Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Januarheft
DOI Artikel:
Das Jubiläum der Wiener Werkstätte / Theodor Frimmel †
DOI Artikel:
Flied, Bettina: Im Hause Segantinis
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0230

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
F.rhaltung und dem Wesen des Restaurierens der Gemälde auf-
gegangen. Und auf Frimmels Gemäldestudien hat auch schon man-
cher Museumsforscher aufbauen können.

Dr. v. Frimmel ist nicht Bucbgelehrter gewesen, Ein Werk,
wie die „Gemäldekwnde“ konnte nur ein Eingeweihter schreiben,
einer, der in die Bilder, mit denen er sich beschäftigte, hineinzusehen
verstand, ihre Struktur genau kannte, und weil er sie kannte, autch
den Meister zu erkennen wußte, um den es gerade ging. Ja, Theo-
dor Frimmel war einer dcr besten Bilderkenner. Die Kunde von
den halländischen Kleinmeistern des 17. Jahrhunderts verdanken
wir in besonderem Grade den Studien und Publikatlionen des Wiener
Forschers, der sich schon vor 40 Jahren, als seine ersten Veröffent-
lichungen erfolgten, auch im Ausland einen geachteten Namen er-

warb. Für seine Vaterstadt Wien, an deren Museen er längere
Zeit war — er ist lange auch Leiter der Schönbornschen Samm-
lungen gewesen — hat siich Frimmel durch seine Publikationen über
die Geschichte der Wiener Privatsammlungen ein großes Verdienst
erworben. Unter den Sammlungskatalogen, die von ihm stammen,
befindet sich auch der der bekannten Prager Sammlung Nowak.

Dr. v. Frimmel hatte aber neben seiner Liebe für die bildende
Kunst —■ er schrieb unter anderm auch viel Wertvolles über die
Kunst des 19. Jahrhunderts — noch eine zweite Liebe: sie galt
Beethoven. Auch die Beethoven-Forschung dankt dem Wiener Ge-
lehrten wichtige Veröffentlichungen. Der „Kunstwanderer“, dessen
Mitarbeiter Dr. Theodor v. Frimmel war, wird das Andenken an
den tief verehrten Freund immer hochhalten.

lm Jiaufe Scgantinis.

An der Straße von Maloja, auf kleiner Anhöhe oberhalb des
Fahrweges, steht das im Schweizer Landhausstil gebaute Wohn-
haus des iMalers Giovanni Segantini. Keine Gedenktafel, kein
Schiild weist dem Besucher den Weg — aber jedes Kind im Ort
kennt das Haus, in dem sich der Künstler vor 34 Jahren mit seiner
Familie niederließ. Durch den kleinen urwüchsigen, wild wuchern-
den Garten steige ich auf schmalem Pfade zur Villa hinauf. Ver-
steckt liegt der Eingang. Keine Glocke, keine Stimmen. Friedlich
liegt das Haus im Sonnenschein. Zögernd — die Ruhe nicht zu
stören — klopfe ich an eine Tür. Warte dann einige Minuten. Eine
ältere weißhaarige Frau im schlichten schwarzen Kleid steht plötz-
lich irn Türrahmen, ohne daß ich ihren ieisen Schritt vernahm, und
bcgriißt mich iu französischer Sprache, in der auch unsere Unter-
redung weiter gefiilirt wird, da sie keitt Deutscli spricht und ich
ilire Muitersprache, italienisch, nur wenig beherrsche. Iclt ent-
schuldige meinen unerwarteten Besuch durch mein Interesse an den
Werken ihres berühmten Mannes und den Wunsch, während meines

Ferienaufenthaltes im Engadin, dic Frau zu begrüßen, die des
großen Meisters treue, liebende Gefährtin und Muse war. Mit lie-
benswürdiger Geste, ein wohlwollendes Lächeln in den feinen, edlen
Ziigen, fordert sie mich auf, einzutreten. Fiilirt mich in das kuppel-
artige Atelier zu ebener Erde, das jetzt ihrenr Sohn Gottardo als
Studio dient. Rings an den Wänden die Bi'bliothek des Meisters,
von dem die Witwe stets — ist’s Stolz, ist’s Ehrfurcht? — als von
„Segantini“ spricht. Im Raum verstreut, auf Staffeleien, Tischen,
Stühlen, auf dem Fußboden, Gemälde ihres sehr talentvollen Sohnes
Gottardo, größtenteils Landschaftsbilder aus der Gegend, Porträts
seiner aus Deutschland stammenden Gattin und seiner Kinder und
Kopien von Bildern seines Vaters. Ueberrascht frage ich, warum
Gottardo nächt seine Bilder ausstellt oder zum Verkauf iibergibt?
„Nur sclten, er gleicht auch darin seinem bescheidenen Vater“,
antwortct die Mutter. Ich komme dann, wie selbstverständlich, auf
des Kiinstlers letztes und größtes Werk zu sprechen: das vom
Segantini-Museum zu St. Moritz crworbene Triptychon „Werden,

224
 
Annotationen