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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Oktoberheft
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Die Deutsche Albrecht-Dürer Stiftung / Aus dem nordischen Kunstleben / Oesterreichische Ausstellung in Prag / Deutsche Kunst in Warschau / Londoner Kunstschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0086

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Aus dem noi?dtfcbcn Kunßteben.

„E i n V e 1 a s q u e z f ü r 400' Kronen!“ Nicht mehr und
nicht weniger verkündete eine Meldung, die jüngst von der Stock-
holmer Presse verbreitet wurde. Der Sachverhalt war der fol-
gende: Ein Stockholmer Möbelhändier hatte in diesem Sommer
getegentlich eines Aufenthaltes in Florenz dort für 400 Kronen (also
gegen 450 Mark) ein Bild gekauft, dessen schöner alter Rahmen ihn
reizte. Der Rahmen war das Geld und mehr wert, aber in'Schwe-
den meldeten sich dann Leute, die sich auch für das Bild selbst
interessierten und darauf Gebote machten. Dieses stellt den Mittel-
tefl von Velasquez’ berühmten „Borrachos“ im Prado dar und um
es kurz zu machen: der Eiigentümer solli von amerikaniischer Sedte
aus eine haibe Million Dorllar dafür erhalten haben. Und di'es ist
der wahre Humor bei der Sache, denn nach der Meinung der Sach-
verständigen ist das, was in dem schönen Rahmen steckt, nur eine
— möglicherweise alte — Kopie nach dem Meisterwerk des
Velasquez.

Weniger sensationell, dafür aber uim so sicherer und wert-
voller, sind einige bemerkenswerte Neuerwerbungen nor-
discher Museen. Das Nationalmusem in Stockholm erhielt als Sti.f-
tung der Freundesverainigunig des Museums einen: St. Sebastian von
P e r u g i n O'. Das Bild hat sich seit dem 17. Jahrhundert ununter-
brochen in englischem Privatbesiitz befunden, ist bezeichnet und ge-
hört nach Oswald Siren in Peruiginos Meisterperiode um 1500: In
der Literatur ist es bisher nur in einem Aufsatze Lionello Venturis
in „L’Arte behandelt worden. — Ein sehr kostbares Stück ist in
den Besitz des Kopenhagener Kupferstichkabinetts übergegangem.
Es ist ein Blockb.uich, das Bibldothekar Carl Dumreicher in
dem Archiv des Herrenhofes Lerchenborg entdeckt hat und das miit
Hilfe des Ny Carlieberg-Fonds für die Sammlung erworben werden
konnte. Der Preis soll um 150 000 Kronen iliegen. Das IBuch ist
ein Planetenbuch burgundischen Ursprungs. Max J. Friedländer
war geneigt! es als eine gerinigere Kopie des Berliner Exemplares
anzusehen, allein da in dem Lerchenborger Planetenbuch eine Figur
des Berliner fehlt, so wird es wohl keine Kopie darstellen, sondern
man meint, daß beide Biicher nach einem verlorenen oder doch
unbekannten burgundischen Originale ausgeführt seien. Herr Dum-
reicher ist der Ansicht, daß das Lerchenborger Exemplar nicht nur
besser erhalten, sondern auch besser geschnitten und gedruckt sei
als das in Beriin.

Der norwegische Maler E y o 1 f S o o t ist am 29. August im
Alter von 69 Jahren verstorben, Er hatte seine künstlerische Aus-
biildung erst in Kristiania, dann bei Carl Gussow -in Berliin genossen
(der auch zu Christian Krohgs Lehrern zählte) nmd sich dann bei
Bonnat in Paris vervollkommnet. Seine Großzeit lag in d'en acht-
ziger Jahren. „Das Brautgefolge zieht vorbei“ von 1886, „Will-
kommen“ und das Doppelbildni's von Jonas Lic und Frau — letztere
beide Werke in der Nationalgalerie zu Oslo — stellten ihn damals
mit einem Schlage iin die vordere Reihe der jungen Generation.
Die Motive waren einfach dem Bauernleben entnommen, natura-
listisch und nicht frei vom Beiigeschmack des Photographi’schen,

aber die Farbe war die eines echten Künstlers: Soot schilderte die
Sommernatiur Ostnorwegens, lichtdurchflutet und farbenfunkelnd,
mit einer Frische und Kraft, die Bewunderung und hohe Erwar-
tungen erregte. Diese Erwartungen wurden nun freilich nicht er-
füllt. Soot schuf sparsam und er ist in seinen späteren Arbeiten,
obschon sie achtungswerte Quialitäten aufweisen, über den ersten
Anlauf nicht mehr hinausgelangt. Aber er behauptet in der Ge-
schichte der norwegischen Malerei einen Platz als eines der stärk-
sten Talente der sogenannten Zwischengeneration.

Die norwegische Kunst bekundet gegenwärtig einen starken
Expansionsdrang. In Kopenhagen hat eihe Ausstellung
norwegischer Kunst — die erste ihrer Art seit 1915 —
stattgefunden, die ungefähr 200 Arbeiten umfaßte und ausschließlich
von den jüngeren Malern Norwegens bestritten wurde: Auf brei-
terer Grundlage ist die große norwegische Kunst-
au s s t e 11 u ng in London aufgebaut, die Ende September
eröffnet wurdc. Hier sind diie nocli lebenden Künstler der alten
„klassischen“ Generation, Eilif Peterssen, Werenskiold, Gerhard
Munthe, Harriet Backer, Munch und Edvard Diriks vertreten,
Werenskiold u. a. mit seinem bekannten Ibsenhildnis, Munch mit dem
Porträt Sandberg und einer ne-uen Fassung des „Kranken Mädchens“.
Christian Krohg, Fritz T.haulow, Wold Thornse und Karsten sind
die einzigen Verstorbenen, von denen Werke herangezogen wurden;
sonst gchört die Ausstellung ganz den Lebenden, und sie wird den
Engländern, denen die norwegische Kunst nocli sehr wenig bekannt
ist, einen breiten und lehrreichen Ouerschnitt ihrer gegenwärtigen
Leistungen bieten.

Ein sehr interessantes Ergebnis haben die Ausgrabungen
gezeigt, die in diesem Sommer dicht vor den Mauern von W i s b y
vorgenommen wurden. Sie standen unter der Leitung von Dr.
Bengt Thordemann, dem von dänischer Seite Dr. Paul Norlund
zuir Seite stand. Die Ausgrabungen fanden an der Stelle statt, wo
das „Waldemarkreuz“ die Stätte jener blutigen Schlacht des Jahres
1361 bezeichnet, in der Waldemar Atterdag von Dänemark die got-
ländischen Bauern besiegt hat. Entdeckt wurde ein Massengrab,
das als das größte aus dem Mittelalter erhaltene bezeichnet wird.
In dem einen der freigelegten Gräber mögen 400 bis 500 Krieger
beigesetzt worden sein, und alles in allem rechnet man, daß dieses
Massengrab an 1800 Leichen bcrgen mag. Die Bedeutung der Aus-
grabung Iiegt vor allem darin, daß die zahlreichen ausgegrabenen
Skelette ein reiches Material für anthropologiische Untersuohungen
bieten, dann aber in der großen Menge aufgefundener Rüstungen
und Waffen, die wertvolle Aufschlüsse zur rmttelalterlichen Waffen-
kunde versprechen. Zugleich wurden auch die Reste der Kirche
des längst verschwundenen, dicht bei der Begräbnisstätte belegenen
Zästerziensernonnenklo'sters Solbjerga aufgedeckt, die, wie eis sich
erwies, ein im Verhältnis zu den Kreuzarmen sehr kleines Langhaus
gehabt bat. Die Ausgrabungen sollen im nächsten Jahre fort-
gesetzt werden.

r.

Ocßct?ü0id)i{cbe Ausßcttunq tn Pi?ag.

In dem besten Rahmen, über den augenblicklich das in bau-
licher Ausgestaltung begriffene Prag verfügt, in den großen Aus-
stellungssälen des Gemeindehauses, stellt sich das junge Oesterreich
zum ersten Maie seit Zerfall der Monarchie seinem tschechischen
Nachbarn vor. Von einem in Wien lebenden tschechischen Dichter
angeregt, unter dem Protektorat beider Staatspräsidenten stehend,
bedeutet diese Ausstellung mehr als eine Repräsentation Oester-
reichs. Es ist ein Akt kulturelier Solidarität, den. die junge, au.f-
strebende tschechische Kunst vor ihrem auf altem Fundament
bauenden Nachbarn bekundet und den diie Oesterreicher mit Dank
quittierten. Die Ausstellung gibt den Eindruck frohesten Optimis-
mus. Ein festes Zupacken allenthalben', wenn auch im großen
Ganzen die Persönlichkeit hinter dem Wfllen zurückbteibt. Wenn

man von den im Jahre 1918 verstorbenen Gustav Klimt und Egon
Schiele absieht, die noch immer im Bewußtsein des heutigen Nach-
wuchses lebendig sind, und auch Oskar Kokoschka als bereits
Arrivierten nicht mitrechnet, dann ist die Zahl der neuen Imdividua-
litäten des jungen Oesterreich bald aufgezählt.

Anton Koligs temperamentvolle Malfaust (prächtig im
linearen Aufbau und im Variieren des Rot ist sein Bild „Muitter“),
Anton Faistauers wohlgepflegtes und geschmackvolles Han-
tieren mit der Farbe (die grüne Landschaft mit Schnee ist ob ihres
ungewohnten Akkords bemerkenswert), Karl Molls virtuos ge-
zeichnete und farbig subtil zurückgehaltene Landschaften, in denen
das Charakteristisch-Eiinzigartiige der Naturaussohniitte nach der
Seite des Geifällig-Dekorativen abgeschwächt erscheint, bilden neben

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