Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Corwegh, Robert: Das Rätsel der Niccolo da Uzzano-Büste von Donatello
DOI Artikel:
Stahl, Reinhold: Ein unbekanntes Selbstbildnis des Quentin de la Tour
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0077

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Man soll ohne bestimmten Grund alte Ueberlieferungen
nicht fallen lassen, denn Volkserinnerungen ruhen in tie-
fer Begründung. Der Uzzano-Kopf aber, dessen For-
mung nach dem Leben niemand widersprechen dürfte,
verrät einen bedeutenden, vorsichtigen und prüfenden

Mann und kann wohl die Züge des Staatsmannes erhal-
ten haben, von dem Macchiavelli erzählt, er habe sich,
als man Giovanni de’Medici verbannen wollte, dem
widersetzt, weil man große Staatsmänner entweder
ganz vernichten oder überhaupt nicht anrühren solle.

Aus der Wiener
Porzellansammlung
Karl Mayer

Auktion

bei Glückselig G. m. b. H.
in Wien

6tn unbekanntes Selbffbttdnis des Quenttn de La Tout?

üon

Reinkold Stat)l

Die liier veröffentlichte Jugendarbeit Maurice
Ouentin de La Tour befindet sich im Besitz eines hohen
französischen Staatsbeamten, dessen kluges Kcnnertum
ihn als Kunstsammler eine hervorragendere Stellung ein-
zunehmen hätte verdienen lassen, als seine zurück-
haltende Bescheidenheit ihm anzustreben gestattete.

|-< iu uubekanntes Bildnis Quentin de La Tours, das in
der im Sommer 1927 von der „Soeiete des Amis
du Musee de Saint-Quentin“ veranstalteten Pastell-
Ausstellung bei Charpentier figurieren sollte, jedoch
ohne Prüfung zurückgewiesen wurde, da es als G e -
m ä 1 d e nicht in den Rahmen der Ausstellung zu passen
scbien, 'wird nun hier zum ersten Male — in Schilde-
rung und Wiedergabe — einem Kreise von Kennern
bekannt gemacht.

Zwei Fragen siind z.u beantworten. Erstens: Stellt
das fragliche Bildnis uiizweifelhaft Maurice Quentin de
La Tour dar? Zweitens: Ist der Maler dieses Bild-
nisses unzweifelhaft Quentin de La Tour selbst?

Zur ersten Frage: Mr. Elie Fleury, der bedeu-
tendste Kenner und Kommentator der im Museum von
St. Quentin vereinigten Pastelle, verzeichnet, daß La
Tour häufig sein Selbstporträt in Pastell gescbaffen hat.
(S. 66 des Kataloges.) Die bekanntesten dieser Arbeiten
befinden sich in der Kollektion Lorin und in den Museen
von St. Quentin, Amiens und Dijon. Auch ist ein Por-

trät des Meistcrs von Perroneau bekannt, welches im
Louvre hängt und Anlaß zu vielen Kritiken gegeben hat.

Es fällt also leicht, in unserem Bilde La Tour „ad
vivum“ gemalt zu erkennen, wenn auch die bekannten
Pastclle den Maler in fortgeschrittenem Alter zeigen,
nämlich nach dem Jahre 1740, wo er, der seit der Aus-
stellung im „Salon“ von 1737 berühmte Gewordene,
bereits als Porträtist einen großen Namen hat.

Zur zweiten Frage: Der Eindruck des „Ensembles“,
herrührend von den so charakteristischen Einzelheiten
der Mamier de La Tours: der Schärfe des Blickes —
diesem „mens-oculorum“, der seine eigentliche Signa-
tur ist —, den sarkastisch-verkniffenen Lippen, dem
sprechenden Leben der Stirn — schon an diesen Einzel-
heiten, die kein Kopist jemais liätte imitieren können,
identifiziert man, von dem geistigen Ausdruck dieser
Physiognomie völlig absehend, fast mit Sicherheit ein
Werk von der Hand de La Tours.

Eine unerwartete Entdeckung hat uns verholfen,
völlige Klarheiit zu erlangen. Champfleury näml'ich
bildet in seiner 1886 erschienenen La Tour-Biographie
ein zum Oeuvre des Meisters gehöriges Werk ab, ein
Porträt Thomassins, Schauspieler an der „Comedie
Italiienne“, in der Rolle des Harlekin; die Reproduktion
geht auf einen Stich Bertrands zurück, der die Unter-
schrift trägt: La Tour p i n x i t !

71
 
Annotationen