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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Waldmann, Emil; Slevogt, Max [Gefeierte Pers.]: Max Slevogt: zum sechzigsten Geburtstag
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0059

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J as Horoskop, das man dcr Ge'burt Slevogts stellen
könnte, scheint, wenn man die Frage einmal rein
laienhaft betrachtet, kein ganz eindeutiges. Es muß ein
gliicklicher Stern gewesen sein, unter dem er geboren
wurde. Denn sonst wäre es n'icht möglich, daß seine
Kunst soviel Glück verbreitet. Aber zugleich ist ihm
von Anfang an beschiedeil gewesen, es nicht so leicht
zu haben, wie Sonntagskinder des Glücks es zu haben
pflegen. Wo auf seinen Lebenswegen er auch stand:
äußerlich genommen stand er immer allein und paßte
nie so recht in die Zeitläufte. Er ist ein Süddeutscher
aus echtem, aus einem im Süden lang eingesessenen
Stamm, doch die wahre Erfüllung seiner Kunst hat er
diesseits der Maingrenze gefunden.

Von Hause aus phantasiebegabt wie kein anderer
Maler seiner Generation, geriet er in eine Zeit hinein,
in der die Phantasie in der Malerei, die Gabe des Erfin-
dens und die Gabe des Erzählens, beinahe für Unsolidi-
tät gehalten wurde. Einer der größten Zeichner, die
Deutschland seit Menzel beschieden war, trieb er eine
Kunst der Malerei von einer Beschwingtheit und einer
Eigenart, die man ihm steilenweise sogar bis lieute nicht
recht glauben wollte. Und während die öffentliche
Meinung ihn mit Recht für einen geborenen IMustrator
hielt, war er grade damals, ais man seine Illustrationen,
wieder mit Recht, iiber ahes pries, der einzige deutsche
Wandmaler von künstlerischer Bedeutung, den das
zwanzigste Jahrhundert kennt.

Eine Gestalt von bezaubernder, aber manchmal be-
unruhigender Doppelheit. In dem wesentlichsten seiner
Leistung immer der Zeit um einen halben Schritt vor-
aus, und dabei doch, von der jeweiiigen Tageskonstella-
tion gesehen, schon nicht mehr der Allennodernste.
Kurz: Begabt in einem in Deutschland ungewölmliichen
Maße und im selben Augenblick wieder gehemmt von
allen möglichen Widerständen und zwar von Wider-
ständen. die nur zum Teil außerhalb seiner Natur liegen.
Ein Künstler, der es dem Publikum leicht macht, ihn
mißzuverstehen.

Man kann dieses reizvolle Wechselspiel zwischen
Giückhaftem und Schwierigem durch seine ganze Ent-
wicklung hindurch verfolgen. Als er auf die Münchner
Akademie zu dem ausgezeichneten Lehrer Wilhehn von
Diez kam und ihm seine Zeiclmungen vorlegte, sagte
Diez: „Es ist doch schön, wenn der Mensch Phantasie
hat“. Der alte Fabulierer mochte froh darüber sein, im
Zeitalter des Realismus endlich einmal einen Schüler
zu bekommen, dessen Anlagen nicht nur die des begab-
ten Malschülers waren, sondern große Leistungen auf
dem Gebiete der malerischen Erfindung und der gestal-
tenden Erzählung versprach. Aber dann zeigte sicli,
daß dieser junge Slevogt bei Diez, je weiter er arbei-
tete, und je mehr er 'im malerischen Handwerk voran
kam, sich von den anderen Diezschülern im Köpfe-
malen und Figurenmalen kaum unterschied, und daß
diese sprudelnde Erfindungsgabe versiegt schien. Und

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