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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Märzheft
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Lechner, Felix: Raritäten und Kuriositäten aus Privatsammlungen
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Grautoff, Otto: Wilhelm Wagner
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0315

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Sternen bedeckten Himmel lugen zwei allerliebste
Köpfe einer Engelschar hervor, die den Heiligen kind-
lich betreut.

Diese reiche Gruppe wird vou einem weißen, im
Barockstile geformten, mit Gold verzierten Postamente
getragen, dessen ausgesparte Felder von drei von
Herold gemalten purpurroten Landschaftsbildchen be-
lebt werden, von denen eines mit den verschwommenen
Initialen des Malers „I. G. H.“ signiert zu sein scheint.
Meißen, Schwertermarke (blau), modelliert von Kirch-
ner 1730. Gesamthöhe 50 cm, größte Breite 18 cm.

An diesem Werke, das zweifellos der Hand Kircli-
ners entstammt, hat nachgewiesenermaßen Kändler
mitgearbeitet.

Von vier bekannten Exemplaren dieser 200 Jahre
alten Gruppe befinden sich merkwürdigerweise zwei in
Prag. Eines im Kunstgewerbe-Museum und eines in
meiner Sammlung. Ebenso merkwürdig erscheint es,
daß bei jener Gruppe des Museums der linksseitige
Engcl mit dem Kruzifix fehlt, während bei meinem
Nepomuk der rechtsseitige Engel abgebrochen ist. Die
beiden Stücke unterscheiden sich auch wesentlich in der
Verschiedenartigkeit der Bemalung der Postamente.
Während das rneine mit Landschaften bemalt ist, ist das
andere mit Arabesken geziert.

Der Weichselstrom (Abb. 3). Ein nackter
Mann mit wallendem Bart, ruhend auf einem mit Blumen
und Blätterbelag reich gezierten Sockel, auf dem
Haupte eine Schilfkrone, in der Linken ein Bootsruder
haltend, gestützt auf ein umgekipptes Gefäß, aus dem
Wasser fließt; in der Rechten ein Füllhorn mit
Getreideähren, von rotem Achselband getragen, ein

über dem Rücken hängendes, lichtblaues mit dunkel-
blauem Blätterwerke geziertes Tuch, das vorn über das
linkc Bein fällt; rechts zur Seite ein weißer Bienenkorb.

Das Ganze eine Allegorie des Weichselstromes,
von Kändler zugleich mit einem Gegenstück ,,Der Elbe-
strom“ im März 1747 modelliert. Länge des Sockels
18 cm, Höhe der Gruppe 15 cm.

D i e S i 1 e n g r u p p e (Abb. 8) meiner Sammlung,
in allen Details meisterhaft bossiert, wurde im Jahrc
1760 vou Elias Meyer in Meißen modelliert. Meiner
Gruppe muß deshalb der Scltenheitswert zugesprochen
werden, weil schon im Jahre 1764 das Erdboden-
postament in einen Rokokosockel umgeändert wurde
und von der alten Ausformung nur wenige Stücke be-
kannt sind.

KaiserKarlV. (Abb. 4). Weißpolierte Porträt-
büste, von Kändler und seinem Gehilfen Reinicke im
August 1744 angefertigt. Diese Büste ist die siebente
aus der Reihe von 18 Habsburgern, die Kändler in der
Periode von 1744 bis inkl. 1749 für die sächsische Köni-
gin modelliert liat. Meißen 1744, ohne Marke, Höhe
29 cm, Breite 25 cm.

Ein Paar Leuchter aus dem Schwanen-
s e r v i c e (Abb. 5). Auf Barocksockeln je zwei ver-
schlungene Delphine, deren Körper naturalistisch mit
dunkelgrauen Fischschuppen bemalt sind. Die Tiere
tragen Lichthalter, die aus purpurrot und gold dekorier-
ten Blumen und einem darauf sitzenden gold gerän-
derten Ringe bestehen. Meißen, um 1740, blaue
Schwertermarke, Höhe ohne Bronzesockel 15 cm, brei-
teste Stelle 7 cm.

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Otto Qt?autoff

Weit acht Jahren erscheint in Paris eine Kunstzeit-
^ schrift „Revue du Vrai et du Beau“, die in halb-
monatlicher Folge, an der Pcripherie der Altstadt, von
ernsthaften und sachlichen Kunstfreunden redigiert
wird, die dem Literatenklüngel und dem mondänen
Kunsthandel fernstehen. Es gibt kostbarere Monats-
schriften in luxuriöserem Gewande, aber keine führt die
Weltbrüderschaft der Künstler aller Länder so offen-
sichtlich und entschieden durch wie „La Revue du Vrai
et du Beau“. In ununterbrochener Folge berichtet sie,
dauernd durch zahlreiche Abbildungen belebt, über die
junge Kunst in Ainerika und in allen europäischen Län-
dern. Zum ersten Mal werden in einer französischen
Kunstzeitschrift Ausländische den Einheimischen,
Pariser den Provinzlern gleichgestellt. Das ist ein
schönes Zeichen für die tiefe Verwurzelung des Völker-
bundgeistes im Nachkriegsfrankreich.

Ein Mitarbeiter dieser Zeitschrift durchstreift aucli
iu gewissen Zeitabständen die Ausstellungen und
Ateliers Deutschlands, Oesterreiclis und der nordischen
Länder. Eine dieser Entdeckungsfahrten führte ihn
auch zu Wilhelm Wagner. Daß ein französischer
Kunstschriftsteller ihn während seines kurzen Berliner
Aufenthaltes suchte und fand, ist ein Zeichen tüchtigen
Spürsinnes; denn Wilhelm Wagner gehört nicht zu
jenen Malern, denen man auf allen Ausstellungen, in
allen Kunstsa'lons begegnet. Von jeher hat Wagner
sich von allen öffentlichen Demonstrationen und Mani-
festationen ferngehalten. Nicht aus echter oder falscher
Bescheidenheit, die dcr Schriftsteller hier nutzen will,
um dem Künstler ein billiges Lob zu spenden, sondern
aus Naturanlage; der ganze Kunstbetrieb ist ihm
zuwider. Die Arbeit ist ihm alles. Und in der Arbeit
nicht die Verfolgung von Theorien, Prinzipien und

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