenden baumeister-
liclien Willen hindurchgegang-en.

I)ie Architekten, allen voran Berlage, schätzen in
ihm einen geistigen Bundesgenossen. Durch eine Aus-
stellung des Jahres 1917 bei Kleykamp, später durch
den Auftrag, die Jubiläumsbricfmarken seines Landes,

das Bildnis der Kronprinzessin auszuführen, dann durch
den Riesenkarton dcr bei scheinbarer äußerster Locke-
rung innerlich festgefügten „Inspiration“ der Pariser
Kunstgewerbe-Ausstellung, endlich durch das reiche
Orgelspiel des Delfter Kirchenfensters und dcn Sankt
Tliomas für Zwolle niinmt er den durch J'oorops Hin-
scheiden freigewordenen Sitz des führenden hollän-
dischen Momnnentalmalcrs cin.

Ungatntebe Kunff in JHüt’nbet’g

oon

6. jvt. Jiajos

IVJürnberg, die Heimatstadt Albrecht Dürers, dessen
ungarische Abstammung besonders im letzten
Jahre viel erörtert wurde, bietet den geeigneten Rah-
men zur Pflege deutsch-ungarischer kultureller Be-
ziehungen. Die Veranstaltung einer Ungarischen
Woclie in Nürnberg brachte neben musikalischen und
dramatischen Darbietungen auch eine umfassende
Schau der bildenden Kunst des Landes.

Die Ausstellung verdankte ihr Zustandekommen
wie dic Auswahl der Kunstwerke der verdienstvollen
Zusammenarbeit von Prof. Dr. Fritz Traugott Schulz,
dem Dircktor der Städtischen Galerien in Nürnberg, und
des ungarischen Ministeriums für Unterricht und
Kultus. Sie vermittelte neben den Wcrken der Gegen-
wart durch eine kleine, gutgewählte Kollektion auch
einen Ueberblick der Kunst der letzten 80 Jahre. Hine
begrüßenswertc Tat der Organisation, denn gerade im
Haile Ungarns ist es notwendig, aucli durch einen Blick
auf das Jüngstvergangene, seine spezifische Einstellung
zur Kunst — den autochtonen stilbildenden Kräften
nebst den umfangreichen fremden Kreuzungen — zu er-
fassen und richtig zu werten.

Von eincr eigentlichen ungarischen Malerei kann
man wohl erst seit dcm letzten Jahrhundert sprechen.
Dicse I'atsache wirkt besonders erstaunlich in cinem
Lande, dessen Volkskunst so ganz besonders urwüchsig
und stark im Ausdruck ist. Stickereien, Teppiche,
Keramiken und Hoizschmtzcreien der Vergangenheit
manifestieren einc eigene Sinnlichkcit, strotzende Har-
benfreudigkeit und reiche Formenphantasie. Uneuro-
päisch, aber auch nicht orientalisch, aus eigenem Boden
gewachsen bereichert, aber nicht befruchtet, aus all den
eigentümlichen, politisch-tragischen Schicksalen, durch
welche Land und Volk in Jahrhunderten hindurchgegan-
gen sind. Es ist rätselhaft, daß dieses, durch seinen
stets durchdringenden eigenen Formwillen gezeiclmete,
zweifellos außerordentlich kunsthafte Volk, erst unver-
hältnismäßig spät den Einzug in die europäische Kunst-
geschichte hielt. Hs mag an seinen mannigfachen politi-
schen Schicksalen gelcgen haben, seiner präkeren
geographischen Lage, seiner geistigen Balance

zwischen Ost und Wcst, daß es ein wenig unbeholfen
und teilnahmslos Jalirhundertc lang sich um die Kunst
bewegte. Was aucli inzwischen geschaffen wurde, ist
uns lieute ausnahmslos entzogen, verweht und vergan-
gen, in seiner Schutzstellung gegen die l'ürkenzüge.
Das wenige Erhaltene atmet den durch politische Zuge-
hörigkeit determiniertcn österreichisclien Geist.

Hs ist selbstverständlich, daß dic Künstler Ungarns
von heute und die der letzten Generation das Ringen des
eigcnen schöpferischen Sinnes mit den mächtig auf sie
zueilenden fremden Strömungen bekunden.

Neben einigen Vertretern der Romantik ist
M i c h a e I v o n M u n k ä c s y die erste Künstler-
pcrsönlichkeit internationalen Formates. Er hat die
seigneuralen Allüren der Pseudo-Malerfürsten seines
Jährhunderts, haust in mit Rüstungen und Makart-
Buketts geladenen Ateliers, nachdem ihn der
Pubiikumsgeschmack weit überschätzte und das geniale
Managertum eines Pariser Kunsthändlers auf schwin-
delnde Höhe erhob.

Kunstgeschichtlich von dem Knaus’schen Genre und
der Pilotyschen Historie ausgegangen. vcrmochtc er
seinen pathetischen Vorwürfen auf mcilenlanger Lein-
wand oder anekdotisch pointierten Machen durch An-
deutungen eines Lokalkolorits, ethnologischen Spiele-
reien, zuweilen auch den raffinierten Rerz fremden J’em-
peraments zu suggerieren. Aber diese Werke voll hohl-
ster Epik und bleicher Menschheitscliches überschreiten
keineswegs das unerträgliche Niveau der üblichen
Kunstproduktion eines historisch orientierten, qualitäts-
unsicheren Massengeschmacks. Daß cr aber dennoch
ein echter Künstler war, bestätigen Werke, in denen er
das pathetische Sujet aufgab und zu reincr Malerei ge-
langte. Man muß von dem Gros seines Oeuvre ab-
strahieren und man findct ein starkes Künstlerwesen,
das seine eigene urwüchsige Kraft und die allgemein
europäischen Kunstideale in Gleichgewicht zu halten
verstand. Mit wenigen, ausdrucksstarken Gesten ballte
er die ersteu intuitiven Fassungen seiner großen Kom-
positionen zusammen oder schuf mit leichtem Pinsel
Landschaften, beschwörende Erfassungen geheimer

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