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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Novemberheft
DOI Artikel:
Hildebrandt, Edmund: Die beiden Professoren vor der "Aula": Fichte und Savigny von Hugo Lederer
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0107

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/ahrgang t928

Herausgcber: /Xdolptl Donüfn

1./2. iNTovcmbcrheff;

Dte betden Profeffoüen oot? det? „Aula“

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6dmund )iiHebnandt

jVIoch imtner steht das architektonische Zentrum des
Fridericianischen Berlins, der alte Opernplatz, itn
Mittelpunkt widerstreitender Interessen. Pietätvolle
Bewunderung der trotz aller entstellenden Zutaten ein-
zigartigen Schönheit dieses Platzes tritt mit den gebie-
terischen Anforderungen des neuesten Tages in stän-
digen Konfiikt. Wie eine spätere Gegenwart dereinst
über Kompromisse und Lösungen 'wie die jüngste Umge-
staltung des Opernhauses und seiner Umgebung denken
wird, können wir heute nicht wissen. Lob und Tadel
sind noch allzusehr von der Parteien Gunst und Haß
diktiert, und es wird für die Mitlebenden stets der
fruchtbringendere Gesichtspunkt bleiben, am Neuerwor-
benen das Gute zu schätzen und das weniger Gute der
Korrektur der Zukunft zu überlassen.

Zu diesem Guten gehören in erster Linie die beiden
Statuen Fichtes und Savignys, die vor ein paar Jahren
am Portai des Aulagebäudes Posto gefaßt haben. So
wenig sie bisher den Anspruch einer Popularität im
Sinne der älteren plastischen Genossen ihrcr näheren
Umgebung erheben können: ihr Wert als Kunstwerke
an sicli darf es beanspruchen, einrnal näher gewürdigt zu
werden, zumal unsere täglich an iluien vorübereilenden
Mitbürger jeden Alters und Standes erfahrungsgemäß
— dank der mangelnden Inschrift — weder die Namen
der Dargestellten, nocli den ihres Verfassers kennen.

D e n k m a 1 und Kunstwerk : das sind in
Beriin (und auch anderwärts) bekanntlich nicht immcr

identische Begriffe. Von den meisten der Stein- und
Bronzemänner, die die Straßen und Plätze der moder-
uen europäischen Großstädte bevölkern, kann gesagt
werden: sie leben vou dem Rulim des Heldeni, den sie
verewigen sollen, und nur in seltenen Ausnahmen von
ihirer eigenen künstlerischen Bedeutung. Wären die
beiden Neuiinge vor der Aula nichts als eine Bereiche-
rung unseres Vorrats an historischen Porträtstatuen, so
lohnte es nicht, länger bei ihnen zu verweilen. Aber sie
sind mehr, und ihr Wert und Wesen geht jeden an, auch
den, der nie die Namen der beiden gehört oder in dessen
Gedächtnis die Erinnerung an die historischen Persön-
liclikeiten verblaßt ist. Wahrhaft große Kunst ist nie
Dienerin der Geschichte und sie leistet ihr Höchstes erst
da, wo sie rein menschliche, e'wig gültige Normen ver-
körpert. Um solche handelt es sich hier. Die Gegen-
richtung der beiden Gestalten ist Ausdruck der Gegen-
sätzlichkeit zweier geistiger Konstitutionen.

Schon wer die äußere Erscheinuug der beiden
flüchtig mustert, entdeckt die Kontraste. Ganz Vornelnn-
heit der linke, ganz Reserve und kühle Gemessenheit in
Haltung und jeder Bewegung. Der rassige Kopf, die
feingliedrigen Hände, der enganschließende Rock von
tadellosem Sitz: alles verrät den Aristokraten. Ein
Nervenmensch, der allem Lauten aber auch allem Spou-
tanen abhold, sich auf sein eigenes Ich zurückzuziehen
liebt. Der Typus des Gelehrten, der mit subtiler Vor-
sicht jeden Gedanken und vor allem jedes Wort abwägt,

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