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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Februarheft
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Steinbart, Kurt: Giorgio de Chirico: anläßlich seiner Londoner Ausstellung
DOI Artikel:
Friedberg, Otto: Anzeigepflicht bei Besitz von Kunstwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0268

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gewichtigen Kombination zweier Komponenten nicht
die Rede sein kann. Doch das ist nur die eine Seite
von Chiricos Bemühung. Wie, wenn man nuu ver-
suchte, die Landschaft in den geschlossenen Raum hin-
eintreiben zu lassen? Auch hierfür gibt der Italiener
einen Beleg. Man schaut in ein kahles Interieur mit
Bretterbelag, so daß die dem Auge zunächst liegende
eine Wand fortfällt und der Blick frcien Eingang hat.
Gleich eincr Kulisse schiebt sicli von links ein Wäld-
vorhang in den Raum, gleitet von rechts eine Wasser-
attrappc über dcn Fußboden. Ein Eindruck, der dem
entspräche, wenn bei cinem Bühnenwechsel von dem
Interieur einer Szene zur Wald- und Wasserlandschaft
der folgenden versehentiich der Vorhang hochginge.
Nicht mehr und nicht weniger! Aber niemals ein wirk-
lich befriedigender Versuch, die erstrebte Verankerung
von Innen und Außen einer künstlerisch starkgeistigen
Lösung zuzuführen. Kindliche Spielereien, die jedes
tieferen Sinnes ermangeln.

Gerade die Magie der Sachlichkeit — ein Name wie
„Superrealismus“ ist für die Bewegung rasch geprägt,
muß herhalten, um etwas zu besagen, wo Leere gähnt
— ist nicht zu finden. Wäre sie es, so könnte man nicht
mehr von Sachlichkeit sprechen, die ein für allemal
nicht magisch ist, sonst müßte der Begriff sich seibst

negieren. Die Tatsache, daß nichtsdestotrotz versueht
wird, das Objekt, gleichgültig ob es organisch oder
anorganisch ist, mit überaatürlichen Kräften zu ver-
sehen, zeigt eben den falschen Weg. Wenn Chirico den
Philosophen auf die Leinwand projiziert, gibt er einen
schemenhaften Rumpf von Mensch, monströs kleine
Füße und einen Kopf, der ohne Augen, Nase, Mund und
Ohren einein Ei gleicht, und stelzt auf seinem Schoß
Bücher, Rollen, antikc Skulpturen- und Architektur-
fragmente übereinander zu einem künstlichen Haufen,
zeigt uns also Dinge, um welche angeblich das Hirn
seines Philosophen kreist. Rein äußerliche Attribute
inüssen letzten Endes zur Deutung herhalten, ohne daß
im Entferntesten an liöhere Maßstibe gerührt würde,
die anzulegen immer Eigenheit des Genius war.

Nein, liier wird nicht die Blütezeit der Antikc von
einem Menschen der Gegenwart neu geboren, sondern
nur manieriertes Stückwerk aus ilirer grandiosen
Schatzkammer geboten, hier wird nicht das Pigment
zu einem Faktor eigenen Lebens, das fortwirkt, sondern
zum schnell verlöschenden F'euer entfacht, und hier
stekt kein begnadetcr Geist die räumliche Verzahnung
oder die magischen Hintergründe unseres Lebens dar,
sondern verbirgt sich ein Scliauspieler hinter Mystifika-
tionen, ohne je von seiner Rolle besessen zu sein.

An^eigepfUcbt bet Befttz oon Kunfitoerken.

Don Landgepfcbtsmt Otto fviedbevg.

Das Reichsgericht hat kürzlich eine Entscheidung gefällt, die
für den deutschen Kunsthandel von Wichtigkeit und Interesse ist.
Sie wird aber in diesen Kreisen voraussichtlich keine einmütige
Billigung finden.

Das Urteii betrifft die Ausfiihrungsbestimmungen zur Ver-
ordnung über die Ausfuhr von Kunstwerken; sie sind am 11. Dezem-
ber 1919 vom Reichsminister des Innern erlassen. Die Verordnung
selbst, zu dcr die Ausführungsbestimmungen ergangen sind, wird
den Fachkreisen bckannt sein, ihre Geltungsdauer ist durch Gesetz
vom 21. Dezember 1927 bis Ende 1929 verlängert, mit cincr weiteren
Verlängerutig auf wiederurn zwei Jahre wird bestimmt zu rechnen
sein.

Naeh der Verordnung hat der Reichsminister des Innern über
alle diejenigen Kunstwerke ein Verzeichnis zu fiihren, deren Ver-
lust für den nationalen Kunstbesitz von wesentlicher Bedeutung sein
würde. Die Aufnahme in das Verzeichnis kommt also für alle
besonders wertvollen Kunstwerke in Frage, schließt auch nicht etwa
diejenigen aus, die sich lediglich in Privatbesitz befinden.

Wie die Kunstwerke ermittelt werden und wann ihre Ein-
tragung zu erfolgen hat, crläutern die Ausführungsbestimmungen.
Die Eintragung zeitigt besondere Wirkungen. Sobald ein Kunst-
werk auf dem Index gesetzt ist, darf es nur noch mit ausdrücklicher
Genehmigung des Reichsministers des Innern iiber dic Grenzen des
Reichs in das Ausland verbracht werden. Die Genehmigung zur
Ausfuhr ist dem Besitzer nur unter bestimmten Bedingungen zu er-
teilen, insbesondere muß der materielle Gewinn des Reichs den
Verlust des Kunstu'erkes rechtfertigen. Auch kann als Voraus-
setzung für die Genehmigung verlangt werden, daß der Verkauf des
Kunstwerks nur in ausländischer Währung erfolgt und der Verkäu-
fer die empfangenen Devisen der Reichsbank gegen entsprechende
inländische Währung zur Verfügung zu stellen hat.

Die Verordnung droht demjenigen, der das Ausführungsverbot
nicht beachtet, Geldstrafen bis zum dreifachen Wert des Kunst-
werkes an, daneben kann sogar auf Gefängnis erkannt werden.
Auch die Zuwiderhandlung gegen die Ausführungsbestimmungen ist
unter Strafe gestellt.

Die Ausführungsbestimmungen haben unter anderem zur Kon-
trolle des eingetragenen Kunstwerkes angeordnet, daß an den
Reichsminister des Innern unverzüglich Anzeige zu erstatten ist,
wenn ein eingctragenes Kunstwerk veräußert oder an einen anderen
Aufbewahrungsort verbracht wird, oder wenn es in Verlust gerät.
Die Mitteilungspflieht hat der alte Besitzer, aber neben ilim auch
der neue.

Diese Anordnung und ihre Auslegung war Gegenstand der
reichsgerichtlichen Entscheidung. Dem Urteil lag ein einfacher
Tatbestand zugrunde. Einem bekannten Berliner Kunsthändler war
ein auf dem Index stehendes bedeutendes Kunstwerk kommissions-
weise ausgehändigt, damit er seinen Verkauf vermitteln oder wenig-
stens versuchen sollte.

Mit der Uebergabe an den Kunsthändler hatte sich selbst-
verständlich der Aufbewahrungsort des Kunstwerks verändert, eine
Mitteilung hierübcr war aber an den Reichsminister nicht ergangen,
und die Staatsanwaltschaft hatte nunmehr gegen den Kunsthändler
Anklage erhoben, weil die Benachrichtigung unterblieben war.

In erster und zweiter Instanz wurde der Kunsthändler frei-
gesprochen. Die Begründung der Urteile deckte sich bei beiden
Gerichten im wesentlichen darin, daß auf den geschilderten Tat-
bestand die Ausführungsbestimmung hinsichtlich der Anzeigepflicht
des neuen Besitzers nicht anwendbar sei. Die erste Instanz vertrat
die Auffassung, daß nach dem Sinne der grundlegenden Verord-
nung nur dann die Anzeigepflicht einen neuen Besitzer treffe, wenn
der Besitz- und Aufbewahrungswechsel durch eine Veräußerung des
Kunstwerks an den neuen Besitzer erfolgt sei.

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