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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Märzheft
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Glenk, Ludwig: Fürst Johann II. von Liechtenstein
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Aus dem nordischen Kunstleben / Die Kern-Versteigerung zu New York / Londoner Kunstschau / Aus der Kunstwelt / Kunstausstellungen / Kunstauktionen / Das unbekannte Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0320

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füt’lf lobann II. oon Uecbtenffetn f

9

Mit dem Anfangs Februar auf Schloß Feldsberg verstorbenen
regierenden Fürsten von Liechtenstein hat 'das Leben eines der
prominentesten Kenner und Förderer alter und neuerer Kunst seli-
nen plötzlichen AbsChluß gefunden. Ein Mann von vorbiildlichen
Charakteranlagen und vornehmer, fast scheuer Zurückhaltung, ver-
mied er es geflißentlich, seine kunst- und kulturgereifte Veranlagung
und sein echtes und unermüdliches Mäzenatentum in die breite
Oeffentlichkeit zu tragen. Sproß eines alten und verdienstvollen
Geschlechtes, das Dichter und Staatsmänner, geistliche Würden-
träger und Feldherrn, gleichzeitig aber auch Kunstliebhaber und
Sammler von Rang hervorgebracht hatte, setzte er die mit der
Kunstpflege zusammenhängenden Traditionen seines Hauses in groß-
zügiger und durchaus persönlicher Weise fort. Er trat als eifriger
Erbauer von Burgen, Schlössern und Kirchen auf, die er dem Rah-
men der Landschaft und Umgebung, in der sie errichtet wurden,
anpassen ließ; er sorgte für die Wiederherstellung und Erhaltung
historisoher Altertümer und er vermehrte den künstlerischen Be-
sitz seiner Vorfahren durch eine systematische und opferfreudige
Sammeltätigkeit, die vor allem in seiner erlesenen Privatgalerie
im Rossauer Sommerpalais ihren unvergänglichen Ausdruck ge-
funden hat.

Trotz der bedeutenden durch Erbschaft übernommenen Kunst-
bestände blieb es erst dem Fürsten Johann II. vorbehalten, durch
glückliche Funde, durch reiche und planmäßige Ankäufe und durch
Mithiilfe hervorragender wissenschaftlicher Berater — wir nennen
nur Wilhelm von Bode und Jakob von Falke — der Liechtenstein-
galerie jenes hohe und allgemein anerkannte Niveau zu verleihen,
das sie seit Jahrzehnten besitzt. Der genaue Hinweis, welche
Werke alter und neuerer Kunst vom Fürsten Johann II. selbst er-
worben wurden, könnte nur durch umfangreiche Spezialforsohung
festgestellt werden. Es genüge nur der Hinweis, daß dank der
Fürsorge des verstorbenen Fürsten eine kostbare Anzahl von Wer-
ken frühitalienischer, altniederländischer und holländischer Meister
in die Galerie gelangt sind. Er erwarb u. a. eines der seltenen
frühen TafelbJder von Giotto, ein Männerbildnis von Botticelli; er
sicherte sich den Besitz der Ginevra Benci des Lionardo, ebenso
eine „Heilige Famili.e“ von Luc-ini und eine solche von iMoretto;
er gewann durch Kauf die charakteristischen Porträts eines
Franciabigio und Bronzino. Aus der Galerie des Grafen Festetics
kam der mit beseeltem Schwung gemalte Hl. Nicolaus des Bartho-
lomäus Zeitblom', aus der Sammlung Sepp in München die „Heim-
suchung“ des Dürerschülers Sohäuf.felein, aus der Wiener Samm-
lung Gsell ein früher Lucas Crianach. Der Pariser Kollektion
Secretan entstammt das kraftvolle und farbensatte Bildnis eines

Chorherrn von Massys, der Londoner Sammlung Adrian Hope „Das
Ehepaar mit seinem Kind“ von Gonzales Cocques. Die vom Fiirsten
erworbene „Schwester Rembrandts“ gehörte vorher der Samm-
lung Secretan, „Rembrandts Offizier und seine F'rau“ dcm Kunst-
besitz der Marohesa Incontri in Florenz an. Die Liechtenstein-
Galerie verdankt ferner .ihrem Erneuerer eine prachtvolle Auslesc
hoHändischer Kleinmeister, Genre- und Landschaftsmaler. Durch
Johann II. erfuhr sie ebenso eine nennenswerte Bereicherung an
Werken von Rubens und van Dyck. Daß Fürst Liechtenstein auch
der Kunst des 19. Jahrhunderts seine liebevolle Aufmerksamkeit
zu-gewendet hatte, erweist die erst vor wenigen Jahren erfolgte
Zusammenstellung von Werken führender deutscher Künstler, wie
Gebhardt, Kuehl, Leibl, Thoma, Fritz von Uhde, Lenbach u. a„
eine Einverleibung einer unvergleichlichen Kollektion von Original-
bildern von Spitzweg und vor allem die ebenso reichhaltige als
qualitativ bedeutende Auswahl Altwiener Kunst.

Seine auch auf die Werke der Plastik und des Kunstgewerbes
sich erstreckende Sammeltätigkeit ließ ihn gleichzeitig auch die
Höohstleistungen italienischer Kleinplastik, ostasiatisches Porzellan,
Emailplatten aus Limoges, Miniaturen, Kupferstiche und Handzeich-
nungen von Wert auffinden und erwerben. Den künstlerischen Be-
sitzstand der Museen in Wien, wie in den Kronländern der ehe-
maligen Monarchie mit außerordentlicher Sorgfalt verfolgend, fand
sich Fürst Liechtenstein immer wieder veranlaßt, durch hoch-
werzige Widmungen die empfindlichen Lücken zu füllen. Er er-
möglichte dem Kunsthistorischen Museum u. a. die Erwerbung der
Friese des Heroons von Trysa, er förderte den künstlerischen Auf-
bau des Oesterreichischen Museum, er widmete dem Historischen
Miu'seum der Stadt Wien eine mustergültige und in sich geschlossene
Sammlung von Hauptwerken der Altwiener Genre-, Bildmis- und
Landschaftsmalerei, darunter 19 Originalgemälde von Waldmüller;
aueh die Moderne Galerie und die Bildersammlung der Akademie
der bildenden Künste konnten sich seiner wiederholten Muniificenz
erfreuen. Durch Aussetzung beträchtlicher Künstlerpreise, durch
häufige Subvention ernster wissenschaftlicher Forschung bekundete
Fürst Liechtenstein immer wieder sein unermüdliches und werk-
tätiges Interesse fiir alle die mannigfaltigen Aeußerungen künst-
lerischen und kunstschöpferischen Lebens. Fürst Johann II., der
ein Alter von 89 Jahren erreichte und unvermählt geblieben war,
vermachte se.in kostbares Erbe seinem Bruder Franz, dessen vor-
nehrhe Gesinnung, künstlerisches Temperament und reiche wissen-
schaftliche Erfalirung iir den weitesten Kreisen der kunstliebemden
Welt bekannt und geschätzt sind. Dr. L. Q.

Aus dem not’difcben Kunffteben.

Aus einer Munthe-Ausstellung in Oslo, wie sie zum
80. Geburtstage des Künstlers geplant war, sind nun zwei Gedächt-
niisausstellungen geworden, von denen die erste seiner „naturalisti-
schen“ Kunst, d. h. seinen Landschaften galt, während die andere
seine dekorative Malerei zur Anschauung bringen wird. Jene um-
faßte iiber 300 Werke; das Bild, das sie von Munthe als Land-
schafter vermittelte, konnte nicht anders als bedeutend sein, und
sie hat auclr zu mancherlei Klärung der Vorstellungen über ihn bei-
getragem. In der Kritik trat die Erkenntnis zutage, daß die her-
gebrachte Charakteristik Munthes als Naturalist schief ist, uud sie
empfand doch aucli, daß das Element deutscher Tradition in seiner
Kunst, das ihm zuweilen gleichsam vorwurfsvoll vorgebalten wor-
den ist, sie in einer keineswegs unvorteilhaften Weise von der der
meisten seiner Generationsgenossen abhebt.

Dem vor Jahresfrist verstorbenen norwegischen Maler Nikolai
Astrup hat die treffliche, vom Reichsantiquar Harry Fett gelei-
tete Zeitschrift „Kunst og Rultur“ ein reichhaltiges Heft gewidmet.
Darauf sei hingewiesen, weil Astrup im Auslande ganz unbekannt
geblieben ist; übrigens beginnt man auch in Norwegen erst jetzt,

nacli seinem Tode, und nur allmählich inne zu werden, daß Astrup
zu den originellsten und stärksten Talenten der jüngsten norwegi-
schen Malerei gehört hat. Die wuchtende Enge seiner Jölsterland-
schaften hat etwas Erschütterndes; die Natur, die er schildert, kann
jenes spukhaft Erregte und Errcgende haben, das der Nordmensch
so leicht darin empfindet, un-d dann wieder kann eine eigentümliche
iippig fruchbare Phantasie gefühlsschwere Visionen fassen,. Seinem
Erstgeborenen hat dieser Einsame die Vornamen Arnold Boecklin
gegeben.

Am 11. Februar ist, über 80 Jahre alt, der frühere Museums-
direktor Henrik Agust Grosch zu Oslo verstorben. Er
stammte von jener ursprünglich deutschen Familie ab, die im An-
fang des 19. Jahrlmnderts durch den Lübecker Architekten Grosch
nach Norwegen verpflanzt worden ist. Sein Lebenswerk ist das
Kunstgewerbemuseum zu Oslo, mit dem er völlig verwachsen war
und das durch ihn zu dem geworden ist, was es ist. 1877 wurde er
Konservator des Museums, das er dann von 1894 bis 1919 als
Direktor geleitet hat. Er hat sowohl die historisch-museale Seite
wie die pädagogische Wirksamkeit der Anstalt zielbewußt und mit

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