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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Augustheft
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Stein, E.: Ausstellung "Das Judentum in der Geschichte Schlesiens": Breslau-Kunstgewerbemuseum
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Pelka, Otto: Die Tätigkeit des Landes-Gewerbe-Museums in Stuttgart
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0551

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sei das Thoraschild aus der Landschulsynagoge in Bres-
lau erwähnt, von einem Breslauer Gol'dschmied um
1770 gefertigt. Eine große Seltenheit ist die Sammlung
von Verlobungsringen (für die Braut), die mit reicher
Filigran- und Emai'llearbeit geziert sind.

Vervollständigt wird die Ausstellung durch die
Sammlung von Handschriften, Inkunabeln, Drucken und
Kupferstichen. Auch die Handschriften und Miniaturen
lassen den Einfiuß der gleichzeitigen Miniaturen des je-
weiligen Gastvolkes (Deutschland, Italien) erkennen

(Codex der Universitäts-Bibliothek und die Manus-
kripte des Jüd. Theol. Seminars).

Der sorgsam bearbeitete Katalog von E. Hintze
(mit 20 Tafeln) enthält eine ausführliche Beschreibung
der Kultgegenstände. Ihr geht eine Erklärung des
Namens, des Symbols und der Verwendung innerhalb
der Kulthandlung voran, ebenso ein Hinweis auf die
betr. Feste und Gebräuche. Ein Abriß der Geschichte
der Juden in Sclilesien von W. Cohn erläutert den
historischen Teii.

Die Xätigkeit des tandGS -Qemevbe-jviufeums m Stutfgact

üon

Otto p e lka s Letp^lg

A llmählich, in einem nicht überall gleichmäßigen, son-
*- dern von der Einsicht in neue Zeitnotwendigkeiten
und dem Umstellungsvermögen ihrer Leiter bedingten
Zeitmaß vollzieht sich eine Aenderung des Aufgaben-
komplexes der Kunstgewerbe-Museen, soweit sie sich
nicht darauf beschrärtken, ihren traditionellen Charakter
als Sammelstätten kunstgewerbegeschichtlicher Denk-
mäler zu wahren und darauf verzichten, selbst nur als
historische Sehenswürdigkeiten betrachtet zu werden.

Unter den Museen für Kunstgewerbe, denen es ge-
lungen ist, Vergangenheit und C.egenwart zu einer
lebendigen Kraftquelle für die Zukunft zu gestalten,
steht das Stuttgarter Landes-Gewerbe-Museum unter
der Leitung von Pazaurek an erster Stelle in Deutsch-
land. Der vor kurzem veröffentlichte Bericht über die
drei letzten Jahre gibt einen beispielhaften Ueberblick
iiber die Oekonomie der Kräfte, wie sie in einem moder-
nen Kunstgewerbe-Museum gehandhabt werden muß,
um einen Wirkungsertrag zu ermöglichen. Einen ab-
soluten Maßstab, nach dem in cinem solchen Falle sich
einwandfrei eine Erfolgberechnung anstellen ließc, gibt
es natürlich niclit. Nur schätzungsweise läßt sich aus’
der Besucherzahl, also aus einem quantitativen Faktor,
auf die qualitative Leistung schließen. Und dafür genügt
ein Vergleich der Besuchsziffern. Im Jahre 1908 waren
es 7016 Personen, das Jahr 1927 wies eine Besucher-
zahl von 80 869 Personen auf. Ein glänzendes Zeugnis
für die zähe, unermüdiiche Ausdauer Pazaureks und
seiner Mitarbeiter, trotzdcm, daß auch in Stuttgart die
Klage über mangelndes lnteresse namentlich der gebil-
deten Kreise nicht verstummen will.

Einer traditionellen Gepflogenheit entsprechend be-
ginnt die Berichterstattung mit der Aufzählung und kur-
zen kunstgeschichtliclien Würdigung der Neuerwerbun-
gen für die Sammlungen, nach Materialgruppen getrennt.

Der Erwägung wert crscheint mir, ob für die
Zukunft in den gedruckten Berichten die Beibehaltung
dieses Schemas: Sammeln bzw. Konservieren und da-
nach erst die eigentliche produktive Museumstätigkeit,

die erzieherische Kunstpfiege in ihren verschiedenen
Zweigen: Führungen, Vorträge, Ausstellungen in dcr
Berichtdarstellung noch berechtigt und notwendig ist;
der weitaus größte Arbeitsaufwand und die für die All-
gemeinheit wichtigeren Aufgaben und ihre Lösung sind
mit der praktischen Auswertung der geschichtlichen
Dokumente des alten Kunstgewerbes doch nur mittel-
bar verbunden, insofern sie ein Korrektiv der rnodischen
Bestrebungen intellektualistisch eingestellter Nüchtern-
heitsfanatiker sind und den Zweck haben, ,,die zu allen
Zeiten und bei allen Völkern selbstverständliche Freude
an der licbevollen Gestaltung und Durchbildung unserer
ganzen Umgebung als daseinsberechtigt zu vertei-
digen“, so daß man „wieder das Gefühl dafür erhält, wie
trefflich und abwechslungsreich die verschiedenen, an
uns täglich herantretenden Aufgaben unter den stets
wechselnden Verhältnissen gliicklich gelöst werden
konnten.“

Man müßte nicht so von der Leidenschaft des
Sucliens und Findens beherrscht sein wie Pazaurek und
mit einem so hervorragend ausgebildeten Sammler-
spürsinn begabt sein, und eine so glückbegünstigte Ge-
schicklichkeit besitzen, Stifter und Freunde für sein
Museum zu werben, um nicht auch in unserer gegen-
wärtigen, von Krisen aller Art durchrüttelten Zeit den
Weg ruhigen, unbeirrbaren Fortschreitens zu finden.

Aus der Fülle wertvoller Neuerwerbungen seien nur
die der keramischen und der Metallsammlung, der neben
der Sammlung der Holzarbeiten im allgemeinen wicli-
tigsten Gruppen eines kunstgewerblichen Museums,
hervorgehoben. Der künstlerische und geschichtliche
Schwerpunkt liegt in dem Zuwachs der Porzellan-
abteilung, der sicli für Meißen ganz besonders reich ge-
staltet hat: von mehr historischem Wert ist, um in der
chronologischen Reihe zu bleiben, ein bemaltes Exem-
plar des „Natan Hirschl, der pragerischen Judenschaft
Primas“ nach dem Callotto resuscitato (ein weißes
Stück war bei Gumprecht, Nr. 367), der wie die übrigen
nach der gleichen Quelle modellierten Figuren zu den

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