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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Juliheft
DOI Artikel:
Riess, Margot: Paläste und Kirchen in Umbrien
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0512

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Paläße und Ktr?cben in Umbt’ten

oon

jvlaügot Riess

/V/Ian kommt durch Orte mit Namen von kosendem
Wohllaut: S p e 11 o , F o 1 i g n o, F a b r i a n o ,
geläufig für uns im Klange, da sie in der Künstler-
geschichte alle cinen ruhmvollen Piatz haben. Auf den
Hügeln liegt Glanz wie auf Stirnen der Heiligen, die sich
dcn frommen Malern dieses Landes einst mit ihrem
ganzen Sein darbrachten, so daß sie späten gottfernen
Menschen nocli ihre unverrückbare Gegenwärtigkeit
in die Seelc zu brennen vermögen. I)as karge schroffe
Bergland von Assisi entläßt liclite weite Täler. Die
krummarmigen Maulbeerbäume mußten bereits itn Mai
all ihr Grün für den Seidenwurm hergeben, Weingerank
tröstet nun ihre Kahlheit fort, so daß sie bekränzten

Wir kommen zuerst nacli Orvieto. Arn Abende
sollte man zum ersten Male vor die Fassade des Domes
treten, dann ist das Ganze ein ungeheures Versprechen
von Glanz, Kraft, Ahnung von Farbigkeit, ragender
Kühnheit, Formenreichtum, Reliefwundern. Am Tage
erinnert mich diese strahlend schimmernde Pracht an
ein Wort, mit dem man einmal von der Gotik inr Allge-
meinen geschwärmt hat — sie sei „ein Traum vom
Morgenlande, den die Kreuzritter träumten“. Aber ein
Taum wie Albdruck fast, allzu nalie und unausweichlich.
Vergleicht man diese Fassade in ihrer fast sündigen
Kostbarkeit mit der eines nordischen Domes aus glei-
cher Zeit, tnit Reims etwa oder dem Freiburger Mün-

Chor der Kathedrale
zu Orvieto

1414—1431
phot. Ed. Alinari

Leuchtern gleich auf dem Altar der Erde stehen, die in
Fülle Korn und blutenden Mohn der Sonne zum Opfer
darbietet. Ueber niedrige sanftbewaldete Kämme
grüßen Berge mit freundlichen Mönchsmützen heriiber,
fast wie Schwarzwaldberge anheimelnd für den, der aus
der steil unnahbaren Landschaft Süditaliens kommt, nur
daß hier und dort stahlscliarfe Silhouetten schwärz-
licher Cypressen zu ernsten Gruppen geballt fremd
davorstehen. Hier wollen sicli Nord und Süd umarmen.
Oliven- und Citronenbäume wcrfen ilire kapriziösen
Schattenbilder auf deutscli anmutende Belfriede. Und
die Menschen blicken hier schon mit etwas nördlichem
Mißtrauen, ihr Scliritt ist auch bewußtcr, energischer
ausgreifend als das schöne sich Wiegen der Menschen
des Südens, doch ihre Lieder — sie singen viel bei der
Arbeit vor sich hin — verraten nocli seliges Geboren-
sein aus südlichem Traumlaut,

ster, so faßt man auch zugleich im Sinnbilde den Unter-
schied in der Haltung der Gottesdienste in Italien und
im Norden. Das edelbrünstige Hinaufdräuen mit hoch-
erhobenem Turmfinger bei den nördlichen Domen
spricht von unerbittlicher Trennung zwischen geist-
lichern und alltäglichem Dasein des Menschen, von Ab-
tötung, Zerknirschtheit, Krampf und hochjauchzender
Ekstase. Während einem in ltalien dagegen bei jedem
Gottesdienste, dem man beiwohnt, von neuem das kirrd-
haft unbekümmerte Ruhen irn Schatten des weiten
Gottesmantels zunr staunenden Erleben witd. Hier
sclreinen uns die Menschen mit dern lieben Gott mehr
„auf Du und Du“ zu verkelnen, jedenfalls deuketr sie
ihn sich so wie sie selber mit einer ungelreuren Ereude
an Glanz und Putz behaftet und dienen ihm mehr auf
eine ausschweifend heidnische Art, von der es sich leich-
ter zum Gewühl und Lärm des Marktes zurückfinden

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