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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Septemberheft
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Zimmermann, Ernst: Mingporzellane
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0036

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Porzellans dieser Zeit, so ganz besonders an Stüekdn
aus den Bliitezeiten dcs 15. Jahrhunderts, aus denen uns
gesicherte Stücke fehlen. Auch finden sich gelegentlich
dcm folgenden Jahrhundert angehörende Stückc, die
cine ganz erstaunllch schöne und feine Masse zeigen.
Docli im allgemeinen ist die Masse des 18. Jahrhunderts
lioch weit reiner, krystallischer, die Glasur noch glän-
zender ausgefalfen als die der Mingzeit. Man denke nur
au die besten Stiicke mit Blaumalereh Sie stellen viel-
leicht das schönste Porzellan dar, was wir kennen,
wenigstens was seine äußere Erseheinung anbetrifft.
Dazu kommen in der Mingzeit noch äußerliche Mängel:
Ungleiebmäßigkeit der Glasur, Flecken und dergl. Vor
allem aber hat man, namentlich am Endc dieser Zeit, oft

Vase, Biseuit, mit Elefantenhenkeln. Blaugrüner Grund rnit türkis,
aubergine, weiß. Hochrelief, China, 16. Jahrh., Ming. Höhe 38 cm
Besitzer: Edgar Worch, Berliti

das Zusammengesetztsein der Stücke nicht ganz ver-
wischen können. Vielfach sind Ansatzsteilen, selbst
schon für das Auge bemerkbar, geschweige detin für die
Hand. Es kann dies geradezu fiir ein Erkeniiungszeichen
für derartige Stücke gelten. Und ebenso steht es mit den
Farben. Die Schme'lzfarben sind noch rneist durchaus
nicht so rein und glänzend und leuchtend ausgefallen wie
spätcr. Und das Unterglasurblau hat m'ir selbst nicht
das berühmte „Muhammedanerblau“ aus der Hälfte die-
ses Jahrhunderts, jene kristall'ische Klarheit, jenes
scharfe Absetzen vom Weiß des Grundes, jene uner-
gründliche Tiefe erreicht, wie an den bestcn Stücken der
Kang-Hi-Zeit, so ganz besonders den „Mayflower-
vasen“, die in dieser Beziehung das Höchste darstellen,
was die Keramik bisher wohl kcnnt. Auch ist es in der
Mingzeit meist und selbst bei sonst selir fein bemalten

Stücken, wenn auch oft äußerst angenehm im Ton, doch
auffallend bleich ausgefallcn. Das kann keineswegs
Absichtlichkeit geiwesen sein, denn sonst hätte man da-
mals von dem so kraftvollen „Muhammedanerbiau"
nicht so viel Wesens gemacht.

Worauf beruht nun aber, werm diese Punktc ver-
sagen, die Ueberlegenheit der Mingporzellane gegen-
über denen der folgenden Zeit? Zunäclist in der Kraft
der Ersclreinung. Gewiß gibt es aucli in dieser Zeit
kleinere Stücke von größter Delikatesse der Formen-
gebung, wie Bemalung, die sich in dieser Beziehung gar
wohl mit dem rnessen können, was eine spätere Zeit
geschaffen. Doch bilden sic riur Ausnahmen, verschwin-
den gegenüber der Masse der übrigen Porzellane dicser
Zeit. Diese aber zeigen noch eine viel größere Kraft
und Wucht und Gedrungenheit als alle späteren. Es
felrlt ihnen noch die Zierlichkeit, die Gedrunger.heit, die
jene auszeichnen, jedoclr auch zu formal schwäch-
lichererr Erzeugnissen machen. Man braucht in dieser
Beziehung nur Stücke verwandter Fornr zu vergleichen,
um diesen Unterscbied sofort festzustellen. Bei den
Mingporzel'lanen stets ein Streberr auch in die Breite,
ein Streben nach volleren, runderen Formen, ein festes
Ruhen auf denr Boden. Bei den spätcrerr ein Hinauf-
streben nach oberi, ein Sicbloslassen vom Boden weg.
Jene liaben dalrer so etwas ganz Insichgefaßtcs, Auf-
sichberuhendes, während diese mehr eine Richtungs-
tendenz nach oben besitzen. Dazu kommt darm noch
meist größere Einfachbeit und Klarheit, die noch nicht
durch Einzelheiten abziehend, durch größte Ruhe wirkt.
Sie mögen so die Möglichkeit der Porzellankunst keines-
wegs garrz erschöpfen. Das zeigt vor allem das Porzel-
lan des 18. Jahrhunderts bei uns. Doch wonach sehnt
sicli wohl unsere heutigc crschlaffte, müde Zeit mehr
als irach jenen Dingen, die beide noch von so voller
Gesurrdheit reden, die ja unserer Zeit heute auf diesem
Gebiet so völlig versagt zu sein scheint.

Und weiter! Die wundervolle Ruhe und Einfaclr-
lreit der Mirlgporzellane wird dann noch verstärkt durclr
das restlose Aufgehen der Ornameritik in die Form,
durch völliges Anpassen jener an diese. Dies ist ja an
sich imrner der Hauptvorzug aller chinesi'schen Kunst
gewesen, die gerade dadureh ja eine klassische Kunst
geworden, wie bei uns selbst auf diesem Gebiet kaum
die Antike. Sie hat stets die Ornamentik der Form unter-
geordnet, sich stets bemüht, sie gleichmäßig iibcr die
Flächen zu verbreiten oder rhythmisch so anzubringen.
daß sie die Form unterstützt. Sie sollte kein Eigenleben
führen, soli'te niemals für sich alleln sprechen. Dieses
Streben zeigen atemgemäß auch die Porzellane der
späteren Zeit, doch nie mit der Konsequenz und der
Logik, wie die der Mingzeit. Hi'er i'st alles, eins wie
das andere, in einander verwoben. So sind sie wahre
Musterbeispiele geworden, wie es in dieser Beziehung
keine besseren gibt. Si'e sollten daher auch viel tnehr
als bisher als so'lche verwandt werden. Doch damit hat
man sich damals keineswegs begnügt. In oft geradezu
genialer Weise unterstützt die Ornamentik dann auch
die Formen, 'betont iliren Aufbau, ihre Zusammensetzung,

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