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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 10./​11.1928/​29

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1./2. Oktoberheft
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Hartlaub, Gustav Friedrich: Düsseldorf und die junge Kraft
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https://doi.org/10.11588/diglit.25877#0090

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schaffen, die nur durcli die Biildung eines neuen Lnnerlich interessier-
ten Sammlertums gewährleistet werden können..

Die beiden AusstelLun.gen stehen in einem bemerkenswerten
CLegensatz, dcr zu einer grundsätzlichen Betrachtung geradezu her-
ausfordert. Beide Unternehmungen strebten in hohem Maße
Objektivität bei der Auswahl der Künstler und ihrer Werke
an. Beide wollten nicht so sehr einzelne Künstlerpersönlichkeiten
herausheben, als das Niveau der Kunst im Ganzen kennzeichnen.
Aber die Objektivität der einen Ausstellung — wir meinen die von
Nürnberg — war Neutralität im bedenklichen Sinn. Sie beru.hte
gleichsam auf dem Gesetz mechanischer Abstimmung und Stimmen-
zählung. Niirnberg hat infolgedessen mit seinem Versuch, es
j e d e m recht zu machen, es schließlich allen unrecht gemacht.
Das Bild von deutscher Kunst der Gegenwart, welches sich hier
bietet, hat iiberhaupt kein Gesicht, entbehrt jeder sinnvollen Ge-

Aber die Düsseldorfer Ausstellung ist von Menschen mit per-
sönlichem Standpunkt, erfahrenem Quaiitätssinn und leidenschaft-
licher innerer Teilnahme gemacht worden, und das Bild, welcbes
sie so vom deutschen Kunstschaffen der Gegenwart entwerfen
konnte, ist ebenso geprägt, kräftig und hoffnungsvoll, wie das Bild
von Nürnberg falirig u.nd verschwommen geblieben ist. Gewiß er-
scheint die deutsche Malerei auch hier nicht einheitlich, sondern
vielspältig genug, aber die verschiedenen Richtungen treten doch
klar und gegliedert hervor. Was sich gegenübertritt, hat einiger-
maßen gleichhohes Niveau. Schließlich scheint sich sogar bei den
Jüngsten so etwas wie ein einheitliches Wollen und Können heraus-
zuklären, welches wir noch charakterisieren werden müssen, weil
es für die nächste Zukunft entscheidend zu werden verspricht.

Danken wir also vor allen Dingen den Düsseldorfern für diese
bemerkenswerte Kunsttat, die uns Perspektiven eröffnet, Hoffnun-

I). Matthicu, Joachim Ulrich Ciicse und seine Frau Sopliie Elisabeth
Von der Gemäldegalerie des Kaiser-Friedrich-Museums Berlin aus der Kunsthandlung A. Blumenreich, Berlin, erworben

schlossenheit. Als „Künstler“ hat man einfach betrachtet und aus-
gestellt, wer von irgend einer Gruppe als „Kiinstler“ angesehen
wird. So sind wirkliche Könner und Persön.lichkeiten neben gleieh-
gültige Routiniers, so ist Salonmalerei neben die Anstrengung der
Emsamen, Unverstandenen geraten. Der Betrachter fragt sich zum
Schluß verzweifelt, wie all das in Deutschland nebeneinander her
existieren kann und er empfindet mJt ganzer Schärfe, was Alles
heute von großen Kreisen des Publikums als Kunst genommen wird,
und wie selten, wie einsam diiejenigen bleiben, fiir die sich ein klei-
ner Kreis von Freunden und Kennern seit vielen Jahren doch nur
mit geringem Erfolg bemüht. Freilich auch diiese FeststelLung von
der wirklichen, sozusagen statistischen Situation der heutigen Kunst
in Deutschland mag ihren Wert haben und insofern können wir
Niirnberg fiir diese Art von demokratischer Gerechtigkeit nicht
ganz undankbar sein.

Auch die Düsseldorfer Schau war demokratisch gemeint, inso-
fern, als sie Lhre Persönlichkeiten nirgends geschlossen vorführt, son-
dern deren Werke geradezu raffiniert auseinanderzwingi, um sie mit
Arbeiten fremder Künstler zu einem oft glänzend gelungenen
Ensemble zu verbinden, einem Ensemble, das tfreilich das Kollektive
unseres Kunstschaffens stärker betont als ibillig und das den im
Grunde recht ausgeprägten Persönlichkeiten unter unsern Jüngsten
keineswegs vollen Ausdruck gibt.

gen ermöglicht. Nach der Niederlage auf der Kunstausstellung der
Gesolei von 1926, nach den schweren Parteikämpfen von 1927 haben
sich die inneren künstlerischen Kräfte von Düsseldorf jetzt so weit
gesammelt, daß ein großer einheitlicher Vorstoß möglich war. Von
diiesem Augenblick an ist Düsseldorf wieder das, was es einmal
im 19. Jahrhundert gewesen ist und was es seit langem wieder
werden möchte: Kunst- und Künstlerstadt von Rang, Sammelpunkt
von Energien, bedeutsamer geistiger Gegenpol zum östlichen Berlin
und zum südlichen Miinchen, welches es wohl schon als ausstrah-
lende Kraft seit Jahren stark übertritfft.

Betreten wir noch eiinmal im Geiste diese neue Kunst- und
Museumsstadt am Rheinufer, die von den Tagen der Gesolei her
zurückgeblieben ist und n;un — Planetarium, Museum und Aus-
stellungsbau — eine vielleicht etwas kulissenhafte und im einzel-
nen micht einwaiidtfreie, aber doch nach außen hin sehr repräsen-
tative Gebäudegruppe bildet: ein geschlossenes Reich der Kunst,
der alten wie der neuen, wie es in soächer Würde wenig andere
deutsche Kunststädte aufzuweisen haben. Ueber die Tat, die Koet-
schau. mit der Einrichtung des neuen Museums vollbracht, kann
hier nicht gesprochen werden, nur das eine sei festgestellt, daß
e r s t j e t z t ein Urteil über die langjährige Sammeltätigkeit er-
laubt ist, die Koetschau und Cohen seit vielen Jahren betrieben
haben, und die natürlich in den alten Museumsräumen überhaupt

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