Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 10./11.1928/29
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0065
DOI Heft:
1./2. Oktoberheft
DOI Artikel:Schuster, Julius: Goethe als anatomischer Zeichner
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gleich verknüpfte Camper seine Ablehnung mit der-
jenigen der Entstehung des Menschen aus dem Affen,
die damals lebhaft diskutiert v/urde, z. B. von Lord
Monboddo in seinem Buch von dem Ursprung der
Sprache (1784).
Am meisten aber hatte sich Camper über die Zeich-
nungen der Goetheschen Abhandlung aufgeregt. Damals
lrerrschte die sog. Campersche Methode, daß alle natur-
liistorischen Gegenstände nicht perspektivisch, sondern,
Delphin-Schädel, Qoetlic eigenhändig, Ende des 18. Jahrh.
Qoethe-National-Museum
Typus III: Wille zur Sachlichkeit der Sclnilc
zum Behufe der Vergleichung, jeder Teil aus seinem
Mittelpunkte angesehen und gezeichnet werden müsse.
Die Goetheschen Tafeln waren alber perspektivisch
gezeichnet, Camper tadelt überdies die falschc Vertei-
lung von Licht und Schatten und fragt an, ob er diesen
kalten Zeichnungen Seele geben solle. Nachdem so
auch Goethe die alte Erfahrung hatte machen müssen,
daß man einen Meister nicht von selinem Irrtum über-
zeugen könnei, ließ er die Verbindung mit Camper fallen,
und die Urfassung der Zwischenknochen-Arbeit kam
erst aus Campers Nachlaß vor mehreren Jahrzehnten
Felsenbein', üoethe eigenhändig, um 1794
Qoethe- und Schiller-Arehiv
T y p u s II: Unbewußt romantisierendes Stilbedürfnis
(Steigerung durch Polarität)
in das Goethe- und Schiller-Archiv. Betrachtet man die
darin enthaltenen anatomischen Ze'ichnungen, so be-
merkt man, daß Kontur und Schatten monogrammatisch
wie bei den Italienern und Callot sind. Goethe nimmt
keine Verschiedenheit der artistischen von der wissen-
schaftlichen Darstellung an. Die Abbildungen sollen die
J’rogr. I. a. C. tle reft. vetid, Jtberis Keredibus iton opitu-
lari. Lipf, 1764. 4.
Progr. remi/Tiooem iuratwt fpeciftcstionis cum Socini cao-
tel» ooniuBcism iDutüem cffe. lbiA 1765. 4.
Progr. de rccogttitiottc perfonarttm ct reruttt per tefte.i.
Ibid. 1767. 4.
Progr. de teft»mento feminae capite tvon demimtme, xl
Jocum CiceronU Topie. c. 4. Ibid. 1768. 4.
Salomonis Dcyütigii mllttutiones prudentia.c p*lfor»lis.
edttio »erdtt »ufHor per D. C. IV. Knßntrnm. 1b. »76g.«.
Miehael Hmritk Gribners, Difturs zur F.rläuterung der Chur-
Oberflächliche Muskeln des üesichts, Goethe eigenhändig, ca. 1786
Qoethe-National-Museum
Typus 1: Morphischer Drang als Wahrhaftigkeitspathos
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jenigen der Entstehung des Menschen aus dem Affen,
die damals lebhaft diskutiert v/urde, z. B. von Lord
Monboddo in seinem Buch von dem Ursprung der
Sprache (1784).
Am meisten aber hatte sich Camper über die Zeich-
nungen der Goetheschen Abhandlung aufgeregt. Damals
lrerrschte die sog. Campersche Methode, daß alle natur-
liistorischen Gegenstände nicht perspektivisch, sondern,
Delphin-Schädel, Qoetlic eigenhändig, Ende des 18. Jahrh.
Qoethe-National-Museum
Typus III: Wille zur Sachlichkeit der Sclnilc
zum Behufe der Vergleichung, jeder Teil aus seinem
Mittelpunkte angesehen und gezeichnet werden müsse.
Die Goetheschen Tafeln waren alber perspektivisch
gezeichnet, Camper tadelt überdies die falschc Vertei-
lung von Licht und Schatten und fragt an, ob er diesen
kalten Zeichnungen Seele geben solle. Nachdem so
auch Goethe die alte Erfahrung hatte machen müssen,
daß man einen Meister nicht von selinem Irrtum über-
zeugen könnei, ließ er die Verbindung mit Camper fallen,
und die Urfassung der Zwischenknochen-Arbeit kam
erst aus Campers Nachlaß vor mehreren Jahrzehnten
Felsenbein', üoethe eigenhändig, um 1794
Qoethe- und Schiller-Arehiv
T y p u s II: Unbewußt romantisierendes Stilbedürfnis
(Steigerung durch Polarität)
in das Goethe- und Schiller-Archiv. Betrachtet man die
darin enthaltenen anatomischen Ze'ichnungen, so be-
merkt man, daß Kontur und Schatten monogrammatisch
wie bei den Italienern und Callot sind. Goethe nimmt
keine Verschiedenheit der artistischen von der wissen-
schaftlichen Darstellung an. Die Abbildungen sollen die
J’rogr. I. a. C. tle reft. vetid, Jtberis Keredibus iton opitu-
lari. Lipf, 1764. 4.
Progr. remi/Tiooem iuratwt fpeciftcstionis cum Socini cao-
tel» ooniuBcism iDutüem cffe. lbiA 1765. 4.
Progr. de rccogttitiottc perfonarttm ct reruttt per tefte.i.
Ibid. 1767. 4.
Progr. de teft»mento feminae capite tvon demimtme, xl
Jocum CiceronU Topie. c. 4. Ibid. 1768. 4.
Salomonis Dcyütigii mllttutiones prudentia.c p*lfor»lis.
edttio »erdtt »ufHor per D. C. IV. Knßntrnm. 1b. »76g.«.
Miehael Hmritk Gribners, Difturs zur F.rläuterung der Chur-
Oberflächliche Muskeln des üesichts, Goethe eigenhändig, ca. 1786
Qoethe-National-Museum
Typus 1: Morphischer Drang als Wahrhaftigkeitspathos
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