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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:
Stahl, Reinhold: Ein unbekanntes Selbstbildnis des Quentin de la Tour
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0078

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Wlir wollen 'hiier micht das Wört „pinxit“ buch-
stäblich nehmen, um zu behaupten, daß Tliomassin von
La Tour in Oel und nicht in Pastell porträtiert worden
sei, sondern uns darauf beschränken, dem Stiche Ber-
trands, da das Original mittlerweile verloren ging, unser
Bild in der Reproduktion gegenüberzustellen. Dieser
Vergleich gestattet uns, den Beweis anzutreten, daß es
desselben Künstlers Hand gewesen ist, die beidc Werke
schuf, und daß La Tour sich sel'bst im Kostüm des
Harlekin darstellte, ohne daß irgend eiu Unterschied in
der Auffassung beider Werke bestünde, abgesehen von
den Physiognomien der Personen, was ihr Alter und
ihren Ausdruck angeht.

La Tour pinxit T. Bertrand Sculp.

Hier aber wiird man die Frage nach dem Alter
stellen müssen, deren Beantwortung die Lösung des
Problems bedeutet: Wie alt war La Tour zur Zeit des
fraglichen Porträts ?

La Tour wurde 1704 geboren und starb 1788. Um
1720 kommt er nach Paris,, um bei Spoede das „Metier“
zu erlernen. 1722 wohnt er in Reims den „Fetes de
sacre“ bei und kehrt dami nach St. Quentin zurück.
1724 ist er von neuem in Parlis, geht aber bald nach
Cambrai, wo cin Kongreß tagt, in dessen Verlauf er und
d'homassin sich begegnen und gute Freunde werden
sollen.

In der Einleitung zu seinem großen Werk schreibt
Mr. Lapauze, daß während des Kongresses in Oambrai
das Atelier La Tours „der Treffpunkt der Schauspieler
der Comedie Italienne und der Leute von Welt“ war.

Dort malte nun zweifellos de La Tour das Porträt
Thomassins als Harlekin, sowie auch die Bildnisse ver-

schiedener englischer Persönlichkeiten, was ihm
erlaubte, sich nütziiicher Protektion zu versichern, um
nach England zu geheri, wo er 1725 und 1726 arbeitete.
Zu dieser Zeit war La Tour uns als Porträt m a 1 e r
bekannt, dessen Arbeiten man nachsagte, daß sie „sehr
ähnlich, sehr lebendig und ndc'ht teuer“ wären. Er
wurde keineswegs als Pastelldst genannt, einzig die
Rosalba genoß ddesen Ruhm, und seit 1721, wo sie
Frankreich verließ, gab es niemanden, der ihren Platz
hätte ausfüllen können.

Man vermutet — und diese Vermutung ist auf Tat-
sachen gestiitzt —, daß es der große Erfolg Rosalbas
war, der La Tour bestimmte, PastelHst zu werden und

Das unbekannte Selbstbildnis La Tours

diie Malerei nach seiner Rückkehr aus England aufzu-
geben, jedoch ist von seinen Anfängen in dieser Tech-
nik nichts erhalten, sein Rulim datiert von seinem ersten
Auftreten im „Salon“ von 1737, und auch der Katalog
des Museums von St. Quentin kennt keine Arbeit, die
weiter als bis 1735 zurückginge. Ebenso verhält es
sich mit den in den Studien von Tourneux, C.hampfleury,
Gharles-Blanc und Lapauze ausgesprochenen Meinun-
gen, in denen allen des Meisters Vergangenheit a 1 s
M ale r unerwähnt ge'blieben ist. Was aber hat de La
Tour seit dem Kongreß von Cambrai im Jahre 1724 und
seit seiner Rückkehr aus England im Jahre 1726 ge-
schaffen? Spricht nicht Alles dafür, daß er während
dieser und der kommenden Jahre sich als Maler be-
tätigte und vervollkommnete?

Kommen wir auf die Altersfrage zurück: nach dem
Ausdruck der Physiognomie zu schließen, war de La
Tour nicht älter als etwa Mitte der Zwanziger, was die

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