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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Maiheft
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Steinbart, Kurt: Experten-Instanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0395

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/ahrgang 1929

Herausgcber; iXdOlpt l DonüHl

l.12. MaiUcft

Sxpet’ten ^ Inßans

oon

Kuüt Stetnbaut — jvlat’but’g

I n dcr „Frankfurter Zeitun^“ hat sich vor kurzer
Zeit Alfred Kuhn zum Sachwalter einer „objektiven“
Expertise aufgeworfen. Dankenswert, weil die jetzfge
Expertisenhandhabung sicher schlimme Mißstände auf-
weist, die abzustellen alle Kenner mithelfen sollten, aber
als Mahnruf unzureichend, weil sowohl das Wesen des
Gutachtens in schiefer Beleuchtung gezeigt wird, als
auch die Hauptsache, nämlich Angabe eines Weges
fehlt, der aus dem Dilemma herauszuführen vermöchte.

Als Expertise, die „allein überhaupt Sirin hat“, wird
diejenige bezeichnet, die der Herkunft des betreffenden
Kuustobjektes nachzuspüren und diese einwandfrei auf-
zuzeigen vermag. Hier bereits stockt der Nachdenk-
liche. Denn solchcrlei Kriterium bezieht sich einzig
und allein auf die Provenienz, umfaßt also keineswegs
die gesamte Expertise, wenn sie vollgiiltig se'in will,
sondern nur einen Teil derselben. Günstigstenfalls!
Am häufigsten kommt es vor, daß die Herkunft nicht
nachpriifbar, geschweige denn bis zur Zeit der Ent-
stehung des Werkes zuriickzuverfolgen ist. Im ersten
Falle kann die Feststellung des Ursprunges ein selir
wesentliches Argument der Ueberlegungen seiri, aber
nicht das ausschließliche. Nun erst beginnt der Ver-
gleich mit dem als einwandfrei bekannten Material der
betreffenden Spanne, um Kreis oder Meister und mög-
iichst genaue Entstehungszeit festzulegen. Erst wenn
diese stilkritischen Bemiihungen gelingen und, was sehr
wohl vorkommen kann, der selten völlig einwandfrei zu
eruierenden Herkunft nicht etwa im Endergebnis zu-

widerlaufen, kann von einem vollständigen Gutachten
gesprochen werden. Im zweiten Falie, der täglich ein-
tritt, sollte eine gutachtliche Aeußerung nur darum
weniger wertvoll sein, wcil dem zu bestimmenden
Kunstwerk kein „Steckbrief“ beizugeben ist? Das be-
deutete Bankrotterklärung kunstgeschichtlicher For-
schung! Berufene, nur um solche kann es sich händetn,
werden aus ihrem Studienbereich stammende Stücke
auf ihre Echtheit hin erfolgreich zu prüfen und einzuord-
nen vermögen, auch wenn sie in der Attribution an einen
speziellen Meister schwanken und diesbezüglich ein
„non liquet“ aussprechen soliten. Dieses letzte Gut-
achten, ohne das wir nicht auskommen, ist ebenso wich-
tig und korrekt wie jenes, das mit auf Quellen, Inven-
taren oder sonstigen außerkünstlerischen Angaben zu
fußen vermag. Nur muß es folgende Bedingungen er-
füllen. Es geht nicht an, daß die Autörität eines Gebie-
tes aucii als Vorspann für ein ihm ferner liegendes bc-
nutzt wird. Dazu ist der Kunsthandel vom Publikum
selber verleitet worden, das sich über die Spezialisie-
rung der Wissemschaft im Unklaren befindet und jedern
Namen vertraut, wenn er nur recht bekannt ist, ohne
sich meistens zn vergewissern, ob der betreffende
Expert auch tatsächlich für die vorliegende Frage zu-
ständig ist. Neben der Kompetenz des Fachmannes ist
unbedingt Ausführiichkeit zu fordern. Ein Zertifikat
des Inhaltes: „Ich halte dieses Bild fiir eine eigenhän-
dige Arbeit des Meisters X.“, wie es nicht erst in der
Inflationszeit, söndern bereits vordem erteilt wurde

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