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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Maiheft
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Dülberg, Franz; Konijnenburg, Willem van: Der holländische Maler Willem A. von Konynenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0403

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Dee bolländtfebe JMatec IDiKem A. oan Konynenburg

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füariE DCUbet?g

er im vorigen Jahr in dic Reihe der Sechziger ge-
langte Maler nlrd Zeichner, von dessen Eigenart
die Ausstellung ehiiger Studien, aquareilierter Blätter
und Zeichnungen nebst eirrer großen Anzahl sorgfältiger
Reproduktioncn im l.esesaal der Staatliclien Kunst-
biliothek zum ers.ten Mäl einen umfassendcren Be-
griff zn geben sucht, entstammt mütterlicherseits dem
holländischen Limbnrg. Da er bis ins reife Mannes-
alter fast imrner einen Teii der Sommermonate in der
Nälie des mit karolingischen Erinnerungen belasteten
Meerssen verbracht hat und auch seine frühesten Mal-
versuche die hügelige und waldige vom übrigen Holland
stark unterschiedene Landschaft des Geultals zum Ge-
genstande hatten, gehört der dnrch seinen Yater aus
der holländischen Ostprovinz Drenthe Stammende
irgendwie in jene Gegend, wo drei Nationen sicli be-
rühren. Ueber die Jahrhunderte hinweg also ein Lands-
mann jener drei Brüder von Limburg, die zu Anfang des
15. Jahrhunderts das schönste Miniaturenbuch erschu-
fen, das die Welt besitzt. Ein naher Landsmann aucli
der Brüder van Eyck, nicht völlig fern auch dem Wcsen
neuerer belgischer Kunst. Das muskelstolze Streben
ins Unendliche, das die belgischen Monumentalmaler
des 19. Jahrhunderts kennzeichnet, blieb ihm nicht ferri ;
man braucht aber nur den Namen Wiertz neben irgend
einem der stets geschmackvoll abgedämpften Werke
Konynenburgs auszusprechen, um den ganzen Abstand,
um die Bedeutung des gewiß auch Konynenburg nicht
fehlenden Rembrandt’schen Erbteils zu ermessen.

Mit dem Limburgertum des Künstlers hängt es
wolrl auch zusammen, daß Paris so ziemlich das einzige
fremde große Kunstzentrum wurde, das dem sonst ganz
und gar nicht reiselustigen, treu und zäh anr Haag, der
Stätte seines Lebens und Wirkens hängenden Manne in
reicherem Maße Anregungen gab. Und hier waren es
wohl rnehr die italienischen und besonders die ägyp-
tischen und vorderasiatischen Säle des Louvre als die
Meister der Barbizon-Schule oder die Gotik von Notrc
Dame, was auf ihn wirkte. „Wirken“ liier natürlich in
dem Sinne verstanden, daß der Lernende, dann der be-
reits durch zahlreiche Wcrke Bewährte irgendwie in
fertiger Kunst Dinge gestaltet wiederfand, die bereits
lange vor seinem inneren Auge als Visionen, als Wahr-
träume geschwebt hatten und sich zu kristallisieren be-
gannen. Im rein Handwerklichen ist der am 11. Februar
186S als Beamtensohn im Haag Geborene Schüler der
dortigen Zeichenakademie, auf der er sich wie so vielc
andere das Diplom als Zeichenlehrer fiir den Mittel-
schulunterricht holte.

Zunächst gingen zwei sehr verschiedenartige
Ströme in dem, was er ausführte, nebeneinander her.
In schwerer, sich erst allmählich aufhellender Oelfarbe
malte er Bauernhöfe, Hirtinnen, Waldabhänge; in leich-

ter schwungvoller Linie zeichnete er satirische Blätter,
entwarf cr Reklameplakate.

Ein faustisch-dürerischer Drang führte ihn zu Grü-
belcien tiber die Bedeutung mathematischer und geome-
trischer Gesetze fiir die Malerei. Zwei mit Begeisterung
und upbedingtem Selbstglauben geschriebene kunst-
theoretische Bücher begründeten zunächst seinen Ruf
als den eines Eigenbrödlers, der aber irgendwie etwas
stark Persönliches zu sagen hätte. Es ist nicht die
schlechteste Empfehlung fiir beide Beteiligten, daß
schon in diesem Stadium Abraham Bredius, der große
Rembrandtgläubige, und der Verkünder einer Renais-
sance der Linie sich zusammenfandcn. Jahrelang ge-
liörten Konynenburg und seine sich auch selber künst-
lerisch betätigende Gattiu zu Bredius’ sonntäglicher
Tafelrunde, an der auch der holländische Wieder-
erwecker der Antike, Louis Couperus, häufig teilnahm.

Den Durchbruch im Ringen zwischen Natur-
aufnahme und Stilwillen brachte wohl das heute im
Kröllermuseum hängende Bild der Hirsche von 1898.
Vor diesen ebenso reich erlebten wie schärfst ausge-
sprochenen Formen denkt man zunächst an entlegene
Ferne, wo die Luft durchsichtig, der Himmel kristallen
ist. Und doch ist es nichts als die in die persönliche
Sprache eines Eigenwilligen übertragene Darstellung
einer Gruppe jener hellen asiatischen Hirsche, die der
Haager Stadtpark einer in das holländische Königshaus
verheirateten russischen Großfürstin verdankt.

Die Art des Vorgehens, die Konynenburg in diesem
Werke anwandte, ist ihm im Grunde während der gan-
zen dann folgenden mehr als dreißigjährigen Schaffens-
periode verblieben. Er sucht die Bauformel irgend eines
Gegenstandes, etwa eines menschlichen Gesichts, im
einfachsten Satz auszusprechen. Ist ihm dies in einer
ihn selbst überzeugenden Weise gelungen, so fügt er, in
vorsichtig sparsamer Wahl, die schmückenden Bei-
worte, mitunter auch wohl den erläuternden und berei-
chernden Nebensatz hinzu. So sind tiefe weibliche
Allegorienköpfe, mächtige Prophetenschädel, aber auch
das reiche und lebenswahre, streng in die Mittelsenk-
rechte komponierte Bildnis des Dichters Boutens, das
straffe und geheimnisvolle Renaissancebrustbild des
Kunstkritikers Plasschäert entstanden.

Religiösen Schauern bemüht sich Konynenburg in
geometrisch klarer Dienstbarkeit nachzugehen. So
wachsen aus heißer Ergriffenheit und emsiger Berech-
nung seine Molocliköpfe, seine stolzen Knechte, die das
Götterblid tragen, aber auch der das Licht seines Gei-
stes über das Staatsganze ausstrahlende Prophet Zacha-
rias des Amsterdamer Museums, so sein von Fassung
zu Fassung leichter und lichter werdender Drachen-
töter Sankt Georg.

Mit Jan Toorop, den er ehrt und feiern hilft, berührt

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