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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Januarheft
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Flied, Bettina: Im Hause Segantinis
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Aus dem nordischen Kunstleben / Londoner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0231

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Sein, Vergehen“. Üeber den nicht völlig vollendeten letzten zwei
ereilte den Maler der Tod auf dem Schafberg oberhalb Pontresina,
wohin er sich einige Wochen vorher mit seiner Arbeit begeben
hatte, nur von einer treuen Dienerin und seinen zwei Söhnen be-
gleitet. Die Witwe zeigt mir noch da;s dem Atelier gegenüber-
liegende Wohnzimmer, das mit antiken Möbeln, italienischen und
hoiländischen Wandgemälden, Bronzen und allerlei Kunstgegen-
ständen überreich gefüllt ist. Dann steigt sie mit mir in das obere
Stockwerk, in ihr Schlafzimmer, das sie zu Lebzeiten ihres Mannes
mit diesern geteilt hat. Die wenigen Möbel: Bett, Schrank, Stühle,
kleiner Tisch und Wandschränkchen in künstlerischer dunkler Holz-
schnitzerei mit helleren Intarsien, in maurischem Stil, nach Ent-
würfen des Meisters ausgeführt. Das Fußende des Bettes schmückt
esin großes helles Relief-Porträt von Donatello. Und den ganzen
intimen, künstlerisch ausgestatteten Raum beherrschend, griißt auf
liohem Sockel eine prachtvolle, lebensgroße Biiste des Meisters,
vom Fürsten Trubetzkoy in Mailand ausgeführt. Die gleiche, in
Erz gegossen, schmiickt die Eingangshaile zum Segantini-Museum
in St. Moritz. Diese Büste ist wohl das beste Porträt, das uns
vom Künstler geblieben ist. In sprühender Lebenskraft steht er
wie lebendig vor dem Beschauer. Sein kiihler dunkler Blick spricht
von Mut, Energie, Trotz, Lebensbejahung. Nur schwer entziebt
nran sich der magischen Wirkung dieses Künstlerkopfes. Noch ganz
im Banne der großen, fast sprechenden Augen nehme icli Abschied
vc-n der Frau, Abschied von der Stätte, in der ein großer Geist

lebte und schuf. Und wie ich wieder ins Freie trete, schweift mein
Blick über Landstraße itftd Wiesen hinweg zu einem anderen Hügel:
dem Kirchhof von Maloja, auf dem, angesichts seiner geliebten
Berge, zwischen Tannen und wild wuchernden Gebirgsblumen der
Künstler zur ewigen Rulie einging.

Bettina Flied.

*

Das Segantini = jvtufeum in St. Jvtoeih.

An der Waldpromenade von St. Moritz, mit Ausblick auf den
malerischen, jadefarbenen, von Hocliwald und Bergriesen umstan-
denen St. Moritzersee, ragt wie ein Burgverließ ein turmartiger
Steinbau: das Segantini-Museum. Die Gemeinde St. Moritz hat mit
Hilfe von Privatstiftungen und dem Miuseums-Komitee dem größten
Maler der Alpenwelt im Jahre 1911 dieses Denkmal errichtet. Das
Museum enthält neben zahlreichen kleineren Originalgemälden und
Reproduktionen das letzte und größte Werk des Kiinstlers: das be-
riihmte Triptychon „Werden, Sein, Verge.hen“, das ursprünglich für
d-ie Pariser Ausstellung von 1900 bestimmt war. Nur das erste:
„Werden“ ist ganz vollendet worden. Ueber den letzten Arbeiten
an den beiden anderen creilte dein Kiinstler am 29. September 1899
der Tod aiu:f dem oberlialb Pontresina gelegenen Scliafberg, wohin
er sich kurz vorher begeben hatte, um in völliger Ruhe sein großes
Werk zu vollenden.

Aus dem tiot?difd)en Kuntfteben.

Das neue Jahr bringt gleich in seinem Beginn eine kunst-
geschichtliche Spezialausstellung von hohem Interesse: die Aus-
stellung k i r c h 1 i c h e r Webekwnst in Liljevalchs Kunsthalle
in S t o c k h o 1 m , die auf die Initiative des Staatlichen Histo-
rischen Museums zurückgeht. Ihre sachgemäße Ausgestaltung wird
durch die Zusammensetzunig des vorbereitenden Aussohiusses ver-
bürgt, dem außer dem Prinzen Eugen und Erzbtchof Söderblom als
Ehrenvorsitzenden u. a. der Reichsantiquar, Dr. B. Thordeman,
Freiherr C. A. von Ugglas und Professor Andreas Lindblom ange-
hören. Schweden verfügt über einen erstaunlichen Reichtum an
kirchlichen Textilien, der bis auf die romaniische Zeit zurückgeht
und zahlreiche kostbare und seltene Stücke umfaßt. Der Paramen-
tenschatz des Domes zu Upsala ist seit dem 13. Jahrhundert in un-
unterbrochener Folge erhalten. Da die Dome und Kirchen des
Landes sowie die öffentliohen und privaten Sammlungen ihre Betei-
ligung an der Ausstellung zugesagt liaben, so ist von ihr Bedeu-
tendes zu erwarten.

Der italienische Staat hat idem dänischen N a t i o n a 1 -
museum zu Frederiksborg eiu wertvolles Geschenk ge-
macht. Es ist dies ein künstlerisch und geschichtlich interessantes
Bildnis des Königs Christian II., das bisher im Magazin des
Museums zu Neapel aufbewahrt worden war. Dorthin ist es mit
der berühmten famesischen Sammlung gekommen, in die es ver-
mutlich durch die Heirat des Ottavlio Farnese mit Margarete von
Parmia gelangt war (Margaretens Vater, Kaiser Karl V., war Christi-
ans II. Schwager). Das Bildnis ist mit der Jahreszahl 1526 bezeich-
net und mlitbin auf Christians Auslandsreise in den Niederlanden
gemalt worden. Es ist ein Profilbild und zeigt die Züge des Königs
in tüchtiger Gharakteristik. Nachdem Konservator Rönne die
Uebermalung entfernt hat, -stellt sich das neuerworbene Porträt an
Wert dem des Königs im Kopenhagener Kunstmuseum zur Seite,
das aus dem Jalire 1515 stammt.

Eine andere iglückliche Neuerwerbung ist demselben Museum
durch den Ankauf einer Sammlung von alten norwegischen
B a u e r nlf iig u r e n der königiichen Porzellanjmanufaktur gelun-
gen. Diese Figuren haben ein besonderes kunstgeschichtiiches
Iiiteresse, inso'fern sie dem Bildhauer Gotfried Grundt als Modelle
zu jenen durch ihren naiven Realismus merkwürdigen Figuren und

Gruppen norwegischer Bauern gedient haben, die er für den Park
zu Fredenisborg geschaffen bat. Die Figuren gehen auf eiuen Post-
halter in Bergen zurück, der Puppen mit Trachten der bäuerlichen
Bevölkerung in der Umgegend der Stadt ausstaffierte. König
Friedrich V. von Dänemark, der von dieser eigenartigen, allmäh-
lich auf 56 Figuren angewachsenen Sammlung hörte, erwarb sie und
ließ danach die Porzcllanfiguren ausführen. Ein Teil davon ist sehr
selten geworden; in der Versteigerung Glückstadt wurden einige
Stiicke mit 1000 Kronen bezahlt. Nun hat sich an einer entlegenen
Stelle in Jütland ein vollstänidiges Exemplar der Sammlung gefun-
den, und dieses ist jetzt vom Frederiksborger Museum erworben
worden.

Der dänische Architekt Andrcas Clemmenson ist im
Alter von 7'6 Jahren verstorben. Er war ein Vertreter der ge-
schichtlichen Stilarchitektur des 19. Jahrhunderts; seine Haupt-
leistung ist die 1925 voillendete Erneuerung des Königsdomes zu
Roskilde, den er durch die Begräbniiskapelle des Hauses Giücksburg
ei weitert hat.

Dem K o p e n h a g e n e r Muscum hat einer der hervor-
ragendsten Prlivatsammler iDänemarks, Tetzen-Lund, eine Anzalil
bedeutender moderner Gemälde zum Geschenke gemacht. Beson-
ders wertvoli sind die Werke norwegisoher Künstler, für die Tetzen-
Lund sich lebhaft interessiert. Es sind dies der „Feierabend“ von
Edvard Munch, das Selbstbildnis von Ludwig Karsten und das Por-
tiät eliner Schauspielerein von Henrik Sörensen — säm'tlicli Arbei-
ten von hoher Qiualität. die ei.ne sehr willkommene Ergänzung der
Gruppe moderner norwegischer Malerei in deni Kopenhagener
Museum darstellen. Bei1 dieser Gelegeniheit sei übrigens erwähnt,
daß E d v a r d Muinch jüngst seinen 65. Geburtstag gefeiert hat.
Zu den „Alten“ list er darum doch nicht zu zählen. Er steht im
Voilbesitze seiner künstlerischen Kraft, ja man darf sagen, daß
gerade in den letzten Jahren seine Kunst wieder einen neueii Auf-
schwiung genomimen und die letzte Reife an monumentaler Größe und
Wucht erreiciht hat.

Vor einiger Zeit hat Gyldendal Norsk Forlag in Oslo das große
Unternehmen der „N o r s k Kunsthistorie“ zum glücklichen
Abschluß igebracht. Es gereicht dureh seine geradezu vorbildlicli
vornehme und. was den Bildstoff aniangt, selir reiche Ausstattung

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