Herausgeber: /Vdolptl DonQÜl
7ahrgang 1929
1 .lz. Janucirheff
Das Reicbsinßitut fut? deutßbe Kunff und Kunffuiiffentcbaft
eine Kultui?aufgabe des Deutfcben Retcbcs
oon
Kui?t Kaül 6bet?tetn
„Der Kunstwanderer“, der sich fiir die folgenden
Gedankengänge einsetzt, wird in diesem Jahre den Fra-
gen der Kunst- und Kulturpolitik und einer planmäßigen
einheitlichen Kunstpflege besondere Beachtung schenken.
Die Redaktion.
/ wei damals junge Wissenschaften haben, von der
Not des Vatcrlandes gefördert, um 1800 den Be-
griff der Nationalkunst geschaffen, noch ehe es wieder
eine deutsche Nation gab: die Germanistik und die
Kunstgeschichte. Germanistische Dichter und Maler
haben den deutschen Nationalcharakter und Nationalstil
der Nationalkunst entdeckt, und die Kunst des gotischen
Mittcla’tcrs und die der neudeutschen Romantik ergaben
den Begriff der Nationalkunst. Diese patriotische Kunst-
betrachtung ermöglichte es, auch das deutsche Kunst-
gut als nationales Eigentum zu betrachten, so daß das
von Napoleon nach Paris entführte Kunstgut als natio-
nales Eigentum zurückverlangt werden mußte. Also
auch der nationale Kunstraub schärfte den Begriff der
Nationalkunst. Die Freunde der deutschen Kunst und
der deutschen Befreiung, vor a’lem die Kunstfreunde
Stein und Boehmer, kämpften für die alte Nationalkunst
und wollten diese Kunstdenkmale als „Monumenta Ger-
maniae“ gesammelt und erforscht wissen. Die kunst-
geschichtlichen Kongressc des Passavant-Kreises in
Nürnberg und der deutsche Künstlerverein trugen diese
Idee weiter, die sich schließlich nur in dem Germani-
schen Nationalmuseum Nürnbergs ganz ungenügend
vcrkörperte. Die Monumenta Germaniae wurden, so-
fern sie Kunstwerke waren, niemals planmäßig erforscht
oder katalogisiert, wenn auch die Staaten die Inventari-
sation ihrer Kunstdenkmäler erfolgreich in Angriff nah-
men. Da der Privatbcsitz und der Kunsthandelbesitz
ohne Nachweis blieben, mußte es kommen, daß die In-
flation wichtiges deutsches Kunstgut der Nationalkunst
für immer ins Ausland brachte. N a t i o n a 1 k u n s t
i s t n i c h t d i e K u n s t, w e 1 c h e i n n e r h a 1 b
der N a tio n entstanden i s t, sondern n ur
d i e j e n i g e K u n s t, d i c künstlerisch v o n
höchstem W e r t d e n Nationalcharakter,
Wesen, Geist und Kunstkönnen der
N a t i o n a m r e i n s t e n z u m A u d r u c k b r i n g t.
Da es cin Zentra'archiv dcr deutschen Kunst nicht gab,
das den deutschen Privat-, Stadt-, Staats- und Reichs-
besitz überblickcn konnte, mußte auch die Sperrliste
des deutschen Kunstgutes unzureichend bleiben, ganz
abgesehen von dem Problem des gesetzlichen Kunst-
exportes. Während also einerseits der deutsche Ver-
ein für Kunstwissenschaft, die Preußische Staatliche
Bildstclle und andere Organisationen deutsche Kunst-
denkmale aufnahmen und inventarisierten, gingen ande-
rerseits bekannte und unbekannte wichtige deutsche
197
7ahrgang 1929
1 .lz. Janucirheff
Das Reicbsinßitut fut? deutßbe Kunff und Kunffuiiffentcbaft
eine Kultui?aufgabe des Deutfcben Retcbcs
oon
Kui?t Kaül 6bet?tetn
„Der Kunstwanderer“, der sich fiir die folgenden
Gedankengänge einsetzt, wird in diesem Jahre den Fra-
gen der Kunst- und Kulturpolitik und einer planmäßigen
einheitlichen Kunstpflege besondere Beachtung schenken.
Die Redaktion.
/ wei damals junge Wissenschaften haben, von der
Not des Vatcrlandes gefördert, um 1800 den Be-
griff der Nationalkunst geschaffen, noch ehe es wieder
eine deutsche Nation gab: die Germanistik und die
Kunstgeschichte. Germanistische Dichter und Maler
haben den deutschen Nationalcharakter und Nationalstil
der Nationalkunst entdeckt, und die Kunst des gotischen
Mittcla’tcrs und die der neudeutschen Romantik ergaben
den Begriff der Nationalkunst. Diese patriotische Kunst-
betrachtung ermöglichte es, auch das deutsche Kunst-
gut als nationales Eigentum zu betrachten, so daß das
von Napoleon nach Paris entführte Kunstgut als natio-
nales Eigentum zurückverlangt werden mußte. Also
auch der nationale Kunstraub schärfte den Begriff der
Nationalkunst. Die Freunde der deutschen Kunst und
der deutschen Befreiung, vor a’lem die Kunstfreunde
Stein und Boehmer, kämpften für die alte Nationalkunst
und wollten diese Kunstdenkmale als „Monumenta Ger-
maniae“ gesammelt und erforscht wissen. Die kunst-
geschichtlichen Kongressc des Passavant-Kreises in
Nürnberg und der deutsche Künstlerverein trugen diese
Idee weiter, die sich schließlich nur in dem Germani-
schen Nationalmuseum Nürnbergs ganz ungenügend
vcrkörperte. Die Monumenta Germaniae wurden, so-
fern sie Kunstwerke waren, niemals planmäßig erforscht
oder katalogisiert, wenn auch die Staaten die Inventari-
sation ihrer Kunstdenkmäler erfolgreich in Angriff nah-
men. Da der Privatbcsitz und der Kunsthandelbesitz
ohne Nachweis blieben, mußte es kommen, daß die In-
flation wichtiges deutsches Kunstgut der Nationalkunst
für immer ins Ausland brachte. N a t i o n a 1 k u n s t
i s t n i c h t d i e K u n s t, w e 1 c h e i n n e r h a 1 b
der N a tio n entstanden i s t, sondern n ur
d i e j e n i g e K u n s t, d i c künstlerisch v o n
höchstem W e r t d e n Nationalcharakter,
Wesen, Geist und Kunstkönnen der
N a t i o n a m r e i n s t e n z u m A u d r u c k b r i n g t.
Da es cin Zentra'archiv dcr deutschen Kunst nicht gab,
das den deutschen Privat-, Stadt-, Staats- und Reichs-
besitz überblickcn konnte, mußte auch die Sperrliste
des deutschen Kunstgutes unzureichend bleiben, ganz
abgesehen von dem Problem des gesetzlichen Kunst-
exportes. Während also einerseits der deutsche Ver-
ein für Kunstwissenschaft, die Preußische Staatliche
Bildstclle und andere Organisationen deutsche Kunst-
denkmale aufnahmen und inventarisierten, gingen ande-
rerseits bekannte und unbekannte wichtige deutsche
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