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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Februarheft
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Bülow, J. v.: Deutsche Kunst in Belgien
DOI article:
Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Der Fluch der Berümtheit / Kongreß für Niederländische Kunstgeschichte / Eine Lessing-Tasse
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0279

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ren. Ein Maler, der vvie cin Kind oder ein Geisteskranker malt,
braucht deswegen weder das eine noeh das andere sein.

Daraus abcr auf die Bcrechtigung kindlieh anmutender oder
wahnsinnig erscheinender Wcrke aus dcr Hand eines Erwachsenen
und nach ärztlicher Meinung geistig Gesunden zu schließen, ist
ein Schritt übers Ziel hinaus. Kunst kommt schließlich von Können.
Wir verlangen von ihr bewußte, planmäßige, wenn auch durchaus
persönlich gestaltete Wiedergabe der Umwelt. Läßt der Künstler
sich die Hand führen von Hallunzinationen, dic cr bewußt herbei-
führt oder unter dcren zufälligem Auftreten er sciiafft, so kann
uns das, wenn ein ästhetischer Erfolg erzielt wird, gewiß inter-
essieren, sicher auch erfreuen, aber mit Kunst hat das nichts zu
tun. Rohes Eiweiß in ein Wasserglas gegossen, erzeugt zweifeilos
interessante Phantasiegestalten und Petroleutn, das auf einem Tüm-
pel schillert, gibt unerhört schöne Farbenwirkungen. Man kann
beides genicßen, ohne dem Urheber dankbar sein zu miissen, oline
ihm Lorbeeren zu flechten und oltne ihn deshalb zum Akadetnie-
direktor zu machen oder in Museen zu feiern. Ich kann mir den-
ken, daß aus solclien Zufallserscheinungen der Natur dekorative
Dinge geschöpft werden können, Stoffmuster, bauliche Konstruk-
tionen, aber losgelöst aus irgendeinem Zweck haben diese Erzeug-
nisse nur in den seltensten Fiillen Daseinberechtigung. Erkenntnis-
wert haben sie nur, wenn sie wirklieh aus Kinder- oder Irrenzeich-
nungen geschöpft wurden. Dann decken sie Untergründe des
menschlichen Bewußtseins auf, zu denen wir mit unseren sonstigen
Erkenntnismitteln nicht gelangcn können, aber sie neben die wirk-
liche Kunst oder gar über sie stellen ist ein Verkennen des Zweckes
der Kunst. Kunst ist schließlich für die Allgemeinheit bestimmt,
wenn sie auch oft zur Zeit ihres Entstehens nur von denen ver-
standen wird, dic den Sinn für dic Aufnahnie des nicht Alltäglichen
schärfen konnten, aber U'as dcgenerierte Snobs, deren Geistes-
leben schon an Geistesverwirrung grenzt, schön finden, darf niclit
der Menge verwirrend als höchste Kunstleistung vorgetragen
werden.

Dr. J. v o n Bülow.

KuriffausffeüungerL

Bßrliru

Bei F 1 e c h t h e i m sind die Bilder und Zeichnungen des
Jahres 1928 von Max Beckmann zu sehen. In ihnen ist nicht
mehr Oual, Anklage, Verzerrung und niclit mehr so stark die
zeichnerische Struktur der friiheren Jahre, sondern Mensch, Ding
und Landschaft erstehen rein aus der Farbe, die lärmend, grell ist
und hart durch viel Schwarz und Weiß. Kompositionen in eincr
Farbe sind wiederholt versucht in Stilleben und in der ganz in Rot
getauchten Landschaft von Sclieveningen „Blick aus dem Hotel-
fenster“ und der Zwang des früher oft angewandten schmalen
Rcchteckes ist fallen gelassen. Am interessantesten ist die „Loge“
mit der Frau im Vordergrunde und dem Mann mit dem Opernglas
hinter ihr, beide durch die Andcutung der Logenarchitektur wun-
derbar in den Raum gcsetzt. Unwillkürlich drängt sich dcr Ver-
gleich mit dem gleichnamigen und ähnlich angeordneten Bild
Renoirs in Paris auf. Es ist angesichts dieser Bilder sonderbar,
daß alles Schrifttum um Max Beckmann sich nicht genug tun kann
an Uebermaß des Ausdrucks; denn die Kraft des Erlebens in ihnen,
die Auseinandersetzung mit der Welt ist im Grunde künstleriscli
so großzügig und einfach, in starker Farbe und Plastik, ganz ohne
das Pathos, das er um sich entfesselt.

*

Ebenfalls eine Schau neuesten Schaffens ist die Ausstellung
von Max Liebermann bei Bruno Cassirer. Porträts und
immer wieder Bilder aus dem Garten in Wannsee, die er nicht
müde wird zu malen und bei denen die Müdigkeit eines so holien
Alters wirklich nicht zu spüren ist! Wie das vielerlei Grün von
Rasen und Pflanzen sich in Licht und Luft mit einem rauschenden
Rot verbindet, wie das Wachsen und Blühen üppig aus der war-
men Erde quillt, wie eine junge Frau im lebhaften Gespräch die
Hände mit zart aneinandergelegten Fingerspitzen vor sicli hinhält
und lächelt — das ist alles so überwältigend, daß man sich vor

dem Selbstporträt des Meisters neigen möchte, aus dem dcr
Sitzende so ernst blickt. Und dieses ist das Schönste, ganz in
Grau-Grün gchalten. Die Zeichnungen, Lithographien, Pastelle,
Radierungen, unter denen die Porträts von Karl Scheffler, Heinrich
Mann und Hofstede de Groot von so feiner Charakteristik sind,
lassen nur wünschen, daß man noch oft so eine Jahresschau ge-
nießen dürfe.

*

Bei Casper sind Zeichnungen und Pastelle von Ludwig
von Hofmann zu sehen. Die Zeichnungen verraten den

HI. Florian, Tirol um 1470
Sammlung Ad. Piel

Versteigerung Bangel-Wertheim am 26. Februar

Maler In den 90er Jahren nocli stark von Böcklin, Klinger,
Marees beeinflußt, später freicr der Impression folgend. Fein
abgestimmte Pastellandschaften und gut bewegte Menschen- und
Tierkörper sind unter den zahlreichen Blättern. Vier Landschafts-
motive aus Berlin hat das Märkische Museum erworben.

*

Fritz Gurlitt bringt Bilder von Stanislaus Stück-
g o 1 d, früher von München und Paris her bekannt. Es ist ein
Ueberblick über das Werk eines Sechzigjährigen, in der Haupt-
sache Porträts und Stilleben. Ein eigenartiger Bruch zieht durcli
alle diese Bilder: das Inhaltliche, Geistige neigt zu etwas fast
mystisch Anmutendern hin, das das Gegenständliche zum Symbol
umdeuten will, während die Farbe, besonders liell und bunt, in
kühles Licht getaucht, gar nichts davon verrät. Sehr gut ist das

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