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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Maiheft
DOI Artikel:
Zarnowski, J.: Die Malerei des 19. Jahrhunderts im Louvre
DOI Artikel:
Londoner Kunstschau / Aus Amerikas Kunstleben / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Aus dem nordischen Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0416

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offiziellen Stempel. Nur Marksteine in der historisclien Entwick-
lung sollen hier ihren Platz finden.

Der neueste Nachschub hat im Louvre auch räumliche Verän-
derungen verursacht. Die Säle i-m obersten Stock der Cour carree,
in denen bis jetzt die Sammlung Thomy-Tliiery untergebracht war,
wurden renoviert, erweitert und der ne'uen Abteilung iiberwiesen.
Dazu kam noch eine stattliche Anzahl von Gemälden, die sich auch
früher in den verschiedenen Sälen des Louvre befanden.

Die neue Abteilung umfaßt 6 Säle. Der letzte, der die impres-
sionistischen Gemälde enthält, bekam einen hellgrauen Anstrich mit
einem Spiel ins Bläudiche uind den Narnen „Salle Cailiebotte“, weil
hier die meisten Bilder aus dieser Sammlung, die seit Jahren eine
irnpressionistische Oase im Luxembourg darstellte, untergebracht
wurden.

Gleich am Atrfang wird der Besucher iiberrascht. Der neue
Abschnitt der Geschichte der französisohen Malerei beginnt mit
Geröme, Regnault, Bouguereau. Der letztere ist mit seinem be-
kannten Bild, „La Jeunesse et I’amour“ vertreten. Die Brutalität
der bluttriefenden „Hinrichtung in Granada“ von Reignault, die von
gewissen Leuten als Stärke kiinstlerischen Ausdrucks auifgefaßt
wurde, stcllt ein trauriges Zcugnisi aus, — nicht fiir die zeit-
genössische französisohe Malerei, die es nicht repräsentiert, sondern
fiir jerie „maßgebenden Stcllen“, die das Bild fiir das Museutn zu
sichern für nötig hielten.

Der folgende Saal, in dem sioh mehrere gemalte Skizzen von
dem Bildhauer Carpeaux, ein schöner Courbet, Fromentin,
Chasseriau und de Dreux befinden, bringt als Bereicherung die
„Geburt der Venus“ von Cabanel, wodurch dieser an sich durch-
aus annehmbare Raum so manohem Besucher verleidet werden
wird. Auoh der nächste Saal, mit Henner, Roll, Caroilus-Durand
und Cabanel gibt eine schlechte Vorstellung von der französischen
Malerei, obwohl hier die historisch wichtigen und gegenständlich
interessierten Gruppenporträts von Fantin-Latour ihren Platz ge-
funden haben. Es foigt nun ein Saal mit Gemälden und Ptastiken
von Edgar Degas, jedooh ist der Meister, wenn man von der „Tän-
zerin“ aus dcr Sammlung Gaillebotte und von dem kürzlich ge-
schenkten Biild „ä ila Bourse“ absieht, an einer anderen Stelle im
Louvre viel besser vertreten, nämlich in der Sammlung Gamomdo.
Die übrigen Bilder dieses Saales, Puvis de Chavannes, Gauguin,
Guigoui, TouIouseJLautrec geben eine unzulängliche Idee von dem
Können dieser Meister.

Der letzte und größte Saal endlich hat als Mittelpunkt ein
Triptychon, das aus drei Hauptwerken von Manet zusammgesetzt
ist: Die „Olympia“, die „Damen auf dem Balkon“ und das Porträt'
von Emile Zola. Da diese Bikler durchaus nicht auf eine simultane

Betrachtung berechnet waren, macht ihre willkiirliche Aneinander-
reihung keineswegs einen glticklichen Eindruck. Zudem stechen
sie als massiver Farbfleck zu stark von ihrer Umgebung ab, die,
hellgrün und hellblau (Sisiley, Monet, Cezanne, Pissaro, van Gogh),
oder lila und rosa (später Monet, Renoir), ftir den ga-nzen Saal
maßgebend ist. Es eriibrigt sich wolil, die einzelnen Bilder auf-
zuzäblen, da sie noch vom Caillebotte-Saal des Luxembourg her
hinlänglich bekannt sind und als Erwerbungen .des Louvre während
der letzten Jahre.

Das Ergebnis dieser neuen und so wichtigen Aufstellung kann
leider nioht positiv bewertet werden. Es soll hier nicht die Rede
davon sein, daß der Loavire nun einmal darauf angewiesen ist, seine
moderne Abteilung aus dem Luxembourg zu ergänzen, diesem
Museurn von verpaßten Möglichkeiten und jahrzehnteianger Ein-
stellung auif mittelmäßige Salonmälerei. Aber auoh im Rahmen die-
ser beklagenswerten Notwendigkeit bedeutet die neue Abteilung
eher einen Rückschritt. Erstens einmal ist noch eine tieue Stelle
entstanden, an der das französische 19. Jahrhundert im Bruchstück
zu sehen ist. Für jemanden, der im Louvre die Kunst von Corot,
Courbet, Degas oder Manet studieren möchte, ist die schon ohnehin
mü'hsäme Arbeit des Ziiisammensiuchens der an verschiedenen Stellen
verstreuten Gemälde dieser Meister noch um einen Gang (und
zwar einen selir weiten) erschwert worden. Aber auch der ge-
schichtliche Zusammenhang wird dadurch nicht klarer. Im Gegen-
teil. Manets „Olympia“ wurde an der alten Stelle viel eber ais
kunsthistorisches Hreignis im großen Saall „des Etats“ empfunden,
wo sie in Nachbarschaft von Delacroix, Rousseau,, Courbet, als
Gegensttick zu der rund 50 Jahre älteren „Odaliske“ von Ingres,
sehr wirkungsvoll den Entwicklungsgang der französischen Malerei
repräsentierte.

Die Vermutung liegt nahe, daß der so ungleichwertige Bestand
der neuen Abtefl-ung z. T. dadurch z-ustandekam, daß sioh der Louvre
zu -einem histori'schen Objektivismus verleiten ließ. Die Maler
vom Schlage eines Bouiguereau o-der Cabanel waren einm-al da, sie
hatten zu ihrer Zeit großen Erfolg, sie mtissen also auch ins „Pan-
theon“ aufgenommen werden. Dieser Standp-unkt, der a-u'ch für
Kuns-twerke älterer Zeiten kau-m haltbar ist, erweist si-c-h als völlig
verfehlt, sobald es sich um ganz nahe Vergangenheit han-delt. Ein
Mus-eum i-st uin-d bleibt eine Angelgenh-eit von bewußt gerichtetem
Sammelwillen, dessen vornehmst-es ZieJ in -der Auslese der jeweils
erreichbaren Kunst w e r t e bes-te-ht. Daß eine spätere, anders
orientierte Zcit, an dieser Au-slese manches a-u-szusetzen haben wird,
sol-1 m-an ru-hi-g mit in Kauf nehmen. Au,f dem We-ge von Kom-
promissen und gletehgülti-ger Objcktivität ist noch keine 1-ebens-
fähige Kunstsammlung entstanden.

tondoncü Kunftfcbau.

Aus London berichtet unser Kunstreferent: Nadia
B e n o i s , die in London ansässige Tochter des ehemaligen Direk-
tors der Kunstakademie zu St. Petersburg, I^rofessor Louis Benois,
stelite in der Galerie Arthur Tooth -ihre Gemälde und P-astelle
aus. Das große Familientalent des Vaters und Onkels Albert Benois,
Kurator de,s M-usee Russe, macht sich bei dieser hochbegabten jun-
gen Frau in auffälligster Weise bemerkbar. Ihr Farbgefühl, ihr Sinn
für plastische Kunst, die Breite ihrer Pinselführung und die Fein-
lieit ilirer Kleinarbeit kamen in den ausgestellten Arbeiten in wei-
testem Maße zum Ausdruck. Nur eine R-ussin kann die Schwermut
des esthischen Landes So wie sie wiedergeben, nur eine Halb-
französin das Volk -und die Landschaft der Riviera dermaßen durch-
dringen. Ilire französischen Interieurs, Straßenszenen und Oliven-
haine haben in Londoner Kr'itikerkreisen Aufsehen erregt, wo man
sie mit Van Gogh und Polunin verglich. Ganz wunderschön sind
auch ihre farb-satten Stilleberi-, aus den einfachsten Motiven dar-
gestellt. Die Lichtbehandlung des „Feststraußes“ z. B. war ganz
meisterhaft.

Na-dia Benois interessiert Deutschland um so mehr, als ihr
Gatte Baron von Ustinow Londoner Vertreter des Wolffsohen

Telegraphenbtiros ist, — ein Haus, in -dcm dcr Kunst jeglicher Art
eine gastfreie Aufiiahme geboten wird.

Bei Godfrey P h i 11 i p s hat Maurice Minkowski seine
Schau von Emigranten- und Ghettobildern eröffnet, die London zu-
erst mit Staunen erfüllte, da dieser Künstler Wege geht, die man
liier nicht gewolmt ist. Er hat durch die Eindringlichkeit seiner
Schöpfungen sicli erst die Kritik crobern müssen, die dann seinem
großen Können gerecht wtirde.. Sein Getnälde „Die Emigranten“
hat sich vor allem sehr eingeprhgt, seine Porträts ragen unter dem
gesellschaftlich Glattgezierten, das man so sehr hier noch liebt, als
Werte hervor. Wir komtnen auf dlie Ausstellung Minkowski noch
zurück.

In zweitägiger Versteigerung kam das Astley-Silber
bei Christies unter den Hammer. Da-s wundervolle Toiletten-
Servis aus dem Jalire 16-91, der jungen J-udith Bridgman von ihren
Eltern gelegentlich ihrer Vermählung mit Hauptmann Corbet ge-
schenkt und durcli Vermächtnis an den jetzigen Besitzer Herrn R.
Astley gekomimen, ging an Watson für 50 000' Mark. Für eine
Deckelschüssel — einen „Porringer“, für Haferbrei zum Frühstück
bestim-mt — vonr Jahre -1-685 mrt Corbets Wappen, Zeit Jakob II.,

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